Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung
Hintergrund: Im Dezember geleisteter Unterhalt auch für die Folgemonate
Die Eheleute machten für das Streitjahr 2010 eine am 2.12.2010 geleistete Zahlung von 3.000 EUR an den in Brasilien lebenden Vater der Ehefrau als Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG geltend. Im Mai 2011 überwiesen sie erneut 3.000 EUR. Das FA anerkannte für 2010 die Unterhaltszahlung vom Dezember 2010 lediglich mit 161 EUR, d.h. mit dem anteilig auf den Monat Dezember entfallenden Betrag.
Dem widersprach das FG. Entgegen der Rechtsprechung des BFH könnten die Unterhaltsaufwendungen auch berücksichtigt werden, soweit sie für einen Zeitraum über den Jahreswechsel hinaus geleistet würden. Der von den Eheleuten im Dezember 2010 gezahlte Betrag beziehe sich wirtschaftlich auf den Zeitraum bis zur nächsten Zahlung im Mai 2011, also auf die Monate Dezember 2010 bis April 2011. Daher seien weitere 595 EUR (insgesamt 756 EUR) in 2010 als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Entscheidung: Keine den Veranlagungszeitraum übergreifende Betrachtung
Der BFH wies die Revision des FA zurück. Er hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest. Danach erfasst § 33a EStG nur die typischen Unterhaltsaufwendungen, die die "laufenden" Bedürfnisse befriedigen. Daraus folgt zunächst, dass eine Rückbeziehung der Zahlung auf einen Monat vor der Zahlung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Eine Ausnahme kann bei einer erstmaligen Unterhaltszahlung gelten, wenn sie der Abtragung von Schulden dient, die durch die Bestreitung der laufenden Bedürfnisse entstanden sind (BFH, Urteil v. 9.8.1991, III R 93/09, BFH/NV 1992, 101).
Keine in die Zukunft gerichtete Betrachtung
Das Gesetz gestattet auch nicht den Abzug von Unterhaltsaufwendungen, soweit sie für die Zeit nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geleistet werden (BFH, Urteil v. 22.5.1981, VI R 140/80, BStBl II 1981, 713; BFH, Urteil v. 11.11.2010, VI R 16/09, BStBl II 2011, 966).
- § 33a Abs. 1 EStG knüpft an den Jahresbetrag des sächlichen Existenzminimums in Höhe des Grundfreibetrags an (§ 32a Abs. 1 EStG). Unterhaltsleistungen sollen nur insoweit berücksichtigt werden, als es die Abdeckung des sächlichen Existenzminimums erfordert. Ein darüber hinausgehender Abzug soll nicht eröffnet werden. Ein solcher Abzug würde sich aber ergeben, wenn man es zuließe, einen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums erst entstehenden Unterhaltsbedarf schon im Veranlagungszeitraum vor seiner Entstehung zu berücksichtigen. Denn ein künftiger Unterhaltsbedarf (im Folgejahr) kann nicht zum steuerlichen Existenzminimum im Zahlungsjahr gehören.
- Dass sich die Unterhaltsaufwendungen auf die Verhältnisse des Veranlagungszeitraums der Zahlung und nicht auf die des Folgejahrs beziehen, ergibt sich auch aus der Erhöhung des Höchstbetrags um die "im jeweiligen Veranlagungszeitraum" aufgewandten Versicherungsbeiträge nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG.
- Gegen eine periodenübergreifende Betrachtung spricht auch, dass die anzurechnenden Einkünfte (§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG) ebenfalls auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum bezogen sind. Der veranlagungszeitraumbezogenen Betrachtung würde es widersprechen, Unterhaltszahlungen des laufenden Jahres für das Folgejahr zu berücksichtigen, ob-wohl die "anderen Einkünfte" der unterhaltenen Person sich von denen des laufenden Jahrs unter-scheiden können.
- Der BFH geht somit davon aus, dass der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung im Gesetzeswortlaut hin-reichend fundiert ist. Der BFH hält deshalb – nicht nur aus Gründen der Rechtssicherheit und der Stetigkeit der Rechtsprechung – an der veranlagungszeitraumbezogenen Betrachtung fest.
Hinweis: Zweckmäßige Wahl des Zahlungszeitpunkts
Bei dem FG-Urteil handelt es sich um ein sog. "Rüttelurteil", d.h. eine Entscheidung, mit der das FG bewusst von der ständigen Rechtsprechung des BFH abweicht und diesen über die Zulassung der Revision zum erneuten Überdenken seiner Auffassung veranlassen will. Im Schrifttum wird in Übereinstimmung mit dem FG ganz überwiegend die Meinung vertreten, die Rechtsprechung des BFH, Unterhaltsvorauszahlungen über den Jahreswechsel seien nicht zu berücksichtigen, finde im Gesetz keine Stütze. Dass die das Folgejahr betreffenden Zahlungen weder im Zahlungsjahr noch im folgenden Jahr (BFH, Urteil v. 13.2.1987, III R 196/82, BStBl II 1987, 341; BFH, Urteil v. 11.11.2010, VI R 16/09, BStBl II 2011, 966) berücksichtigt werden, kann – wie der BFH bemerkt – zu gewissen Härten führen. Der BFH weist jedoch zutreffend darauf hin, dass die Zahlenden durch die Wahl des Zahlungszeitpunkts – Zahlung im und für das Unterhaltsjahr im Voraus – die Abziehbarkeit in voller Höhe sicherstellen können und das auch nicht unzumutbar ist. Die Verwaltung folgt der BFH-Rechtsprechung (BMF, Schreiben v. 7.6.2010, BStBl I 2010, 588, Tz. 25; H 33a.1 EStH "Allgemeines ...", Satz 3).
BFH, Urteil v. 25.4.2018, VI R 35/16; veröffentlicht am 25.7.2018.
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