Befangen, wenn Frau des Richters bei Anwalt einer Partei arbeitet

Der BGH hat entschieden, dass nicht nur dann eine Befangenheit eines Richters vorliegen kann, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in einer Kanzlei tätig ist, welche eine Partei vor diesem Richter vertritt. Vielmehr kann eine unzulässige Einflussnahme auch dann zu besorgen sein, wenn die Ehegattin in dieser Kanzlei als Sekretärin in Teilzeit angestellt ist.

Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens stritten die Parteien über die Begründetheit eines Ablehnungsgesuches der Schuldnerin gegen den Vorsitzenden Richter.

Zwangsvollstreckungsverfahren:: Richterehefrau bei Gläubigerkanzlei beschäftigt

  • Die Ehefrau des Vorsitzenden arbeitet in Teilzeit als Sekretärin bei der Rechtsanwaltskanzlei, welche die Gläubigerin vertritt.
  • Dies hatte der Vorsitzende Richter in einem weiteren zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit mitgeteilt. 
  • In dieser Mitteilung führte er aus, dass der Rechtsanwalt ihm auch persönlich bekannt geworden sei und beide sich seit ein paar Jahren duzen würden.

Ein Kontakt bestünde jedoch, von seltenen Ausnahmen abgesehen, lediglich im Rahmen der alljährlichen Weihnachtsfeier, zu welcher er auch als Ehemann seiner Frau eingeladen werde. Ein persönliches oder freundschaftliches Verhältnis bestünde hingegen nicht.

Kammergericht: Besorgnis der Einflussnahme besteht nur bei Rechtsanwälten

Im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren hatte das Beschwerdegericht das Ablehnungsgesuch der Schuldnerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das Beschwerdegericht führte in seiner Begründung aus,

  • der Umstand, dass die Ehefrau des Richters in der Kanzlei arbeite, könne keine Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters begründe, da es an einer Gefahr der fachlichen Einflussnahme fehle.
  • Darüber hinaus seien angestellte Sekretärinnen regelmäßig nicht am Gewinn der Kanzlei beteiligt
  • und eine soziale Abhängigkeit der Familie sei bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen ebenfalls gering.
  • Das Duzen selbst lasse, angesichts der weitgehend fehlenden Kontakte, nicht auf eine innere Verbundenheit schließen,

so das Beschwerdegericht.

Juristisch-fachlicher Austausch nur unter Rechtsanwälten?

Der BGH sah dies jedoch anders.

Bei der Besorgnis der Befangenheit sei eine tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit nicht erforderlich, es genüge daher schon der „böse Schein“ bzw. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität.

Zwar habe das Beschwerdegericht unter Bezugnahme des BGH-Beschlusses vom 12.03.2012 (V ZB 102/11) zutreffend erkannt, dass eine Besorgnis der Befangenheit dann bestünde, wenn der Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die eine Partei vor diesem Richter vertritt.

Allerdings habe das Beschwerdegericht sodann unzutreffend eine Anwendbarkeit der Grundsätze auf vorliegenden Fall mit der Begründung abgelehnt,

  • da die Ehegattin ja nicht als Rechtsanwältin,
  • sondern als Sekretärin in der Kanzlei tätig
  • sei hier, anders als bei Rechtsanwaltskollegen, keine Versuchung gebe, juristische Probleme miteinander auszutauschen.

BGH: Auch Sekretärinnen können unzulässig Einfluss nehmen

Entgegen dieser Auffassung beschränke sich eine unzulässige Beeinflussung jedoch nicht nur auf eine juristisch-fachliche Ebene. Vielmehr könne eine Einflussnahme darin bestehen, dem Richter die Bedeutung eines Prozessgewinns für das Ansehen oder den wirtschaftlichen Erfolg der Kanzlei nahezubringen, argumentierte der Senat.

Ein Duzen reiche zwar grundsätzlich nicht aus, eine Besorgnis einer Voreingenommenheit aufgrund einer nahen persönlichen Beziehung zu rechtfertigen (→ Duzen einer Partei macht Richter noch nicht befangen).

Dennoch sei nach der Gesamtbetrachtung der Umstände im Streitfall die persönliche Bekanntheit von Richter und Prozessbevollmächtigten ein Aspekt, welcher verstärkend darauf hindeuten könnte, dass eine unzulässige Einflussnahme über die Ehefrau zu besorgen sei.

(BGH, Beschluss vom 21.06.2018, I ZB 58/17).


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Hintergrundwissen

Verdacht der Befangenheit: Fallgruppen

Jenseits der gesetzlichen Befangenheitsgründe muss ein Befangenheitsantrag Tatsachen glaubhaft darstellen, die einen Befangenheitsverdacht begründen und das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters begründen. Maßgeblich ist dabei die Sicht eines vernünftigen Dritten. Ob sich der Richter selbst für befangen hält oder fühlt, ist irrelevant.

In der Praxis haben sich verschiedene Fallgruppen mit einer ausufernden Kasuistik entwickelt:

  1. Verfahrensfehler und skeptische Äußerungen über das Prozessverhalten von Verfahrensbeteiligten, Weltanschauliche Einstellungen oder persönliche oder berufliche Interessen am Prozessausgang können zur Befangenheit führen.
  2. Befangenheit ist danach vor allem aufgrund eines besonderen Näheverhältnisses des Richters zu Verfahrensbeteiligten naheliegend.
  3. Sie steht aber auch bei Mitwirkungen an Vorentscheidungen oder sonstige Vorbefassungen mit der zu entscheidenden Sache schnell im Raum.

Schlagworte zum Thema:  Befangenheit, Richter, Zwangsvollstreckung