Crowdinvesting: Der Schwarm fliegt auf Immobilien
Wenn Investitionsvorhaben der Hausbank zu waghalsig, Risikofinanzieren zu mickrig und für Freunde zu groß sind, um als Geldgeber einspringen zu können, kommen Crowdinvestings ins Spiel. Dann sind Kleinanleger gefragt. Es müssen möglichst viele sein, damit das nötige Kapital zusammenkommt. Deshalb wird das Konstrukt auch "Schwarmfinanzierung" genannt.
Crowdinvesting-Markt: Wachstumstreiber waren und sind Immobilien
Mehr als die Hälfte (rund 50 Prozent) des im Jahr 2017 eingesammelten Anlagekapitals stammte aus Einzahlungen zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro, 23 Prozent aus Einzahlungen von 10.000 Euro und höheren Beträgen. Aber auch kleinere Beträge wurden beigesteuert: Einzahlungen bis 250 Euro hatten immerhin einen Anteil von sieben Prozent. Bei in Aussicht gestellten Renditen von bis zu neun Prozent scheint es dabei für die Kleinanleger fast nebensächlich zu sein, ob die Erträge mit Grillkohle aus Maisabfällen, Solardächern in Afrika oder mit vitalisierender Biokost erwirtschaftet werden.
Laut einem Forschungsbericht des Ifo-Instituts* verzeichnete der Crowdinvesting-Markt zwischen 2011 und 2017 insgesamt jährliche Zuwachsraten von durchschnittlich 197 Prozent. Alleine im Jahr 2020 betrug das Volumen mehr als 456 Millionen Euro. Davon entfielen 352 Millionen Euro auf Immobilien. Diese waren und sind die Wachstumstreiber. Das Geld fließt zu in Neubauten (zirka 60 Prozent) in Sanierungen und Revitalisierungen (zirka 32 Prozent) oder in Grundstücksfinanzierungen, zumeist in Verbindung mit einer Sanierung oder einem Neubau.
Im Gesamtmarkt ist Crowdinvesting aber bisher nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Für Wohn- und Wirtschaftsimmobilien haben deutsche Finanzierungsinstitute allein im Jahr 2019 Darlehen in Höhe von rund 320 Milliarden Euro vergeben. Zwischen Crowd-Finanzierungen und Bankkrediten besteht allerdings eine Abhängigkeit, die nicht allen Anlegern bewusst ist. Beim Crowdinvesting handelt es sich um eine sehr "spezielle" Konstruktion.
Risiko beim Crowdinvesting: die zweitrangige Sicherheit
In der gängigen Praxis des Crowdinvestings handelt es sich nicht um Unternehmensbeteiligungen, sondern ebenfalls um Kredite, die an das zu unterstützende Unternehmen vergeben werden. Allerdings sind das in der Regel zwischenfinanzierende Nachrangdarlehen – und das ist der Knackpunkt. Banken lassen sich Engagements grundsätzlich erstrangig besichern. Geht im Fall einer Schwarmfinanzierung etwa ein Bauträger in Insolvenz, werden die Ansprüche also nachrangig behandelt.
Das heißt konkret: Erst einmal erhalten Banken oder Lieferanten ihr Geld und der Crowdinvestor bekommt das, was übrig bleibt. Wie schnell eine nachrangige Investition verloren gehen kann, zeigt folgendes Rechenbeispiel: Für ein Projektvolumen von zehn Millionen Euro bringt der Bauträger selbst eine halbe Million Euro bei, die Bank gibt acht Millionen Euro, eineinhalb Millionen Euro kommen aus der Crowd. Werden am Ende zwölf Millionen Euro verteilt, machen alle drei Gewinn: Der Bauträger hat seinen Einsatz verdoppelt, Bank und Privatanleger erhalten ihr Geld plus der versprochenen Zinsen zurück. Gibt es aber nur neun Millionen Euro, kommt die Bank auf ihren Einsatz plus Zinsen. Der Bauträger hat nichts verdient, aber die Anleger müssen rund zwei Drittel ihres Einsatzes abschreiben. Das "kleine" Minus hebelt viel Kapital ins Aus.
