Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art: wirtschaftliche Betrachtungsweise
Hintergrund: Verpachtung eines Hallenbads durch die Gemeinde
Die Stadt verpachtete ab 2007 ihr Hallenbad an eine GmbH, an der sie selbst nicht beteiligt war. Die GmbH verpflichtete sich, das Bad für öffentliche Zwecke zu betreiben. Sie hatte eine Jahrespacht von 5.000 EUR zu zahlen sowie für Reparaturen bis zu 12.000 EUR jährlich aufzukommen. Die Stadt als Verpächterin verpflichtete sich, der GmbH in monatlichen Raten einen fortlaufenden Betriebskostenzuschuss von rund 250.000 EUR jährlich zu leisten. Zu den vom Betriebskostenzuschuss zu deckenden Kosten gehörten auch die Pacht sowie die Aufwendungen für Reparaturen.
Die Stadt erklärte für 2008 einen Verlust von 400.000 EUR aus einem "Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art". Das FA lehnte eine Veranlagung zur KSt für 2008 bis 2012 ab. Ein Verpachtungs-BgA liege nicht vor. Denn das Bad sei wegen des geringen Pachtentgelts bei gleichzeitigen hohen Betriebskostenzuschüssen unentgeltlich überlassen worden.
Das FG gab der Klage statt. Trotz des jährlichen Betriebskostenzuschusses liege eine entgeltliche Überlassung und damit ein zur KSt zu veranlagender BgA vor.
Entscheidung: Keine Entgeltlichkeit, wenn der Verpächter wirtschaftlich den Pachtzins trägt
Der BFH widerspricht dem FG. Bei der Verpachtung des Hallenbads handelt es sich nicht um einen der KSt unterliegenden BgA der Stadt.
Begriff des Verpachtungs-BgA
Im Streitfall wurde das Bad nicht unmittelbar von der Stadt, sondern von der GmbH als Pächterin betrieben. Nach der Fiktion des § 4 Abs. 4 KStG gilt allerdings die Verpachtung eines BgA selbst als BgA der verpachtenden Körperschaft. Ein BgA kann demnach Gegenstand eines Pachtvertrags sein (Verpachtungs-BgA). Das gilt allerdings nur dann, wenn es sich bei dem Betrieb, wenn unmittelbar von der verpachtenden Körperschaft betrieben würde, um einen BgA i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG handeln würde (BFH v. 13.3.1974, I R 7/71, BStBl II 1974, 391). Diese Voraussetzungen sind bei dem Badbetrieb dem Grunde nach erfüllt. Es handelt sich um eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, die sich von der Gesamtbetätigung der Stadt wirtschaftlich abhebt. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 KStG). Die Fiktion eines BgA hat letztlich zur Folge, dass die Voraussetzungen eines BgA in der Person der Stadt und insbesondere das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr zu prüfen sind (BFH v. 11.7.1990, II R 33/86, BStBl II 1990, 1100, zur VSt).
Im Streitfall fehlt die Entgeltlichkeit der Überlassung
Voraussetzung der gesetzlichen Fiktion ist jedoch, dass der Verpächter die Einrichtung entgeltlich überlässt. Der Begriff der Verpachtung setzt – ausgehend vom zivilrechtlichen Verständnis – voraus, dass ein vereinbartes Entgelt entrichtet wird. Daran fehlt es hier. Die Würdigung der Vereinbarungen (Pachtentgelt einerseits und Betriebskostenzuschuss andererseits) ergibt, dass die Pachtzahlungen bei der Bemessung des Betriebskostenzuschusseses berücksichtigt werden müssen, da es sich um Aufwand in Zusammenhang mit dem übernommenen Bäderbetrieb handelt. Das folgt bereits daraus, dass die Pachtzahlungen vereinbarungsgemäß zu den vom Betriebskostenzuschuss zu deckenden Kosten gehören. Bei wirtschaftlicher Betrachtung orientiert sich der Betriebskostenzuschuss am Aufwand des Badbetriebs und damit im Ergebnis auch an den geleisteten Pachtzahlungen. Damit hat nicht die GmbH als Pächterin, sondern die Stadt als Verpächterin die wirtschaftliche Last des vereinbaren Pachtzinses zu zahlen.
Eigenständige Vertragsauslegung durch den BFH
Der BFH hob das abweichende FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Das FG hatte die Entgeltlichkeit damit begründet, dass die Pachtzahlungen tatsächlich geflossen sind und nicht mit den Betriebskostenzuschüssen verrechnet wurden. Dieser rein zivilrechtlichen Auslegung widerspricht der BFH. Zwar obliegt die Würdigung von Vereinbarungen grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz. Bei der im Streitfall gebotenen wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich jedoch – trotz getrennter Verträge – nach Auffassung des BFH um einen einheitlichen Vorgang, der nicht als entgeltliche Überlassung zu verstehen ist.
Hinweis: Voraussetzungen eines "Dauerverlustgeschäfts"
Der BFH bestätigt R 4.3 KStR 2015. Danach liegt keine entgeltliche Verpachtung und damit kein Verpachtungs-BgA vor, wenn zwischen der Pacht und dem Zuschuss eine Verknüpfung besteht und – wie hier – der Zuschuss (mindestens) die Pacht ausgleicht.
Im Übrigen weist der BFH darauf hin, dass die Hinnahme strukturell bedingter Verluste durch einen BgA als vGA an die Trägerkörperschaft i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu werten wäre, wenn nicht die Voraussetzungen eines Dauerverlustgeschäfts (i.S. von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 KStG) vorlägen, d.h. das Geschäft aus den aufgezählten politischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt betrieben wird. Ein defizitäres Verpachtungsgeschäft als solches kann diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllen. Denn das Erfordernis "ein Dauerverlustgeschäft ausüben" wird nur erfüllt, wenn das Geschäft in eigener Person betrieben wird (BFH v. 9.11.2016, I R 56/15, BStBl II 2017, 498, zur Verpachtung eines Freibads durch eine kommunale Eigengesellschaft). Mit dem Parallelurteil v. 10.12.2019, I R 9/17 (nicht zur Veröffentlichung bestimmt) hat der BFH im Wesentlichen inhaltsgleich entschieden.
BFH Urteil vom 10.12.2019 - I R 58/17 (veröffentlicht am 14.01.2021)
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