Erweiterte Befugnisse bei der DNA-Analyse zu Ermittlungszwecken

Eine geplante weitere StPO-Reform erweitert nicht nur die Befugnisse der Ermittler bei der DNA-Analyse um die Bestimmung von Haut-, Haar- und Augenfarbe. Zwecks Straffung der Strafprozesse sind auch erhebliche Beschränkungen der Beschuldigten- und Verteidigungsrechte und Einschnitte im Beweisantragsrecht geplant, die Strafverteidiger alarmieren. 

Mit dem seit Mai 2019 vorliegenden Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens will das BMJV die Durchführung von Strafverfahren straffen und die Ermittlungsmethoden zur Aufklärung von Straftaten verbessern. Nach einem Bericht der Funke-Mediengruppe wurde der Gesetzentwurf nun zur Abstimmung an die anderen Ministerien weitergeleitet.

Aktuell enge Grenzen für Auswertung der DNA

Der Verbesserung der Ermittlungsmethoden gilt insbesondere die Reform des § 81e StPO. Nach der bisherigen Fassung dürfen an durch körperliche Untersuchungen des Beschuldigten gemäß § 81 a StPO (oder der gemäß § 81c StPO im Ausnahmefall erlaubten körperlichen Untersuchung von Zeugen) erlangtem Material mittels molekulargenetischer Untersuchung des DNA-Identifizierungsmusters die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt und mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden. Voraussetzung ist, dass dies zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist. Gemäß § 81e Abs. 1 Satz 2 StPO sind darüber hinausgehende Feststellungen ausdrücklich ausgeschlossen.

Erweiterung der DNA-Analyse auf Hautfarbe und weitere Merkmale

Durch eine Reform des § 81e Abs. 2 StPO soll diese Grenzziehung nun geändert werden. Durch Einfügung eines Zusatzes sollen molekulargenetische Untersuchungen an aufgefundenem, sichergestelltem und beschlagnahmtem Material auch hinsichtlich der wahrscheinlichen Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie des Alters des Spurenlegers erlaubt werden. Dies soll nach Auffassung der Bundesregierung insbesondere neue Möglichkeiten bei der Aufklärung älterer ungelöster Fälle schaffen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei die Vorhersagegenauigkeit solcher genetischer Untersuchungen inzwischen so hoch, dass eine Gesetzesänderung gerechtfertigt sei.

DNA-Test durch Allgemeininteresse legitimiert

Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht verkennt nicht, dass die DNA-Analyse grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. In Abwägung mit dem Anspruch der Bevölkerung und des Staates auf eine effektive Verfolgung und Ahndung von Straftaten sei die Erweiterung der DNA-Analyse als neuer Ermittlungsansatz durch das überwiegende Interesse der Allgemeinheit legitimiert.

Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Ermittlungen auch bisher schon die Verwertung von Fotografien oder Videoaufzeichnungen erlaubt sei, die ebenfalls das äußere Erscheinungsbild von Verdächtigen und auch von Zeugen vollständig abbilden.

Die erweiterte DNA-Untersuchung mache nichts anderes und gehe über die Feststellung der äußeren Merkmale einer Person nicht hinaus, so dass ein Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit nicht vorliege und insbesondere auch der Vorwurf des Rassismus durch Feststellung der Hautfarbe nicht gerechtfertigt sein.

Weitere Reformpunkte

Der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Strafverfahrens enthält auch Verbote zum Verhüllen des Gesichts vor Gericht (Burkaverbot) und Erweiterungen zur Telekommunikationsüberwachung, die unter anderem der effektiveren Verfolgung von Einbruchsdiebstählen dienen soll.

Scharfe Kritik von Seiten der Strafverteidiger

Strafverteidiger befürchten eine deutliche Beschränkung der Verteidigerrechte u.a.  dadurch, dass

  • Beweisanträge künftig leichter wegen Missbrauchs zurückgewiesen werden können,
  • Prozesse trotz Befangenheitsantrag über die Dauer von zwei Wochen weitergeführt werden sollen,
  • das Recht der Besetzungsrügen deutlich eingeschränkt wird und
  • bei Sexualdelikten die richterliche Vernehmung per Videoaufzeichnung in den Prozess eingeführt werden kann.

Gesetzentwurf auf dem Weg durch die Gremien

Trotz aller Kritik dürfte das Gesetz im wesentlichen wie bisher geplant kommen. Nach Abstimmung der diversen Ministerien wird das Kabinett über die Gesetzesvorlage beschließen und den Beschluss dem Bundestag zur Beratung vorlegen.

Erweiterte DNA-Analyse hochumstritten

In den öffentlichen Medien wird insbesondere die Erweiterung der DNA-Analyse teilweise heftig kritisiert. Die Molekularbiologin Isabelle Bartram warnt in der „taz“ vor der Gefahr der Überbetonung der Hautfarbe im Rahmen der DNA-Analyse und der damit verbundenen Gefahr des Racial Profiling. Ein weiteres Gegenargument ist die befürchtete Tendenz zur Überbewertung der Ergebnisse von DNA-Analysen. Auch DNA-Analysen enthielten letztlich lediglich Wahrscheinlichkeitshypothesen. Bei der Bestimmung des Alters beispielsweise seien Schwankungen von bis zu zehn Jahren möglich.

Reformbefürworter pochen auf die Kompetenz der Ermittler

Gegenargument der Reformbefürworter: Auch bei der Auswertung von Fotos oder der Bewertung von Aussagen von Zeugen seien solche Schwankungen normal oder sogar größer. Ermittlungsbeamte arbeiteten grundsätzlich mit Wahrscheinlichkeitshypothesen und seien darauf geschult, deren Richtigkeit zu überprüfen. Das Vertrauen in die Kompetenz der StA und der Polizei sei ebenfalls eine wichtige Grundlage des Rechtsstaates.


Hintergrund: 

Gefährden die Reformpläne das Rechtsstaatsprinzip?

Der Gesetzgeber verfolgt mit der geplanten Reform das Ziel, eine deutliche Beschleunigung und damit effektivere Gestaltung der Verfahren zu erreichen, ohne – wie das BMJV behauptet - wesentliche Rechte der Beschuldigten zu beschränken. Kritiker sehen allerdings Grundrechte gefährdet und Handlungsbedarf auch im Sinne der Strafverteidigung. 

  • Bis heute fehle es an der von Strafverteidigern seit langem geforderten partizipatorischen Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens →Ergebnisse des 2. Strafkammertag.
  • Demgegenüber suche der Gesetzgeber offensichtlich sein Heil darin, die Rechte der Strafverteidiger immer mehr zu beschränken, um dadurch eine Straffung der Strafverfahren zu erreichen.
  • Dies gehe im Ergebnis zulasten der Beschuldigten und ihrer grundlegenden strafprozessualen Rechte
  • und führe damit im Ergebnis zu einer gefährlichen Einschränkung des Rechtsstaatsprinzips.

Schlagworte zum Thema:  Staatsanwaltschaft, Polizei