Nachhaltigkeitskommunikation: Was Sie tun sollten
Es ist ein sehr schmaler Grat, auf dem sich Unternehmen in ihrer Nachhaltigkeitskommunikation bewegen: Einerseits herrscht die unausgesprochene Erwartung, dass Firmen heutzutage selbstverständlich ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig wirtschaften. Also ist es nur sinnvoll und folgerichtig, darüber zu kommunizieren. Andererseits drohen sehr schnell Shitstorm und Image-Schaden, wenn die Menschen meinen, ein Unternehmen habe falsch oder irreführend über sein Engagement berichtet.
Nachhaltigkeitskommunikation zwischen Wahrhaftigkeit und Greenwashing
Und noch ein dritter Faktor kommt hinzu: Kein Unternehmen ist perfekt in puncto Nachhaltigkeit. Es gibt immer etwas zu verbessern. Vielleicht ist ein Unternehmen zum Beispiel beim Energiesparen schon weit gekommen, im Gegenzug ist die Mitarbeiterfluktuation aber sehr hoch. Oder es agiert in einer per se wenig nachhaltigen Branche, ist aber Vorreiter im Umgang mit Mitarbeitenden.
Die normative Basis, also Werte und Kultur, müssen klar auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und die Strategie langfristig und klar am Kerngeschäft orientiert sein.
Wie also kommunizieren Unternehmen richtig angesichts dieser Gemengelage? Dazu haben wir zwei Profis gefragt: Zum einen Jane Ehlers, die sich als Senior Managerin Sustainability Strategy & Consulting bei der Unternehmensberatung Accenture mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Und zum anderen Dr. Riccardo Wagner, Professor für Unternehmenskommunikation und Marketing an der Hochschule Fresenius sowie Leiter des Arbeitskreises CSR-Kommunikation bei der Deutschen Public Relations Gesellschaft und Orgaleiter des Deutschen CSR-Kommunikationskongress.
Professor Wagner, auf die Pauke hauen oder lieber schweigsam bleiben? Wie offensiv sollten Unternehmen über ihre Nachhaltigkeitsinitiativen kommunizieren?
Prof. Dr. Riccardo Wagner: Trommeln gehört auch hier zum Handwerk, aber nur, wenn man seine Hosen nicht vergessen hat, wenn man sich auf den Marktplatz stellt und auf die Pauke haut. Soll heißen, die normative Basis, also Werte und Kultur, müssen klar auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und die Strategie langfristig und klar am Kerngeschäft orientiert sein. Und bitte nicht so tun, als sei man ohnehin schon immer nachhaltig gewesen àá la „Nachhaltigkeit liegt in unserer DNS“ – das ist meistens Quatsch und unglaubwürdig. Wir haben noch keine nachhaltige Wirtschaft. Die Daten zur Überschreitung der planetaren Grenzen lügen nicht.
Jane Ehlers, wo fängt denn eigentlich das Greenwashing an?
Jane Ehlers: Greenwashing liegt meines Erachtens immer dann vor, wenn Nachhaltigkeit als reines Image- oder Reputationsthema missverstanden wird und ein substanzielles Nachhaltigkeitsmanagement samt entsprechender Strategie fehlt. Die Nachhaltigkeitskommunikation sollte daher auf einem tatsächlichen und belegbaren Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft aufbauen, damit man gar nicht erst in den Verdacht des Greenwashings gerät oder diesen gut widerlegen kann. Folgende sieben Sünden des Greenwashings verdeutlichen, was Greenwashing ausmacht oder begünstigt: versteckte Kompromisse, fehlende Nachweise, Unschärfe, Irrelevanz, geringeres Übel, Lügen und falsche Labels.
Und was sollte ein Unternehmen tun, wenn es – zu Recht – öffentlich des Greenwashings verdächtigt wird?
