Dienstwagen: weniger fahren - mehr zahlen
Auf durchschnittlich 33.000 pro Jahr belief sich die Kilometerleistung eines Firmen-Pkw im Jahr 2019, in der Spitze waren es schon einmal 150.000. Mit der Pandemie kam buchstäblich der Stillstand. „Wir sehen derzeit bei unseren Kunden sogar Fälle von 50.000 bis 100.000 Minderkilometer wenige Monate vor Vertragsende“, berichtet Ilona Janssen, Senior Partnerin der Beratungsgesellschaft für Kostenmanagement Expense Reduction Analysts GmbH. Laut der auf gewerbliche Mobilität spezialisierten Marktforschungsgesellschaft Dataforce GmbH war die Kilometerleistung von Dieselfahrzeugen in Fuhrparks im Jahr 2020 um 25 % und die von Benzinern um 22 % geringer als in den Jahren zuvor. Die Werte werden zweifellos wieder steigen. Sicher ist allerdings auch, dass sie immer stärker schwanken werden. Denn die Wirtschaft wird volatiler, Geschäftsmodelle ändern sich – und damit auch die Anforderungen an die Mobilität, etwa im Vertrieb oder im Support.
„Augenöffner“ Pandemie
Ein Leasingvertrag ist dann am wirtschaftlichsten, wenn die vereinbarte Laufleistung bis zum letzten Kilometer genutzt wird. „Gewöhnlich“ ist dies der Fall. Deshalb hat sich bisher kaum jemand für das Kleingedruckte in den Leasingverträgen interessiert. Nun aber gibt es bei den Endabrechnungen böse Überraschungen. Für die sogenannten „Minder-Kilometer“ wird i.d.R. nur ein Bruchteil der ursprünglich, auf den einzelnen Kilometer umgerechneten Kosten erstattet und ebenso nur ein Bruchteil dessen, was für zu viel gefahrene Kilometer nachberechnet würde; meistens nur ein Drittel davon. Dadurch erhöhen sich die Kosten pro tatsächlich gefahrenem Kilometer und damit die wichtigste Leistungskennzahl eines Fuhrparks zum Teil erheblich (s. Rechenbeispiel). Mobilitätsintensive Unternehmen, die „gewöhnlich“ (s. o.) auf einfache Weise mit einer Kilometerpauschale kalkulieren konnten, kommen plötzlich nicht mehr auf ihre Kosten.
Rechenbeispiel: Weniger fahren, mehr zahlen
Ursprünglicher Leasingvertrag:
Monatliche Rate 500 EUR, Laufzeit 36 Monate, vereinbarte Laufleistung 120.000 Kilometer, 12 Cent je Mehrkilometer, Erstattung von 4 Cent je Minderkilometer, Deckelung bei 7.500 Kilometer.
Mehr- oder Minderkilometer:
Hat das Auto am Ende 140.000 auf dem Tacho, werden 2.400 EUR nachberechnet; die Leasingrate beträgt 14,5 Cent je Kilometer. Dem gegenüber werden bei 20.000 Minderkilometern nur 300 EUR erstattet, die Leasingrate pro Kilometer beträgt 22,1 Cent. Mehr noch: Stellt man ein nicht benötigtes Fahrzeug einfach in die Garage, hat man am Ende 17.700 EUR bezahlt und gibt der Leasingfirma ein fast nagelneues Auto zurück.
Vertrag ist Vertrag
An den laufenden Verträgen gibt es nichts zu rütteln. Auf eine Störung der Geschäftsgrundlage durch Corona nach § 313 BGB könne sich ein Leasingnehmer voraussichtlich nicht berufen, sagen die Juristen des ADAC e. V. Nach vorherrschender Rechtslage sei es allein sein Risiko, wenn er das geleaste Fahrzeug nicht in dem Umfang nutzen könne, wie es ursprünglich von ihm vorgesehen war. Bei Kilometerverträgen gibt es nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht einmal ein gesetzliches Widerrufsrecht für Verbraucher (VIII ZR 36/20). „Wir raten Fuhrparkbetreibern, sich ihre Verträge noch einmal genau anzusehen, im Falle neuer Vereinbarungen die wesentlichen Aspekte kritisch zu hinterfragen und zu prüfen“, so Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbands Fuhrparkmanagement e. V. Große Fuhrparks können womöglich bei laufenden Verträgen auf Kulanz ihrer Leasinggesellschaften hoffen. Beispiele dafür sind allerdings nicht überliefert.
