Verkehrssicherungspflicht: Glatteis außerhalb von Ortschaften

Dürfen sich Autofahrer im Winter außerhalb geschlossener Ortschaften darauf verlassen, dass an den gefährdeten Stellen gestreut wird? Mit dieser Frage hat sich das OLG Hamm beschäftigt.

Im konkreten Fall ging es um eine Frau, die im Dezember in einer leichten Linkskurve einer Kreisstraße aufgrund von Eisglätte mit ihrem Auto ins Rutschen gekommen war. Sie kam von der Fahrbahn ab und prallte gegen eine Baumgruppe. Fahrerin und Beifahrerin erlitten erhebliche Verletzungen und mussten von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug geborgen werden.

Amtspflichtverletzung des zuständigen Kreises?

Die Frau verklagte den für die Straße zuständigen Kreis Recklinghausen. Begründung: Die Unfallstelle sei für sie wegen überfrierender Nässe (3 Grad Außentemperatur) nicht erkennbar spiegelglatt und verkehrssicherungswidrig nicht gestreut gewesen.

Vom Kreis forderte die Autofahrerin:

  • 2.300 Euro für den am Fahrzeug entstandenen Schaden
  • 3.900 Euro Haushaltsführungsschaden
  • 2.000 Euro Schmerzensgeld

Doch die Schadensersatzforderung blieb erfolglos. Der Unfall beruhe nicht auf einer Amtspflichtverletzung des beklagten Kreises, entschied das OLG Hamm.

Verkehrssicherungspflicht muss wirtschaftlich zumutbar sein

Generell gelte: Die Räum- und Streupflicht werde – wie jede Verkehrssicherungspflicht – durch das Kriterium der wirtschaftlichen Zumutbarkeit begrenzt

Im Einzelnen begründete das Gericht seine Entscheidung so:

  • Auf öffentlichen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften müsse der Verkehrssicherungspflichtige nur an besonders gefährlichen Stellen gegen die Gefahr einer Glatteisbildung vorgehen.
  • Besonders gefährliche Stellen sind nur solche, bei denen ein Verkehrsteilnehmer bei Fahrten auf einer winterlichen Straße trotz scharfer Beobachtung des Straßenzustandes und erhöhter Sorgfalt die Glatteisgefahr nicht erkennen und deshalb nicht meistern könne.
  • Ein umsichtiger Fahrer hätte an der Unfallstelle bei winterlichen Temperaturen grundsätzlich mit Glätte durch Eis oder Raureif gerechnet und seine Fahrweise darauf eingestellt.
  • Die Frau hätte ihre Fahrweise an die Umstände – teilweise Wald neben der Straße und damit unterschiedliche Sonneneinstrahlung auf die Straßenoberfläche – anpassen müssen.

Die allgemeinen Straßenverhältnisse an der Unfallstelle schätzte das Gericht nicht als außergewöhnlich gefahrenträchtig ein. Die Fahrbahn weise kein besonderes Gefälle und keine seitliche Neigung oder Ähnliches auf. Zudem sei die Straßenführung für einen herannahenden Verkehrsteilnehmer gut einsehbar.

(OLG Hamm, Urteil v. 12.08.2016, 11 U 121/15)



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