Keine strafbare Beleidigung: Rechtsuchender nennt Richter im Schriftsatz Lügner
In dem Sozialrechtsstreit schrieb der Rechtsuchende an den Präsidenten des Landessozialgerichts unter anderem:
„Da sie sich erlauben mitzuteilen, dass weitere Eingaben zur Wahrung meiner Rechte von einem Dr. R. nicht mehr beschieden werden, um Kriminelle und Lügner wie der Dr. P. widerrechtlich zu schützen, muß ich hiermit meinen persönlichen Besuch zur Klärung bekannt geben.”
Nach drastischem Schriftsatz Strafverfahren wegen Beleidigung eingeleitet,
Die Akte ging flugs an das zuständige Amtsgericht. Es wurde ein Strafverfahren wegen Beleidigung eingeleitet, in dem der Kläger frei gesprochen wurde. Die Staatsanwaltschaft wollte sich damit nicht abfinden und ging in Revision, die allerdings vom Oberlandesgericht Celle verworfen wurde.
Tatbestand der Beleidigung erfüllt
Tatbestandlich ging das Gericht allerdings von einer Beleidigung aus.
„Bereits auf der einfachen Sinn- und Deutungsebene tragen die Bezeichnungen als „Lügner“ und „Krimineller“ herabsetzenden Charakter. Schon im Allgemeinen trägt die Lüge in einer christlich-tradierten Gesellschaft einen unethischen Charakter (Falschzeugnisverbot im Dekalog des Alten Testaments).
Darüber hinaus erfährt ein solcher Vorhalt der Unwahrheit für die Justiz, welche sich im Dienste der Gerechtigkeit der Wahrheit im Prinzipiellen verstärkt verpflichtet sieht, in qualifizierter Weise Bedeutung.
„Kriminell“ meint im allgemeinen Sprachgebrauch mehr als bloß „ungesetzlich“ oder „rechtswidrig“, sondern impliziert eine qualifizierte Unwertschaffung, für welche das Gesetz Strafe vorsieht. Auch dies ist geeignet, die bezeichnete Person in seiner Würde herabzusetzen.“
Die Äußerung hielt das Gericht aber im Rahmen einer Gesamtabwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gleichwohl für gerechtfertigt.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Bezeichnung eines Richters als Lügner und Krimineller im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde stelle keine strafbare Beleidigung dar, wenn die Äußerung sich wie vorliegend
- als Schlussfolgerung sachlich vorgetragener Umstände darstelle,
- aus Sicht des Handelnden im „Kampf um's Recht“ seinem Anliegen in der Sache diene
- und der Ehrenschutz des betroffenen Richters bei einer vorzunehmenden Gesamtabwägung hinter der Meinungsfreiheit des Äußerers zurücktreten müsse.
Von einem Angriff auf die Menschenwürde des Richters in dem Sinn, dass ihm die personale Würde abgesprochen, er als unterwertiges Wesen beschrieben werden sollte, könne im Hinblick auf die Umstände der Äußerung, ihren Inhalt und ihr Argumentationsziel nicht die Rede sein, befand das Gericht.
Nicht zur Nachahmung empfohlen
Die Celler Richter erlauben sich abschließend und vorsorglich aber den klarstellenden Hinweis, „dass die auf diesen Erwägungen beruhende Bestätigung des Freispruchs allein auf der konkreten Situation im vorliegenden Verfahren und den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen im Einzelfall beruht und dies nicht bedeutet, dass ein bzw. der hier betroffene Richter sonst straflos als Lügner oder Krimineller bezeichnet werden darf.”
(OLG Celle, Urteil v. 27.03.2015, 31 Ss 9/15).
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