Gehaltsfrage Nachhaltigkeit: Vorstandsvergütung und ESG-Kriterien
„Nachhaltigkeit war für viele Unternehmen bis vor kurzem noch hauptsächlich ein Marketingthema“, sagt Dr. Thomas Tomkos von Russell Reynolds Associates. Inzwischen sei sie immer mehr in den Unternehmensstrategien verankert und werde „als Teil des Kerngeschäfts betrachtet“. Nachhaltigkeitsexpertise ist Tomkos zufolge in Aufsichtsräten daher „gefragt wie nie zuvor“.
Vorstandsvergütungen erstmals ausnahmslos an Nachhaltigkeit geknüpft
Laut der jährlichen Analyse der DAX-Aufsichtsräte durch die Personalberatung waren der Ukraine-Krieg und Nachhaltigkeit im vergangenen Jahr die am meisten diskutierten Themen in den DAX-Aufsichtsräten. Diese Diskussionen haben zu Veränderungen geführt: 17 der 40 DAX-Unternehmen haben mittlerweile einen dedizierten Nachhaltigkeitsausschuss – vier mehr als vor einem Jahr.
Die gestiegene Bedeutung von Nachhaltigkeit schlage sich deutlicher als je zuvor in der Vergütung nieder: Die Vorstandsvergütungen der DAX 40-Unternehmen sind erstmals ohne Ausnahme an ESG-Kriterien gekoppelt. Im Durchschnitt sind der Analyse zufolge 8 Prozent der Vergütung direkt an die Erreichung von ESG-Zielen geknüpft.
Zahl der ESG-Ausschüsse steigt
Nachhaltigkeitsexpertise wird für Aufsichtsräte immer wichtiger. Rund zwei Drittel der DAX-Aufsichtsgremien haben laut Russell Reynolds Associates inzwischen einen ESG-Ausschuss oder ein Mitglied mit Nachhaltigkeitsexpertise in ihren Reihen. „Die Aufsichtsräte haben auch dafür gesorgt, dass sich Vorstände stärker als je zuvor am Erreichen von ESG-Zielen messen lassen müssen, und die Vergütung daran gekoppelt. Diese Verknüpfung wird in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen,“ sagt Tomkos.
Frauenanteil in DAX-Aufsichtsräten steigt
Die Analyse zeigt ein weiteres Novum: Erstmals wurden mehr Frauen als Männer in DAX-Aufsichtsräte gewählt. 55 Prozent aller in diesem Jahr neu gewählten DAX 40-Aufsichtsratsmitglieder sind Frauen. Gleichzeitig schieden jedoch auch mehr Frauen als je zuvor aus (32 Prozent aller ausgeschiedenen Aufsichtsräte). Insgesamt erreicht der Frauenanteil in den DAX 40-Aufsichtsräten auf Aktionärsvertreterseite mit 37,8 Prozent einen neuen historischen Höchststand. Nimmt man die Arbeitnehmervertreterinnen hinzu, ist der Anteil auf aktuell 38,3 Prozent gestiegen.
Im internationalen Vergleich fällt der DAX damit trotzdem hinter Ländern wie Frankreich, Norwegen, Italien, den Niederlanden, Großbritannien oder Dänemark zurück. Dort ist der Frauenanteil noch stärker gestiegen und liegt bereits bei über 40 Prozent.
Von den 40 DAX-Unternehmen liegt nur noch Porsche SE unter dem für paritätisch mitbestimmte Unternehmen geforderten Frauenanteil von 30 Prozent. 13 DAX-Unternehmen haben einen Frauenanteil von mehr als 40 Prozent. In sechs DAX-Unternehmen liegt der Anteil weiblicher Aufsichtsräte sogar über 50 Prozent.
Geschlechterparität in Aufsichtsräten „rückt in Sichtweite“
„Nach Erreichen der 30-Prozent-Quote gab es zunächst Stillstand beim Frauenanteil in Aufsichtsräten. Doch die gesellschaftliche Debatte um mehr Diversität und die gute Erfahrung mit hochqualifizierten Frauen in Aufsichtsgremien haben für Bewegung gesorgt,“ sagt Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen Board Practice von Russell Reynolds Associates. Auch ohne weitere gesetzliche Vorgaben werde sich dieser Trend fortsetzen und führe laut Pietralla zu einer bemerkenswert deutlichen Zunahme des Anteils von Frauen in diesem Jahr. „Bei rund der Hälfte der größten deutschen Unternehmen liegt ihr Anteil jetzt bei über 40 Prozent. Zumindest bei den größten börsennotierten Unternehmen rücken damit zu gleichen Teilen mit Frauen und mit Männern besetzte Aufsichtsräte in Sichtweite“.
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