Unfall bei riskantem Überholen einer Kolonne
Motorradfahren und Rücksichtslosigkeit – für viele Verkehrsteilnehmer sind das zwei Seiten einer Medaille. Ein häufiges Ärgernis sind Motorradfahrer, die sich innerorts am stehenden Verkehr links vorbeimogeln – Platz finden, wo eigentlich keiner ist.
An einer stehenden Kolonne links vorbei
Wie ist dieses Verhalten zu beurteilen, wenn es zu einem Unfall kommt? Im konkreten Fall fuhr die Klägerin mit ihrem Motorrad an einer stehenden Kolonne links vorbei. Zum selben Zeitpunkt wollte die Beklagte mit ihrem VW Polo eine Lücke in der Kolonne nutzen, und von einer Grundstücksausfahrt nach links in diese einbiegen. Dabei kam es zu Kollision.
Dauerhafte Verletzungen der Motorradfahrerin
Die Motorradfahrerin stürzte und zog sich erhebliche Verletzungen zu – vier Operationen und dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen vom rechten Arm (10 Prozent) und rechtem Bein (20 Prozent) waren die Folge. Das LG Tübingen sah Verfehlungen bei beiden Unfallbeteiligten.
Die Polo-Fahrerin hat schuldhaft gegen § 10 StVO verstoßen, der höchste Sorgfaltspflichten begründet, so das Gericht.
Verstoß gegen Rücksichtsnahmegebot
Wer in eine Kolonnenlücke einbiegt, müsse nämlich mit überholendem Verkehr – auch mit regelwidrig überholendem – rechnen. Korrekt wäre allenfalls ein zentimeterweises Hineintasten gewesen.
Die klagende Motorradfahrerin wiederum hat gegen das allgemeine Rücksichtsnahmegebot verstoßen. Dieses setzt als Minimum die Beachtung der Verkehrsvorschriften der StVO voraus.
Unklare Verkehrslag
Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin konkret gegen § 5 StVO verstoßen: Sie hat bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt, trotz Einmündungen in diesem Streckenbereich, trotz einer Tankstellenausfahrt auf der Gegenspur und trotz einer nicht erkennbaren Lücke zum Wiedereinscheren.
Interessanter Nebenaspekt: Ob die Motorradfahrerin knapp links oder rechts der Mittellinie oder deutlich links der Mittellinie fuhr, ist nicht entscheidend.
Unfall wäre für beide Parteien vermeidbar gewesen
In seiner abschließenden Beurteilung kommt das LG zu dem Ergebnis, dass sowohl die beklagte Autofahrerin als auch die Motorradfahrerin den Unfall vermeiden hätten können. Im Endeffekt überwiegt nach Ansicht des Gerichts der Verstoß gegen § 10 StVO deutlich gegenüber dem Verstoß gegen das Rücksichtsnahmegebot und die Betriebsgefahr. Das führte zu Haftungsquoten von zwei Dritteln für die Polo-Fahrerin und einem Drittel für die Motorradfahrerin.
(LG Tübingen, Urteil vom 10.12.2013, 5 O 80/13).
Vgl. auch:
Schmerzensgeld wegen Tod der Ehefrau beim Motorradunfall
Fußgänger darf Motorradfahrer nicht stellen
Motorradunfall bei riskantem Überholen einer Kolonne
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