Widerruf der Prozesskostenhilfe bei provoziertem Auffahrunfall

Das Gericht kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.

Dass die Unwahrheit des Parteivortrags sich erst nach Durchführung der Beweisaufnahme ergibt, steht der Entziehung der Prozesskostenhilfe nicht entgegen, entschied das Oberlandesgericht Hamm.

Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend gemacht

In dem Fall hatte der Kläger Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend gemacht.

  • Das LG Münster hat ihm hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt. Für das Berufungsverfahren hat das OLG Hamm dem Kläger ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt.
  • Im Rahmen eines im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens hat sich jedoch herausgestellt, dass der Kläger einen Auffahrunfall provoziert hatte.

Das OLG Hamm hat daraufhin die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für beide Instanzen aufgehoben.

Kläger hat objektiv falsch vorgetragen

Das Gericht kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nummer 1 ZPO aufheben,

  • wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.
  • Als Gericht der Hauptsache kann das jeweilige Gericht auch über die Aufhebung der Bewilligung der in erster Instanz gewährten Prozesskostenhilfe entscheiden.

Der Kläger hat im Rahmen der Begründung seiner Klage objektiv falsch vorgetragen, indem er durchgängig behauptete, dass er durch ein unfreiwilliges Unfallereignis die in dem Privatgutachten dokumentierten Sachschäden und weitere materielle Schäden erlitten hat, für die er im vorliegenden Verfahren von den Beklagten Schadensersatz verlangt hat.

Keine rechtswidrige Schädigung bei provoziertem Unfall

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in dem Berufungsverfahren stand zur Überzeugung des Gerichts jedoch fest, dass der Kläger den streitgegenständlichen Auffahrunfall provoziert, mithin in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. Ihm stehen daher mangels Rechtswidrigkeit der Beschädigung im Ergebnis keinerlei Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu.

Absichtliche Täuschung des Gerichts

Dass sich das Gericht von der Unwahrheit des klägerischen Sachvortrags erst nach Durchführung der Beweisaufnahme mit der erforderlichen Gewissheit hat überzeugen können, steht der Entziehung der Prozesskostenhilfe nicht entgegen.

  • Zwar wird man nicht stets die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe als gegeben ansehen können, wenn die im Rahmen des Rechtsstreits durchgeführte Beweisaufnahme zu Ungunsten des Antragstellers verlaufen ist.
  • Ergibt sich aber aus der Beweisaufnahme, dass der Antragsteller falsch vorgetragen hat und ohne diesen falschen Vortrag Prozesskostenhilfe nicht gewährt worden wäre, kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich aufgehoben werden.

Der Kläger hat nach Einschätzung des Gerichts auch schuldhaft, nämlich vorsätzlich gehandelt.


Dass er keinen Schadensersatz vom Unfallgegner verlangen kann, wenn er diesen zum Auffahren provoziert und damit in die Beschädigung seines Eigentums eingewilligt hat, sei auch bei laienhafter Bewertung Allgemeingut.

Umstände, dass ihm diese Erkenntnis verschlossen gewesen sei, sind von dem Kläger auch nicht vorgebracht worden. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger nicht nur bedingt vorsätzlich, sondern in der Absicht gehandelt hat, das Gericht über den wahren Sachverhalt zu täuschen, war es aus Sicht des Gerichts in Ausübung des diesem eingeräumten Ermessens gerechtfertigt, dem Kläger die Prozesskostenhilfe insgesamt für beide Instanzen zu entziehen.

„Dass der Kläger damit zur Rückzahlung erheblicher Beträge an die Staatskasse verpflichtet wird, ist dem Senat bewusst, angesichts des strafbaren Verhaltens des Klägers aber nicht unbillig.“

 (OLG Hamm, Beschluss v. 14.11.2014, I-9 U 165/13).




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