Fehler im System
Die Grundidee des Leasings ist, nur für das zu zahlen, was man tatsächlich nutzt. Im Laufe der Zeit sind allerdings Vertragsformen entstanden, die sich von diesem Prinzip entfernen. Dies gilt für sogenannte „geschlossene Leasingverträge“. Bei ihnen basiert die effektiv gezahlte Rate auf kalkulatorischen Restwerten zu einem definierten Zeitpunkt, verschiedenen Gebühren und festgelegten Limits. Diese Parameter und die davon abgeleiteten Sätze für Mehr- und Minderkilometer bilden allerdings weder die tatsächliche Nutzung noch das reale Marktgeschehen ab. Es ist ein offenes Geheimnis, dass bei den Finanzierungsrechnungen die Restwerte zu niedrig angesetzt werden. Bei einem Full-Service-Leasing inkludiert die Leasingrate neben der Finanzierung auch Zusatzleistungen wie Wartungen, Reifen oder Versicherungen. Die Rate bleibt gleich, während die Marktpreise für Dienstleistungen permanent schwanken oder rückläufig sind. Das Vergleichsportal autobutler GmbH hat z.B. im Jahr 2019 bundesweit um mehr als 20 % variierende Werkstattpreise ermittelt. Ebenfalls auf fiktiven Berechnungen. „Ein geschlossener Vertrag ist sozusagen Top-down, nach der maximalen Gewinnerwartung der Leasinggesellschaft kalkuliert. Und die tritt meistens ein, egal, in welchem Zustand man ein Fahrzeug am Ende der Laufzeit zurückgibt“, so Majk Strika, Geschäftsführer des Fuhrparkmanagers ARI Fleet Germany GmbH.
Lösung 1: Eine Rekalkulation vereinbaren
Wer sich für einen Kilometervertrag entscheidet, sollte in jedem Fall auf die Möglichkeit einer Rekalkulation bestehen. Dabei wird, wenn sich eine geringere Laufleistung abzeichnet, der Vertrag so geändert, als wäre er bspw. für 100.000 statt 150.000 für Kilometer abgeschlossen worden. Abzüglich einer Bearbeitungsgebühr wird die Erstattung auf die Raten der Restlaufzeit angerechnet. Einige Leasinggesellschaften bieten diese Möglichkeit an. „Flottenverträge müssen diesen Punkt aber klar und fair regeln; sonst fällt der Vorteil eher mager aus“, betont Kostenmanagerin Janssen. Bei einem Full-Service-Leasing könnte man die Dienstleistungsanteile kündigen, falls der Vertrag dies zulässt. Ein systemisches Ungleichgewicht zwischen Mehr- und Minderkilometern wird dadurch aber nicht beseitigt.
Lösung 2: Der offene Leasingvertrag
Eine zunehmende beliebte Alternative sind sogenannte „offene“ Leasing-Vertragsmodelle. Bei diesen ist der Leasingnehmer im Gegensatz zu den „geschlossenen“ Verträgen keinen Limitierungen unterworfen. Er kann seinen Pkw oder Transporter so viel, so wenig und so lange nutzen, wie er ihn benötigt. Die Rate deckt ähnlich einem Darlehensvertrag den reinen Finanzierungsaufwand ab. Experte Strika: „Nach drei Monaten kann der Leasingnehmer den Vertrag jederzeit kündigen, indem er die Restschuld ablöst. Das Fahrzeug gehört dann ihm. Er fährt es einfach weiter oder verkauft es zu einem günstigen Zeitpunkt. Fahrzeugservices und Versicherungen können separat zu günstigsten Marktkonditionen eingekauft werden; es gibt keine verdeckten Margen zugunsten einer Leasinggesellschaft.“ Das Modell verbinde viele Vorteile eines Kaufs in puncto Flexibilität mit denen eines Leasings in puncto günstiger Finanzierung. Den richtigen Zeitpunkt für die Veräußerung abzupassen, kann lukrativ sein. Bspw. lag der Gebrauchtwagenpreis im Juni 2021 laut dem ADAC-Marktbericht um durchschnittlich 2.700 EUR über dem Vorjahr. Es ist kaum denkbar, dass bei der Festsetzung der Restwerte im Jahr 2018 eine solche Entwicklung kostenmindernd ins Kalkül gezogen wurde. Die Nachfrage nach Finanzierungsleasing-Modellen ist laut dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. allein im Jahr 2019 um 47 % gestiegen. Zu jener Zeit war Corona noch kein Thema.
Der Markt fordert Veränderungen
Laut der Leasingstudie 2020 von Dataforce sind im ersten Pandemiejahr die Leasingquoten bei Flotten ab 100 Pkw im Bestand um fast 5 Prozentpunkte gesunken. 22 % der Unternehmen wollen in zukünftigen Leasingverträgen die Laufleistung reduzieren. Neben dem Wunsch nach mehr Flexibilität gewinnt der Fahrzeugkauf oder -besitz und damit die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Vorteile voll selbst nutzen zu können, an Stellenwert. „Der Gedanke, mit dem Fahrzeug in den eigenen Büchern selbst einen Restwert in der Hand zu haben, scheint wieder an Auftrieb zu gewinnen“, heißt es in der Studie. Die äußerst günstigen Kreditkonditionen scheint das Interesse an kaufähnlichen Leasingmodellen zusätzlich zu beflügeln.
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