EU-Lieferketten-Richtlinie verabschiedet!
Am 23.2.2022 legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht gegenüber Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vor.
Das EU-Parlament teilte in einer Presserklärung vom 14.12.2023 mit, dass die Verhandlungsführer des EU-Parlaments und des Rates sich auf einen Entwurfstext der EU-Richtlinie geeinigt hätten. Diese neue EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit, auf die sich die EU-Gesetzgeber im Dezember 2023 geeinigt hatten, verpflichtet die Unternehmen, ihre negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu mindern.
Am Freitag, dem 9.2.2024 war die finale Abstimmung zur EU-Lieferketten-Richtlinie im Rat der EU-Mitgliedsstaaten vorgesehen. Aufgrund des Widerstandes der FDP in der deutschen Regierungskoalition kündigte Deutschland eine Stimmenthaltung für diese Abstimmung an. Da auch andere EU-Staaten kritisch zu dem vorliegenden Entwurf der EU-Lieferketten-Richtlinie stehen, drohte das Risiko, dass die erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden wäre. Deshalb wurde die Abstimmung durch die belgische Ratspräsidentschaft kurzfristig verschoben. Diese geplante „EU-Lieferketten-Richtlinie“ wird auch unter dem Begriff „Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD oder CS3D)“ geführt.
Kompromiss findet eine Mehrheit
Auf Vermittlung der belgischen Ratspräsidentschaft wurde ein Kompromiss entwickelt und der bisherige Entwurf in einigen Bereichen abgeschwächt. Nach langem Ringen unterstützte eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten diese abgeschwächte europäische Lieferketten-Richtlinie zum Schutz der Menschenrechte. Die ständigen Vertreter der Mitgliedsländer nahmen die entsprechende Richtlinie mit qualifizierter Mehrheit am 14.3.2024 an. Deutschland enthielt sich wie angekündigt auf Drängen der FDP und wurde überstimmt.
Zeitplan und Ausblick
Das EU-Parlament muss dieser Richtlinie nun noch final zustimmen, allerdings gilt hier eine Mehrheit als wahrscheinlich. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die EU-Lieferketten-Richtlinie nun im April oder Mai 2024 veröffentlicht wird und 20 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft treten wird.
Die EU-Mitgliedstaaten müssen danach die CS3D innerhalb von 2 Jahren in nationales Recht umsetzen. Dies dürfte in Deutschland voraussichtlich durch eine Anpassung des LkSG erfolgen.
Die weitere Umsetzung der EU-Lieferketten-RL (CS3D) ist wie folgt vorgesehen:
Mai/Juni 2024: | EU-Lieferketten-RL (CS3D) tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. |
Mai/Juni 2026: (2 Jahre nach Inkrafttreten) | EU-Staaten müssen die CS3D in nationales Recht umsetzen, in Deutschland durch Anpassung des LkSG. |
2027 (3 Jahre nach Inkrafttreten) | EU-Lieferketten-RL (CS3D) anzuwenden für Unternehmen mit
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2028 (4 Jahre nach Inkrafttreten) | EU-Lieferketten-RL (CS3D) anzuwenden für Unternehmen mit
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2029 (5 Jahre nach Inkrafttreten) | EU-Lieferketten-RL (CS3D) anzuwenden für Unternehmen mit
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Ziele der EU-Lieferketten-Richtlinie
Ziel dieser Richtlinie ist es, nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu fördern und Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Geschäftstätigkeit und der Unternehmensführung von Unternehmen zu verankern. Mit den neuen Vorschriften soll sichergestellt werden, dass Unternehmen die negativen Auswirkungen ihres Handelns, auch in ihren Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas, angehen.
Dieser Vorschlag einer „ EU-Lieferketten-Richtlinie“ (CS3D) weist an mehreren Stellen deutlich strengere Regelungen auf im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
Hierbei sind insbesondere strengere Regelungen in folgenden Bereichen enthalten:
- Ausdehnung der Sorgfaltspflichten auch auf die gesamte Wertschöpfungskette,
- Einführung eines neuen zivilrechtlichen Haftungstatbestand für die Verletzung von Sorgfaltspflichten und
- Erweiterung der Liste der Schutzgüter.
