BGH zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung
In dem vom BGH entschiedenen Fall forderte ein Insolvenzverwalter die Rückzahlung eines von der Schuldnerin auf ein Bankkonto der Beklagten überwiesenen Betrages von 50.000 Euro.
Zahlungsanspruch in zweifacher Hinsicht begründet
Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß und stützte seine Entscheidung auf zwei selbständig nebeneinander bestehende rechtliche Erwägungen, nämlich auf bereicherungsrechtliche Gründe sowie auf den Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 Abs. 1, 134 Abs.1, 143 Abs. 1 Satz 1 InsO. Die von der Beklagten behauptete Anweisungslage (Anweisung des Vaters an die Schuldnerin) stand nach Auffassung des LG dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen. Die Beklagte habe zum einen die von ihr behauptete Entreicherung nicht hinreichend substantiiert dargelegt, zum anderen komme eine Anfechtung nach § 134 InsO auch gegenüber dem Leistungsmittler einer mittelbaren Zuwendung in der Insolvenz des Schuldners in Betracht. Der Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters sei daher in zweifacher Hinsicht gerechtfertigt.
Berufungsbegründung würdigt Urteilsbegründung nur in Teilen
Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung ein, die sie aber verspätet begründete. Hinsichtlich der verspätet eingereichten Berufungsbegründung beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten Berufungsbegründungsschrift setzte sie sich mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils nur insoweit auseinander, als das LG das Vorliegen einer Anweisungslage verkannt und der Klage aus bereicherungsrechtlichen Erwägungen nach ihrer Ansicht zu Unrecht stattgegeben hatte.
Berufungsbegründung muss Ersturteil dezidiert angreifen
Diese Berufungsbegründung erfüllt nach Auffassung des BGH nicht die inhaltlichen Mindestanforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift gemäß § 520 Abs. 3 ZPO. Hiernach habe eine Berufungsbegründungsschrift sämtliche Umstände zu bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers eine Rechtsverletzung durch das erstinstanzliche Gericht und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Der Berufungsbegründungsschriftsatz müsse
- auf den konkreten Streitfall zugeschnittene tatsächliche und rechtliche Gründe benennen,
- die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil begründen (BGH, Beschluss v. 3.3.2015, VI ZB 54/19).
Berufungsbegründung unvollständig
Diesen rechtlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift genügte die von der Beklagten im Rahmen ihres Wiedereinsetzungsantrages eingereichte Berufungsbegründungsschrift nach dem Diktum des BGH nicht. Die mit der Berufungsbegründungsschrift gegen das erstinstanzliche Urteil geführten Angriffe waren nach Ansicht des Senats - selbst wenn sie rechtlich zutreffend wären - nicht geeignet, das erstinstanzliche Urteil in seinem Ergebnis in Frage zu stellen, da nicht sämtliche, das Urteil selbständig tragenden rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts Gegenstand des Berufungsangriffs seien.
Kein Berufungsangriff gegen einen der tragenden Urteilsgründe
Der Senat rügte, dass die Berufungsbegründung auf die das erstinstanzliche Urteil selbstständig tragende Begründung des LG, dass der Kläger als Insolvenzverwalter zu einer Anfechtung des der Banküberweisung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts gemäß § 134 InsO berechtigt war, mit keinem Wort eingeht. Unter anderem auf diese rechtliche Erwägung habe das LG den vom Kläger geltend gemachten Anspruch gemäß §§ 129 Abs. 1, 134 Abs. 1, 143 Abs. 1 Satz 1 InsO aber gestützt. Da insoweit ein erkennbarer Berufungsangriff nicht vorliege, entspreche der Berufungsbegründungsschriftsatz nicht den rechtlichen Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung.
Berufung im Ergebnis unzulässig
Die Berufung war daher im Ergebnis nicht ordnungsgemäß begründet und daher unzulässig. Dementsprechend hat das LG nach der Entscheidung des BGH den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde war daher gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522, 574 ZPO erfolglos.
(BGH, Beschluss v. 7.5.2020, IX ZB 62/18).
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