Jane Ehlers: Hier gilt es zunächst, den genauen Sachverhalt zügig zu prüfen und dabei alle relevanten Fachabteilungen, wie Nachhaltigkeitsabteilung, Einkauf, Vertrieb, Kommunikation und eventuell beteiligte externe Partner einzubeziehen. Aufgrund dieser Informationen sollten Unternehmen dann eine transparente Stellungnahme entwickeln, in einer Kommunikation das Problem einordnen und klare Abhilfemaßnahmen benennen. Das Unternehmen sollte Kritik offen aufgreifen, Fehler eingestehen und nächste Schritte klar benennen. Aus den gemachten Fehlern sollte es dann lernen und die richtigen Schlüsse ziehen, um eine interne Leitkultur zu etablieren.
Die Öffentlichkeit ist nicht dumm
Riccardo Wagner, nehmen wir an, ein Unternehmen agiert in einer bezüglich ihrer ökologischen Nachhaltigkeit umstrittenen Branche – fossile Brennstoffe, Fast Fashion, etc. – handelt aber nachhaltig in sozialen und ökonomischen Belangen: Sollte dieses Unternehmen über sein nachhaltiges Engagement offensiv kommunizieren oder lieber nicht?
Riccardo Wagner: Es muss und sollte. Die Öffentlichkeit ist nicht dumm und weiß genau, dass da Probleme sind. Die Kommunikation darf deshalb nicht nur im Blick haben, die eigene Existenz zu rechtfertigen, das ist wichtig, aber egoistisch. Es braucht auch die gesellschaftliche Perspektive und hier entwickelt sich die Nachhaltigkeitskommunikation klar in Richtung Wirkungstransparenz. Noch zeigen Nachhaltigkeitsberichte vieles, nur nicht, ob ein Unternehmen nachhaltig ist. Sie erfahren nur, ob ein Unternehmen dieses Jahr weniger schlecht war als letztes Jahr. Wir wollen wissen, welche konkreten Auswirkungen das Unternehmen im Rahmen der biophysikalischen Grenzen unseres Planeten hat. Und hier sind vor allem die kritischen Industrien in der Pflicht, mutig zu agieren und das schafft enormes Potenzial für Vertrauensaufbau und Glaubwürdigkeit.
„Wir brauchen mutige Vorbilder, um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“ – Jane Ehlers, Accenture
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Gelten für die Nachhaltigkeitskommunikation kleiner und mittelständischer Unternehmen dieselben kommunikativen Regeln wie für die großen?
Riccardo Wagner: Regeln im Sinne von Prinzipien und Ansprüchen? Glücklicherweise ja, denn der Großteil der Wirtschaft besteht aus KMU. Bei Umfang und Aufwand, eher nicht – Pflichten und damit verbundene Bürokratie sind hier geringer, der Anspruch an mediale Inszenierung und Dialog ebenso. Bei inhaltlicher Qualität und Überprüfbarkeit sollte es aber keine Unterschiede geben.
Nachhaltigkeitskommunikation braucht Transparenz
Jane Ehlers, was empfehlen Sie Unternehmen grundsätzlich in puncto Nachhaltigkeitskommunikation?
Jane Ehlers: Transparenz ist der Erfolgsschlüssel. Man braucht ehrliche und transparente Nachhaltigkeitskommunikation für nachhaltigere Entscheidungen – egal ob als Konsument:innen, Anleger:innen oder Mitarbeitende. Die Grundlage sind robuste Nachhaltigkeitsinformationen über Produkte und die Unternehmensführung. Der Nachhaltigkeitsbeitrag muss konkret und belegbar beschrieben und benannt werden. Ein Nachhaltigkeitsbericht sollte zudem immer die Basis jeglicher Nachhaltigkeitskommunikation sein, auf diesen kann das Unternehmen dann für weiterführende Informationen verweisen.
Man braucht ehrliche und transparente Nachhaltigkeitskommunikation für nachhaltigere Entscheidungen.
Trotz möglicher Greenwashing-Risiken ist mir wichtig zu betonen, wie essenziell gute Nachhaltigkeitskommunikation ist: Wir brauchen mutige Vorbilder, um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Vorbilder, die zeigen, wie es gehen kann und die sich gleichzeitig trauen, ehrlich anzusprechen, welche Schritte sie noch zu gehen haben und welche Probleme gelöst werden müssen. Dafür bieten sich auch Dialogformate an, um relevante Zielgruppen aktiv einzubinden und sich mit kritischen Stakeholdern proaktiv auszutauschen.
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