Bisheriger Geltungsbereich der europäischen Regelung
Rechtsformen der verpflichteten Unternehmen
Während das deutsche LkSG einen rechtsformneutralen Unternehmensbegriff verwendet, wird die EU-Lieferketten-RL nur für bestimmte Gesellschaftsformen gelten (1):
Das EU-Lieferkettengesetz gilt für folgende Gesellschaftsformen bzw. regulierte Finanzunternehmen gelten, abhängig auch davon, ob die Gesellschaft nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates oder eines Drittstaates gegründet wurde.
Folgende Gesellschaftsformen nach deutschem Recht sollen umfasst werden:
- Aktiengesellschaften,
- Kommanditgesellschaften auf Aktien und
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Darüber hinaus sollen auch erfasst werden:
- regulierte Finanzunternehmen und
- Versicherungsunternehmen.
Unternehmensgröße
Das LkSG greift für alle Unternehmen mit mehr als 3.000 bzw. 1.000 Arbeitnehmern in Deutschland, unabhängig vom jeweiligen Umsatz.
Die EU-Lieferketten-RL gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeiter, senkt dann die Unternehmensgröße in weiteren Schritten ab (siehe Tabelle).
Begriff und Reichweite der „Aktivitätskette“ (Lieferkette)
Das deutsche LkSG richtet sich zunächst an den „unmittelbaren Zulieferer“, mittelbare Zulieferer sind nur einzubeziehen, wenn „substantiierte Kenntnisse“ darüber vorliegen, dass durch den mittelbaren Zulieferer die Pflichten des LkSG verletzt werden.
Der Vorschlag der EU-Lieferketten-RL geht deutlich darüber hinaus:
Die CS3D geht hier deutlich über die Regelungen des deutschen LkSG hinaus und verwendet den Begriff „Aktivitätskette“.
Die Aktivitätskette umfasst zum einen Tätigkeiten der vorgelagerten Geschäftspartner eines Unternehmens im Zusammenhang mit der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen durch das Unternehmen, einschließlich der Planung, der Gewinnung, der Beschaffung, der Herstellung, des Transports, der Lagerung und der Lieferung von Rohstoffen, Produkten oder Teilen der Produkte sowie der Entwicklung des Produkts oder der Dienstleistung. Somit werden auch die mittelbaren Lieferanten von der Regelung erfasst.
Zum anderen gehören zur Aktivitätskette die Tätigkeiten der nachgelagerten Geschäftspartner eines Unternehmens im Zusammenhang mit dem Vertrieb, der Beförderung, der Lagerung und der Entsorgung des Produkts, wenn die Geschäftspartner diese Tätigkeiten direkt oder indirekt für das Unternehmen oder im Namen des Unternehmens durchführen. Damit soll auch die Produktvermarktungskette entsprechend erfasst werden.
Tätigkeiten der vor- und nachgelagerten Geschäftsbeziehungen des Unternehmens.
Die Sorgfaltspflichten der CS3D beziehen sich somit insbesondere auf
- die eigene Geschäftstätigkeit,
- Tochtergesellschaften,
- direkte Lieferanten,
- indirekte Lieferanten
- die Nutzung und
- Entsorgung des Produktes.
Zu schützenden Rechtsbereiche
Die zu schützenden menschenrechtlichen und umweltrechtliche Rechtsbereiche sind in den Anlagen des Entwurfs der EU-Lieferketten-RL konkret dargestellt. Auch in diesem Bereich geht der Entwurf der EU-Lieferketten-RL über die Regelungen des deutschen LkSG an einigen Stellen hinaus.