"Ein Vorteil ist zwar, dass Investierende auch Kleinstbeträge anlegen können und damit ein gut diversifiziertes Portfolio in Immobilien und Startups aufbauen können. Ein Nachteil ist, dass die Zwischenfinanzierung gerade bei Immobilien, aber auch bei Startups, häufig sehr risikoreich ist", sagt Prof. Dr. Lars Hornuf, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Finanztechnologie an der Universität Bremen, Affiliated Research Fellow am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb sowie Mitglied des globalen CESifo Forschungsnetzwerks. Ob in dieser Anlageklasse überhaupt eine positive risikoadjustierte Rendite erwirtschaftet werden kann, sei bislang allerdings fraglich, so Hornuf.
Crowdinvesting mit und ohne Prospekt: Immobilien relativ stabil
Ursprünglich waren beim Crowdinvesting stille Beteiligungen das Mittel der Wahl. Die Engagements tießen aber immer häufiger an die Grenze von 100.000 Euro – ab dieser Grenze musste nach dem Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) ein Verkaufsprospekt aufgelegt werden. Beteiligungsdarlehen wurden bis 2015 vom VermAnlG dagegen nicht erfasst.
Durch eine Bestimmung im Kleinanlegerschutzgesetz sind Schwarmfinanzierungen inzwischen von der Prospektpflicht befreit, wenn der Verkaufspreis aller vom Anbieter angebotenen Vermögensanlagen desselben Emittenten zweieinhalb Millionen Euro nicht übersteigt und der Vertrieb über eine Dienstleistungsplattform erfolgt. Stattdessen muss ab einem Emissionsvolumen von 10.000 Euro ein Vermögensanlagen-Informationsblatt erstellt und für dessen die Veröffentlichung eine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eingeholt werden. Auch aus diesem Grund haben sich Schwarmfinanzierungen immer häufiger zur Darlehenskonstruktion entwickelt.
Nach Angaben des Ifo Instituts wurden etwa im Jahr 2017 rund 90 Prozent des Emissionsvolumens über Nachrangdarlehen realisiert. Auch Finanzierungsverträge beim Immobilien-Crowdinvesting sahen in den wenigsten Fällen eine erstrangige Besicherung vor. Ein ausdrücklicher Verweis auf eine erstrangige Besicherung sei damals in nur fünf Prozent der Unterlagen zu finden gewesen, heißt es.
Zwischen dem 1.8.2011 und dem 31.3.2018 kam es demnach bei insgesamt 73 von 743 Investments zu Ausfällen. Bei Immobilienfinanzierungen gab es nur eine Insolvenz. Aber Vorsicht: Das "Überleben" eines Kreditnehmers bedeutet nicht, dass sich auch die Renditeerwartungen erfüllen. Das eingesetzte Kapital kann teilweise oder ganz verloren gehen. Schon die relativ kurzen Laufzeiten deuteten darauf hin, dass es sich um einen vergleichsweise risikoreichen Eigenkapitalersatz zur Zwischenfinanzierung handele, so die Ifo-Experten. Bei Immobilien liegt die durchschnittliche Mindestlaufzeit bei 20 Monaten, bei Unternehmensfinanzierungen sind es 56 Monate.
Crowdinvesting-Verordnung im Bundestag
Das Thema Crowdinvesting beschäftigt zurzeit auch den Bundestag. Die neue EU-Verordnung "Regulation on European Crowdfunding Service Providers" (ECSP-VO) soll bis November 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Crowdfunding-Plattformen, die in mehr als einem EU-Land tätig sind, sollen künftig durch einheitliche Vorschriften reguliert werden. Die Branche hatte wiederholt die bestehende Rechtsunsicherheit bei grenzüberschreitenden Investments kritisiert. Investoren sollen damit einen besseren Zugang zu Startups, Innovatoren und kleinen Unternehmen erhalten, zugleich aber auch besser geschützt werden.
Crowdfunding-Dienstleister müssen den Kunden künftig klarere Informationen über die potenziellen finanziellen Risiken der Projekte zur Verfügung stellen. Die neuen Vorschriften gelten für Schwarmfinanzierungen von bis zu fünf Millionen Euro mit Laufzeiten bis zu zwölf Monaten. Die ganze Wahrheit geht aber auch hier aus dem Kleingedruckten hervor. Die ECSP-VO erfasst grundsätzlich nur die Vermittlung von Krediten oder die Platzierung von übertragbaren Wertpapieren und Finanzinstrumenten. Welche Bedeutung dies für die allermeisten Konstrukte hat, wird sich bei den Beratungen erweisen. Derzeit wird in Deutschland davon ausgegangen, dass die Emission von qualifiziert-nachrangigen Darlehen nicht der ECSP-VO unterliegen soll.
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