Wann sind die Kosten für ein privates Sachverständigengutachten erstattungsfähig
Ein Bauunternehmer hatte für einen Bauherren ein Wohnhaus errichtet und nach Fertigstellung noch 36.000 Euro Resthonorar eingeklagt. Der Kunde ließ daraufhin zwei Privatgutachten fertigen, um so nachzuweisen, dass ein Mangel am Bauwerk bestand und die Arbeiten des Bauunternehmers nicht fertiggestellt worden seien.
Das veranlasste den Bauunternehmer seinerseits dazu, ein Privatgutachten in Auftrag zu geben, das zu einer gegenteiligen Beurteilung kam.
Ersatz der Sachverständigenkosten war strittig
Nach dem Ende des Prozesses, den der Bauunternehmer überwiegend gewann, wollte er die Sachverständigenkosten in Höhe von 5.000 Euro von der Gegenseite ersetzt bekommen. Der Streit ging bis vor den Bundesgerichtshof.
Beauftragung muss sachdienlich und prozessbezogen sein
Die höchsten deutschen Zivilrichter lehnten eine Erstattung ab.
§ 91 Abs. I 1 ZPO bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten erstatten muss, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.
Nach der Rechtsprechung des BGH
- sind erstattungsfähige notwendige Kosten solche,
- die für Maßnahmen anfallen,
- die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei
- als sachdienlich ansehen darf.
Beurteilung der Notwendigkeit
Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen.
Zu den erstattungsfähigen Kosten können ausnahmsweise die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind.
- Das nimmt der BGH in den Fällen an, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnis ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war.
- Dazu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag.
Bauunternehmer kann sich nicht auf Waffengleichheit berufen
Im vorliegenden Fall war der Kläger nach Ansicht des BGH aufgrund seiner eigenen Sachkunde ohne Weiteres in der Lage, zu dem Inhalt der durch den Kunden eingeholten Gutachten selbst Stellung zu nehmen.
Spezialkenntnisse, die der Kläger als Bauunternehmer nicht hatte, waren hierfür nicht erforderlich.
Der Bauunternehmer meinte jedoch, er sei nach dem verfahrensrechtlichen Grundsatz der „Waffengleichheit“ berechtigt gewesen, sich seinerseits sachverständiger Hilfe zu bedienen.
Das Argument lehnte der BGH ab. Nur umgekehrt werde ein Schuh daraus: Die seitens des Bauherren eingeholten Sachverständigengutachten dienten dazu, eine „Waffengleichheit“ zur Sachkunde des Bauunternehmers herzustellen. Damit waren beide Parteien gleichermaßen in die Lage versetzt, zur Fertigstellung und Mangelhaftigkeit des Bauwerks vorzutragen. Der Bauunternehmer benötigte laut BGH kein privates Gutachten, um den Einwendungen in dem Privatsachverständigengutachten der Beklagtenseite entgegenzutreten.
Privatgutachten nicht mehr wert
Schließlich sind die Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens auch nicht deshalb erstattungsfähig, weil diesem im Rahmen des Rechtsstreits ein größeres Gewicht zukomme als sonstigem Parteivortrag.
Ausdrücklich verneinen die BGH-Richter diese These. Das Gebot aus Artikel 103 Absatz I GG, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichte die Gerichte, die entscheidungserheblichen Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in die Erwägungen miteinzubeziehen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob eine Partei aufgrund eigener oder durch ein privates Sachverständigengutachten vermittelter Sachkunde im Prozess vorträgt .
(BGH, Beschluss v. 01.02.2017, VII ZB 18/14 )
Hintergrund
§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht
(1)
1 Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
2 Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
§ 91 Abs. 1 ZPO sieht eine Erstattungspflicht nur für die dem Gegner erwachsenen „Kosten des Rechtsstreits” vor. Damit soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozess verteuert.
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