Gericht darf seinem Urteil keinen anderen Klagegrund zugrunde legen
Der Kläger, ein Verein für Psychologen, welcher die Wahrung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder umfasst und eine Einrichtung für Aus-, Fort- und Weiterbildung für Psychologen unterhält, verklagte einen Betreiber einer Weiterbildungseinrichtung auf Unterlassung, da er dessen Werbung im Internet für irreführend hielt. Der Beklagte bewarb auf seiner Homepage eine einjährige berufsbegleitende Weiterbildung, nach deren erfolgreichen Abschluss die Absolventen ein „Hochschul-Zertifikat“ mit folgenden Titeln erwerben konnten:
- Betriebspsychologe (FH)
- Organisationspsychologe (FH)
- Kommunikationspsychologe (FH)
Die Weiterbildung war auch an Interessenten ohne abgeschlossenes Psychologiestudium gerichtet. Nach Ansicht des Klägers erwecke die Werbung den Anschein, dass auch Absolventen ohne Psychologiestudium nach Abschluss des Kurses diese Berufsbezeichnung führen dürften. Dies sei jedoch unrichtig und daher irreführend.
Berufungsgericht legte einen anderen Klagegrund zugrunde
Das Landgericht Lübeck hat der Klage nach Änderung der ursprünglichen Klageanträge stattgegeben. Das OLG Schleswig hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hatte Erfolg, der BGH hob das Urteil auf und wies die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Nach der Entscheidung des BGH sei das Urteil deshalb aufzuheben gewesen, da das Berufungsgericht dem Kläger etwas zugesprochen hatte, was dieser nicht beantragt hatte (§ 308 Abs.1 ZPO). Nach der Rechtsprechung müsse sich das zusprechende Urteil innerhalb des mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstandes halten. Hierbei werde der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in welchem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiere, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleite.
Werbung der Beklagten: Keine Irreführung der Weiterbildungsinteressenten
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger den Unterlassungsanspruch auf das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 UWG) gestützt. Er begründete den Anspruch damit, dass die Werbung der Beklagten den Anschein erwecke, auch Absolventen ohne Psychologiestudium dürften diese Berufsbezeichnung führen. Das OLG hingegen hat jedoch nicht in der Werbung gegenüber den Weiterbildungsinteressenten eine Irreführung gesehen, vielmehr sah es eine Irreführung in einem späteren Verhalten der nicht akademisch ausgebildeten Absolventen gegenüber Ihren zukünftigen Klienten, sollten diese die streitgegenständlichen Berufsbezeichnungen benutzen. Das Berufungsgericht habe also eine irreführende Angabe nicht in der Werbung der Beklagte gesehen, sondern in einer eventuell in der Zukunft liegenden und daher allenfalls zur Annahme einer Erstbegehungsgefahr geeigneten Benutzung der Zertifikate und Berufsbezeichnungen der Absolventen gegenüber ihren Kunden, so der BGH.
BGH: Täterschaftliche Handlung der Beklagten scheidet aus
Damit sei das OLG von anderen Adressaten und von einer personell, sachlich und zeitlich grundlegend anderen Täuschungshandlung ausgegangen als der Kläger in seiner Klagebegründungen vorgetragen hatte. Auch sei die Entscheidung im Ergebnis nicht richtig. Eine täterschaftliche Handlung der Beklagten für eventuell in der Zukunft liegende eigenverantwortliche Täuschungshandlung der Absolventen scheide aus.
(BGH, Urteil v. 05.10.2017, I ZR 184/16)
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