Sorgfaltspflichten der EU-Lieferketten-RL
Die Sorgfaltspflichten der EU-Lieferketten-RL umfassen 6 Schritte, die in den OECD-Leitlinien für die Sorgfaltspflicht bei verantwortungsvollem Geschäftsgebaren festgelegt sind und die Sorgfaltsmaßnahmen für Unternehmen zur Ermittlung und Bewältigung negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt beinhalten.
- Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und die Managementsysteme.
- Identifizierung und Bewertung nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen.
- Verhinderung, Beendigung oder Minimierung tatsächlicher und potenzieller nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen.
- Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen.
- Kommunikation.
- Bereitstellung von Abhilfemaßnahmen.
Beschwerdeverfahren:
Die EU-Richtlinie sieht (wie auch das LkSG) die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens vor, das allerdings die gesamte Wertschöpfungskette umfassen muss. Zugang müssen alle Personen der gesamten Wertschöpfungskette haben, die von einer Verletzung betroffen sein können. Darüber hinaus sollen auch Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervertreter das Beschwerdeverfahren nutzen können, die Personen vertreten, welche in der betreffenden Wertschöpfungskette arbeiten sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, die in den mit der betreffenden Wertschöpfungskette verbundenen Bereichen tätig sind.
Der Beschwerdeführer soll einerseits das Recht haben, dass aufgrund der Beschwerde angemessene Folgemaßnahmen des Unternehmens getroffen werden sowie andererseits ein Recht haben, sich mit Vertretern des Unternehmens zu treffen, um schwerwiegende nachteilige Auswirkungen zu besprechen.
Wirksamkeitskontrollen, Überwachung
Unternehmen sind nach der EU-Richtlinie zur Kontrolle der Wirksamkeit ihrer Nachhaltigkeitspolitik und den dazugehörigen Maßnahmen verpflichtet. Die Wirksamkeit der Maßnahmen innerhalb der Wertschöpfungskette müssen sowohl jährlich als auch anlassbezogen mittels geeigneter Indikatoren bewertet werden. Anhand der Ergebnisse dieser Bewertung sind die Sorgfaltspflichten zu aktualisieren.
Um sicherzustellen, dass solche Bewertungen auf dem neuesten Stand sind, sind sie mindestens alle 12 Monate durchzuführen bzw. anlassbezogen, wenn es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass erhebliche neue Risiken nachteiliger Auswirkungen aufgetreten sein könnten.
Kommunikation, Berichtspflicht
Die Öffentlichkeit muss über die Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht unterrichtet werden. Insbesondere gehört dazu ein jährlich zu veröffentlichender Bericht des Unternehmens.
Bevollmächtigter:
Durch das Unternehmen ist eine „bevollmächtige Person“ zur Entgegennahme von Mitteilungen der Aufsichtsbehörden ist zu ernennen. Dieser Bevollmächtigte ist mit den erforderlichen Befugnissen und Mitteln für die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden auszustatten. Diese Funktion ähnelt dem „Menschenrechtsbeauftragten“ des LkSG.
Weiterhin werden die Geschäftsleitungen ausdrücklich in die Pflicht zur Implementierung und Kontrolle der oben genannten Sorgfaltspflichten genommen.
Die EU-Kommission wird voraussichtlich branchenspezifische Leitfäden zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten veröffentlichen.
Sanktionen und zivilrechtliche Haftung
Der Entwurf der Richtlinien sieht umsatzbezogene Geldbußen vor, wobei die Höhe der Sanktion sowie die zuständige nationale Behörde noch von den Mitgliedstaaten konkreter zu regeln sein wird. Eine Kooperation mit den Behörden sowie die eigene Aufarbeitung von nachteiligen Auswirkungen soll bei etwaige Sanktionen entsprechend berücksichtigt werden.
Während das deutsche LkSG keinen neuen zivilrechtlichen Haftungstatbestand, für die Verletzung von Sorgfaltspflichten, eingeführt hat, sieht der Entwurf der EU-Richtlinie eine zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht zur Verhinderung potenzieller bzw. Beendigung tatsächlicher nachteiliger Auswirkungen ausdrücklich vor. Die Haftung wird nicht auf eigene Verstöße beschränkt, sondern ist auch bei Verstößen von Tochtergesellschaften sowie Zulieferer denkbar.
