Zahlungen an Notarassessoren sind keine Trinkgelder
Hintergrund
Streitig war die steuerliche Behandlung von Zuwendungen, die eine Notarassessorin von verschiedenen Notaren für ihre Vertretungstätigkeit erhielt.
Einem Notar kann für die Zeit seiner Abwesenheit oder Verhinderung auf seinen Antrag von der Aufsichtsbehörde (Landgerichtspräsident) ein Vertreter bestellt werden. Der Vertreter wird für seine Tätigkeit von der Ländernotarkasse entlohnt Der vertretene Notar hat dafür je Vertretungstag einen pauschalen Erstattungsbetrag an die Ländernotarkasse zu entrichten. Regelmäßig werden als Notarvertreter Notarassessoren im Rahmen ihrer Ausbildung herangezogen.
Die Notarassessorin A übernahm in 2009 die Vertretung verschiedener Notare. Unabhängig von dem von den Notaren an die Ländernotarkasse gezahlten Entgelt wandten die vertretenen Notare der A - ohne dass A darauf einen Anspruch hatte - für ihre Vertretungstätigkeit Geldbeträge von insgesamt 1.000 EUR zu.
Das FA lehnte die Behandlung dieser Zahlungen als steuerfreies Trinkgeld ab und setzte steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an. Dem folgte das FG mit der Begründung, zwischen A und dem Notar bzw. Notar und Notarkammer bestehe kein kundenähnliches Verhältnis.
Entscheidung
Der BFH ist ebenfalls der Meinung, dass kein steuerfreies Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG vorliegt. Die Revision der A wurde daher zurückgewiesen.
Der BFH führt zunächst aus, dass die von den Notaren an A geleisteten Zahlungen Arbeitslohn darstellen. Denn Arbeitslohn liegt auch bei der Zuwendung eines Dritten vor, wenn diese ein Entgelt für eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber erbringt. Die Zuwendung muss sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. A stand in einer doppelten Leistungsbeziehung. Einerseits erfüllte sie mit ihrer Vertretungstätigkeit ihre Dienstpflicht gegenüber der Notarkammer als Arbeitgeber und andererseits erhielt sie die freiwilligen Zahlungen der Notare anlässlich dieser Dienstleistung für die Notare.
Dieser Arbeitslohn stellt jedoch kein steuerfreies Trinkgeld dar. Der Trinkgeldbegriff ist durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägt und erfasst insbesondere Zuwendungen an Arbeitnehmer, bei denen Trinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen. Das Trinkgeld ist eine typischerweise persönliche Zuwendung als honorierende Anerkennung in Form eines kleineren Geldgeschenks. Typischerweise liegt dem Begriff des Trinkgelds ein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis zugrunde.
Für den Streitfall verneint der BFH ein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis. Der Notar steht nach seinen Aufgaben, seinen Befugnissen und seiner Rechtsstellung dem Beamten oder Richter nahe und erfüllt staatliche Aufgaben. Gleiches gilt für den Vertreter eines Notars. Angesichts dieser Rahmenbedingungen für Amt und Funktion des Notars besteht zwischen den Notaren und der Aufsichtsbehörde (Landgerichtspräsident) kein trinkgeldtypisches Dienstleistungsverhältnis, zu dessen Erfüllung sich die Aufsichtsbehörde der A bedient hätte. Denn der Hauptzweck der Vertretung liegt in der Aufrechterhaltung der Rechtspflege und nicht darin, die Praxis des Notars vor einem Rückgang zu schützen. Ebenso wenig lässt sich das Verhältnis der Notare zur Notarkammer als kundenähnlich charakterisieren, da die Ländernotarkammer nicht die Aufgabe hat, den Kammermitgliedern als Dienstleistung Notarassessoren zu Vertretungszwecken zur Verfügung zu stellen.
Hinweis
Der Trinkgeldempfänger steht faktisch in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, das Arbeitsentgelt für die Arbeitsleistung von seinem Arbeitgeber und das Trinkgeld vom Dritten (Kunden) als persönliche Anerkennung anlässlich der bei dieser Arbeit zusätzlich für den Kunden erbrachte Mühe. Der BFH verlangt somit eine Kundenbeziehung oder ein kundenähnliches Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten. Eine persönliche Beziehung allein zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten - ohne dass es sich bei diesem um einen Kunden handelt - genügt somit nicht. Diese Beschränkung der Steuerfreiheit auf den Bereich gast- oder kundenähnlicher Verhältnisse erscheint allerdings zu eng. Fraglich ist, ob sich dies dem "allgemeinen Sprachgebrauch" entnehmen lässt. Ausschlaggebend müsste in erster Linie das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten sein.
Nicht problematisiert hat der BFH die Erwägung des FG, bei höheren Beträgen sei die Steuerfreiheit ausgeschlossen, da Trinkgelder begrifflich auf den Niedriglohnsektor, dem ein Notarassessor nicht angehöre, beschränkt seien. Bei dem aus mehreren Einzelzahlungen zusammen gesetzten Betrag von 1.000 EUR könnte fraglich sein, ob es sich noch um "kleinere Geldgeschenke" gehandelt habe. Problematisch ist auch hier, inwieweit sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch relative oder absolute Grenzen ergeben.
BFH, Urteil v. 10.3.2015, VI R 6/14, veröffentlicht am 1.7.2015
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