Sachverständiger ist befangen, wenn er einseitigen Ortstermin nicht ablehnt


Nach Durchführung einseitigen Ortstermins ist Gutachter befangen

Immer wieder kommt es vor, dass Sachverständige in Zivilverfahren ein Haus, ein Grundstück oder eine Wohnung besichtigen oder dort Beprobungen durchführen müssen. Sind die Parteien verfeindet, wird dem Gegner oft der Zugang verwehrt. Dann sollte der Sachverständige den Termin lieber abblasen.

Zieht der Sachverständige den Ortstermin durch, ohne dass die Gegenseite anwesend sein darf, muss er vom Gericht als parteiisch abgelehnt werden. Das hat das OLG Saarbrücken entschieden.

Gegenpartei darf beim Ortstermin nicht auf der Straße stehen und "außen vor" bleiben

Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Gemäß § 42 ZPO genügt es, dass objektive Umstände gegeben sind, aufgrund deren vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung besteht, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber.

  • „Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht (bzw. der Sachverständige, Anm. der Red.) selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hegt oder ob dieser tatsächlich parteiisch ist oder sich nach Lage der Dinge zumindest darüber hätte bewusst sein können, dass sein Verhalten geeignet sein könnte, Zweifel an seiner Neutralität aufkommen zu lassen.
  • Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der - nicht auf rein subjektiven oder unvernünftigen Vorstellungen beruhende - Anschein einer Voreingenommenheit besteht“, erläuterte das OLG Saarbrücken.

Gebot der Waffengleichheit verletzt

Das hielt das Gericht im konkret entschiedenen Fall für gegeben, weil der Sachverständige  einen Ortstermin in Gegenwart der Beklagtenseite durchgeführt hat, nachdem der Beklagte dem Kläger die Teilnahme verweigert hat.

Durch diesen einseitigen Ortstermin ist der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit gem. § 357 ZPO zum Nachteil des Klägers verletzt, der nach § 357 Abs. 1 ZPO auch im Anwaltsprozess ein Recht hatte, selbst neben seinem Prozessbevollmächtigten an der Beweisaufnahme teilzunehmen, monierte das Gericht.

Darf sich nicht der einseitigen Einflussnahme einer Partei aussetzen

Führt ein Sachverständiger zur Vorbereitung seines Gutachtens eine Orts- und Sachbesichtigung in Anwesenheit nur einer der Parteien durch, ohne der anderen die Gelegenheit zur Teilnahme zu geben, so lässt ihn dies als befangen erscheinen. „Dies rechtfertigt sich aus dem Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit, weil sich der Sachverständige der einseitigen Einflussnahme einer Partei aussetzt. Eine verständige Partei darf in der Folge mutmaßen, dass hierbei auch ein - für sie nach Inhalt und Umfang nicht zu überblickender - Informations- und Meinungsaustausch über das streitige Rechtsverhältnis stattgefunden hat“, betonte das Gericht. Dies sei aus Sicht eines unbefangenen Dritten geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen.

Mauscheleien nicht ausgeschlossen
Die Parteien müssen sich darauf verlassen können, dass der Sachverständige in seinem Ergebnis noch nicht festgelegt ist, solange die Parteien ihr Fragerecht noch nicht ausgeübt haben und die Begutachtung nicht abgeschlossen ist. Auch die Möglichkeit, die anlässlich des Ortstermins getroffenen Feststellungen zu wiederholen, vermag das dann begründete Misstrauen der benachteiligten Partei nicht auszuräumen.

Anschließende "Beichte" des Sachverständigen rettet ihn nicht

Das gilt selbst dann, wenn der Sachverständige das beanstandete Geschehen nachträglich aus freien Stücken offen gelegt hat. Da sich die Besorgnis der Befangenheit neben der zu befürchtenden Festlegung hinsichtlich des Ergebnisses der Begutachtung gerade aus dem - von der abwesenden Partei in seiner Dimension nicht einzuschätzenden - Austausch des Sachverständigen mit der gegnerischen Partei ergibt, lassen sich die begründeten Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen, der diese Situation veranlasst hat, nicht mehr beseitigen.

(OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8.7.2013, 5 W 64/13).

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