Als Voraussetzung für eine Haftung ist vorgesehen, dass durch eine Nichteinhaltung der benannten Sorgfaltspflichten nachteilige Umwelt- und Menschenrechtsauswirkungen entstanden sind, welche bei Beachtung der Sorgfaltspflichten hätten erkannt, vermieden, gemildert, beendet oder in ihrem Ausmaß verringert werden müssen und dabei ein Schaden entstand.
Dabei soll für indirekte Geschäftspartner ein abgeschwächter Haftungsmaßstab gelten, soweit die Pflichten hinsichtlich der vertraglichen Umsetzung der Sorgfaltspflichten erfüllt wurden.
Dieser neue zivilrechtliche Haftungstatbestand bedarf allerdings der jeweiligen Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten. Dies wird sicherlich einer der noch zu diskutierenden Punkte im Rahmen der nationalen Umsetzung sein.
Empfehlung:
Nunmehr liegt nach langen politischen Auseinandersetzungen der finale Text der EU-Lieferketten-Richtlinie vor und die Zeitschiene für die Anwendung dieser umfangreichen Regelungen ist bekannt.
Wenn die EU-Lieferketten-Richtlinie in ihrer finalen Fassung nun verabschiedet und veröffentlicht wird, bedarf diese neue Regelung aufgrund ihrer Bedeutung einer genauen Analyse, welche Anforderungen sich daraus für betroffene Unternehmen ergeben.
Deshalb sollten deutsche Unternehmen, welche die Schwellenwerte der CS3D erreichen werden, nach Inkrafttreten der EU-Lieferketten-Richtlinie möglichst zeitnah die Umsetzung einleiten, da die erweiterten Pflichten der CS3D auf einen erheblich umfangreicheren Bereich der Lieferkette anzuwenden sein werden.
01/2023 | 01/2024 | Ab 2027 | |
Gesetzliche Regelung | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) | Nationale Umsetzung der „EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit“ (CSDDD, CS3D) Ggf. durch angepasstes LkSG |
Betroffene Unternehmensgröße | Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter in D | Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter in D | 2027: Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeiter, 2028: Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter, 2029: Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter, |
Welche Unternehmen sind betroffen | Alle juristischen Personen, unabhängig von ihrer Rechtsform | Alle juristischen Personen, unabhängig von ihrer Rechtsform | Nur Kapitalgesellschaften |
Geltungsbereich |
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Zu schützende Rechtsgebiete | Umfangreiche Menschenrechte und Umweltbereiche, § 2 LkSG | Umfangreiche Menschenrechte und Umweltbereiche, § 2 LkSG | Mehr Rechtsbereiche als LkSG Siehe Anlagen zur EU-Richtlinie |
Eigenständige zivilrechtliche Haftungsregelung | Nein | Nein | Ja |
Sorgfaltspflichten für Unternehmen | Umfangreiche Sorgfaltspflichten in LkSG | Umfangreiche Sorgfaltspflichten in LkSG | Ähnliche Regelungen wie LkSG |
Beschwerdeverfahren für potenziell Betroffene | Ja | Ja | Ja |
Sanktionen bei Verstößen | Bußgeldregelungen bis zu 8 Mio Euro oder 2 % Jahresumsatz | Bußgeldregelungen bis zu 8 Mio Euro oder 2 % Jahresumsatz | „spürbare“ umsatzbezogene Geldbußen, Höhe soll im Rahmen der nationalen Umsetzung festgelegt werden |
Anwendung | Ab 01.01.2023 | Ab 01.01.2024 | ab 2027 |
Fußnote:
(1) Der Entwurf der EU-Lieferketten-RL verweist hinsichtlich des Unternehmensbegriffs auf die Anlagen I und II der EU-Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013
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