Verjährungshemmung bei unrichtigen Angaben im Mahnbescheid

Wer im Mahnverfahren bewusst die wahrheitswidrige Erklärung abgibt, der geltend gemachte Anspruch hänge nicht von einer Gegenleistung ab, obwohl dies der Fall ist, kann sich später nicht auf die Verjährung hemmende Wirkung des Mahnverfahrens berufen.  

In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger im Jahr 1992 Wohnungseigentum erworben. Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte über ein Darlehen. Später kamen dem Kläger Zweifel, ob die Darlehensgeberin ihn vor Vertragsabschluss zutreffend über die Risiken des Vertrages im Kontext mit dem Erwerb der Immobilie aufgeklärt hatte. Spätestens im Jahre 2005 zog er mögliche Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Aufklärungspflicht seitens der Darlehensgeberin ernsthaft in Erwägung. Sein Prozessbevollmächtigter reichte am 30.12.2008 einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides ein, unter anderem zu dem Zweck, durch die Einleitung des Mahnverfahrens die Hemmung einer Verjährung möglicher Ansprüche herbeizuführen.

Bewusst unrichtige Angaben im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids

Seine Prozessbevollmächtigten kreuzten in dem Antragsformular ein dafür vorgesehenes Feld an, wonach der geltend gemachte Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt. Die Erklärung hierüber ist eine Pflichtangabe gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Die Prozessbevollmächtigten waren sich bei dieser Erklärung bewusst, dass der Inhalt unrichtig ist. Sie machten nämlich den so genannten großen Schadenersatz geltend, d.h. sie forderten Ersatz des gesamten Erfüllungsinteresses. Dieses kann grundsätzlich nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils gefordert werden, der im Zusammenhang mit der zur Schädigung führenden Handlung erlangt wurde. Im konkreten Fall konnte der Schadenersatz nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Eigentumswohnung verlangt werden.

Verjährung mit Hilfe wahrheitswidriger Angaben gehemmt

Die Klage auf Schadenersatz blieb in allen Instanzen erfolglos. Der BGH stützte seine Entscheidung maßgeblich auf § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Hiernach ist die Einleitung eines Mahnverfahrens ausgeschlossen, wenn der geltend gemachte Anspruch von einer Gegenleistung abhängt, die noch nicht erbracht ist. Gemäß § 691 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist in diesem Fall der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zwingend zurückzuweisen. In Kenntnis dieser Rechtslage hatten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bewusst die unrichtige Erklärung abgegeben, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig. Da der Mahnbescheid noch im Januar und damit alsbald der Gegenseite zugestellt wurde, trat die verjährungshemmende Wirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ein.

Missbrauch des Mahnverfahrens

Dieses Verhalten der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bewertete der BGH als einen Missbrauch des Mahnverfahrens zum Zwecke der Verjährungshemmung mit unwahren Angaben. Ein solcher Rechtsmissbrauch verwehrt es nach Ansicht des Senats dem Antragsteller gemäß § 242 BGB, sich auf die durch unrichtige Angaben erschlichene Rechtsposition zu berufen. Damit sei es dem Antragsteller versagt, der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB entgegenzuhalten.

Wenn schon nicht den großen, dann eben der kleinen Schadenersatz

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers erstrebten vor diesem Hintergrund ersatzweise die Zuerkennung des so genannten kleinen Schadensersatzes. Im Gegensatz zum großen Schadenersatz, bei dem der Gläubiger den Ausgleich aller infolge der Vertragsverletzung entstandenen Vermögensnachteile einschließlich des entgangenen Gewinns geltend machen kann, ist der kleine Schadensersatz lediglich auf Ausgleich des Differenzschadens unter Beibehaltung der bereits ausgetauschten Leistungen gerichtet, §§ 280, 281 BGB. Hätte der Kläger von vornherein die Absicht gehabt, den kleinen Schadenersatz geltend zu machen, so wären die Angaben im Mahnantrag zutreffend gewesen, da beim kleinen Schadenersatz die erbrachten Leistungen nicht zurückzugewähren sind und dieser damit nicht von einer Gegenleistung abhängt.

Der Kläger erhält infolge seines unlauteren Verhaltens nichts

Auch die Zuerkennung des kleinen Schadensersatzes versagte der BGH dem Kläger.  Die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes sei nicht das ursprüngliche Ziel des Klägers bei Stellung des Antrages auf Erlass eines Mahnbescheids gewesen. Die unlautere Vorgehensweise bei Antragstellung verwehrt es nach Ansicht des BGH dem Kläger, sich nun auf die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzanspruches zurückzuziehen. Seine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise hindere den Kläger bei beiden Ansprüchen, sich auf die Hemmung der Verjährung zu berufen. Er sei vielmehr insgesamt so zu behandeln, als sei die Verjährungshemmung nicht eingetreten. Damit ging der Kläger völlig leer aus.

(BGH, Urteil  v. 23.6.2015, XI ZR 536/14)


Schlagworte zum Thema:  Mahnung, Verjährung, Schadensersatz