Rechtsmittelführer einer Berufung müssen eindeutig erkennbar sein

Der BGH stellt hohe Anforderungen an die Identifizierbarkeit eines Rechtsmittelführers: Vertritt ein Rechtsanwalt erstinstanzlich mehrere Streitgenossen, muss er innerhalb der Berufungsfrist unmissverständlich deutlich machen, wer Berufungskläger ist. Andernfalls ist die Berufung unzulässig.

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat der BGH seine bisher gestellten hohen Anforderungen an eine klare Identifizierbarkeit eines Rechtsmittelklägers bestätigt.

Gleicher Prozessbevollmächtigter vertritt Klägerin und Drittwiderbeklagten

In dem vom V. Zivilsenat entschiedenen Fall stritten die Parteien als Klägerin, Widerbeklagter und Drittwiderbeklagter um die Freigabe von bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts hinterlegten Geldbeträgen aus Immobiliengeschäften. Erstinstanzlich hat das LG die Klage abgewiesen, während es der Widerklage und Drittwiderklage weitgehend stattgegeben hat. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vertrat als Mitglied einer Anwaltsmehrheit erstinstanzlich auch den Drittwiderbeklagten.

Fristgerecht Berufung eingelegt

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und des Drittwiderbeklagten legte fristgerecht Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Die Formulierung des Berufungsschriftsatzes lautete:

 „In dem Rechtsstreit (Parteibezeichnung, Aktenzeichen) legen wir gegen das Urteil des Landgerichts Kempten vom 30.8.2019, zugegangen am 4.9.2019, Berufung ein“.


Die Berufung wurde fristgerecht begründet.

Berufungsgericht rügt fehlende Identifizierbarkeit des Berufungsklägers

Das Berufungsgericht wies den Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelführers auf die nach seiner Auffassung unzulässige Berufungseinlegung hin. Der Anwalt habe nicht deutlich gemacht,

  • ob er für die Klägerin
  • oder den Drittwiderbeklagten
  • oder für beide von ihm vertretenen Parteien

das Rechtsmittel eingelegt habe.

Hierauf stellte der Prozessbevollmächtigte in einem gesonderten Schriftsatz nach Ablauf der Berufungsfrist klar, die Einreichung des Rechtsmittels sei für beide von ihm vertretene Parteien erfolgt. Dies folge u.a. daraus, dass er die Berufung nicht auf eine der von ihm vertretenen Parteien beschränkt habe.

Berufung als unzulässig verworfen

Das Berufungsgericht verwarf darauf die Berufung wegen mangelnder Bestimmbarkeit des Rechtsmittelführers als unzulässig. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe zwar im Nachhinein klargestellt, dass sowohl die Klägerin als auch der Drittwiderbeklagte Rechtsmittelführer sein sollten, diese Klarstellung sei aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt. Innerhalb der Berufungsfrist habe es an der zweifelsfreien Bestimmbarkeit des Rechtsmittelführers gefehlt.

Rechtsbeschwerde blieb erfolglos

Die gegen diese Entscheidung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegte Rechtsbeschwerde hatte beim BGH keinen Erfolg. Nach Auffassung des BGH war die Rechtsbeschwerde schon gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, da die Sache weder eine grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich war. Darüber hinaus bestätigte der Senat die Auffassung der Vorinstanz, dass die Rechtsmittelschrift nicht den Erfordernissen an eine ordnungsgemäße Berufung genügte.

Gefestigte Rechtsprechung zu Berufungsanforderungen

Der BGH stellte in seiner Entscheidung im wesentlichen auf die Vorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO ab. Hiernach gehöre die Angabe, für welche Partei das Rechtsmittel eingelegt werde, zum notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift.

  • Die Berufungsschrift müsse nach ständiger Rechtsprechung entweder aus sich heraus oder aus den beigefügten Unterlagen eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll (BGH, Urteil v. 21.7.2017, V ZR 72/16;).
  • Die Angaben müssten hierbei so eindeutig sein, dass bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sei (BGH, Urteil v. 20.2.2018, II ZB 2/17).
  • Bei Streitgenossen sei die ausdrückliche Nennung jedes einzelnen Streitgenossen, der Rechtsmittelführer sein soll, unabdingbar (BGH, Urteil v. 24.6.1992, VIII ZR 203/91).

Berufungsschrift zu unbestimmt

Schließlich stellte der Senat klar, dass die Tatsache, dass sowohl die Klägerin als auch der Drittwiderbeklagte durch das erstinstanzliche Urteil beschwert waren, nicht zu einer klaren Identifizierung des Beschwerdeführers beiträgt. Es existiere nämlich keine Auslegungsregel, dass ein Rechtsmittel im Zweifel für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt werde. Auch bei mehreren unterlegenen Streitgenossen sei es nicht ungewöhnlich, dass einzelne Streitgenossen - sei es aus prozess- oder kostenrechtlichen Gründen - ein sie beschwerendes Urteil akzeptieren, andere aber nicht.

Benennung der Rechtsmittelführer erfolgte zu spät

Die Klarstellung, dass der Prozessbevollmächtigte für beide von ihm vertretenen Parteien Berufung einlegen wolle, konnte nach der Entscheidung des Senats die Mängel der Berufungsschrift nicht mehr heilen, da sie erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte. Damit dürfte im konkreten Fall der Anwalt in die Haftungsfalle getappt sein.

(BGH, Beschluss v. 12.11.2020, V ZB 32/20)


Schlagworte zum Thema:  Berufung, Zulassung, Anwaltshaftung