BGH: Vorkaufsrecht von Angehörigen geht Mietervorkaufsrecht vor

Ein dingliches Vorkaufsrecht zugunsten eines Familienangehörigen hat Vorrang vor dem gesetzlichen Vorkaufsrecht eines Mieters, selbst wenn es erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter bestellt worden ist.

Hintergrund: Konkurrierende Vorkaufsrechte

Geschiedene Eheleute hatten das gemeinsame Haus im Zuge ihrer Trennung im Jahr 2016 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Von den drei Wohnungen erhielt der Mann zwei und die Frau eine zu Eigentum. Zudem bewilligten sie sich gegenseitig dingliche Vorkaufsrechte.

Im Jahr 2019 verkaufte der Mann eine seiner beiden Wohnungen. Diese war bei der Aufteilung in Wohnungseigentum bereits vermietet. Daraufhin übte seine Ex-Frau ihr Vorkaufsrecht aus. Der Mieter der Wohnung machte ebenfalls sein Vorkaufsrecht (Mietervorkaufsrecht gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB) geltend.

Der Mieter wurde schließlich als Eigentümer der Wohnung im Grundbuch eingetragen. Die Frau ist der Ansicht, ihr Vorkaufsrecht sei gegenüber dem des Mieters vorrangig. Sie verlangt von ihrem geschiedenen Mann, ihr das Eigentum an der Wohnung zu übertragen und ihre Eintragung als Eigentümerin zu bewilligen.

Die Klage blieb vor Landgericht und Oberlandesgericht ohne Erfolg. Die Gerichte waren der Meinung, das Vorkaufsrecht des Mieters gehe dem gewillkürten dinglichen Vorkaufsrecht jedenfalls dann vor, wenn letzteres wie hier bei Überlassung der Wohnung an den Mieter noch nicht bestanden habe.

Entscheidung: Angehöriger hat Vorrang

Der BGH teilt die Auffassung der Vorinstanzen nicht. Das dingliche Vorkaufsrecht der Ex-Frau hat Vorrang vor dem Mietervorkaufsrecht. 

Ein dingliches Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es vom Eigentümer zu Gunsten eines Familienangehörigen im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde. So liegt es hier. Denn Eheleute sind auch dann als Familienangehörige im Sinne dieser Regelung anzusehen, wenn sie geschieden sind.

Das dingliche Vorkaufsrecht hat selbst dann Vorrang, wenn es erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter bestellt wurde. Der Vermieter könnte die Wohnung nämlich gemäß der genannten Vorschrift direkt dem Familienangehörigen verkaufen, ohne dass der Mieter zum Vorkauf berechtigt wäre. Daher ist nicht ersichtlich, warum das Vorkaufsrecht des Mieters vor dem dinglichen Vorkaufsrecht des Familienangehörigen Vorrang haben sollte.

(BGH, Urteil v. 27.9.2024, V ZR 48/23)

Gesetzliche Grundlagen des Vorkaufsrechts

§ 577 BGB Vorkaufsrecht des Mieters

(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. Dies gilt nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. Soweit sich nicht aus den nachfolgenden Absätzen etwas anderes ergibt, finden auf das Vorkaufsrecht die Vorschriften über den Vorkauf Anwendung.

(2) Die Mitteilung des Verkäufers oder des Dritten über den Inhalt des Kaufvertrags ist mit einer Unterrichtung des Mieters über sein Vorkaufsrecht zu verbinden.

(3) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch schriftliche Erklärung des Mieters gegenüber dem Verkäufer.

(4) Stirbt der Mieter, so geht das Vorkaufsrecht auf diejenigen über, die in das Mietverhältnis nach § 563 Abs. 1 oder 2 eintreten.

(5) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

§ 464 BGB Ausübung des Vorkaufsrechts

(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form.

(2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.


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