Rechenzentren-Hotspot: Frankfurt Nr. 2 in Europa
Ob Cloud-Computing, E-Commerce, Streaming-Dienste, Internet of Things (IoT) oder das 5G-Netz – die Datenflut ist mit der Coronakrise noch einemal rasant gestiegen. Und damit die Nachfrage nach Rechenzentren (auch Data Center), mit enormem Potenzial für Immobilieninvestments.
Ganz oben auf der Liste: Frankfurt am Main. Die deutsche Finanzhauptstadt ist mittlerweile zum zweitgrößten Bereitsteller von Serverleistungen in Europa aufgestiegen und rangiert jetzt direkt hinter der britischen Hauptstadt London, wie die aktuelle Studie "2020 Year-End Data Center Outlook" (engl.) von JLL zeigt, die einen Rückblick und Prognosen für das laufende Jahr enthält.
Co-Location-Dienstleister in der Mainmetropole erweiterten ihre IT-Last (IT-Load) im vergangenen Jahr um 83 Megawatt. Mit insgesamt 443 Megawatt Serverkapazitäten hat Frankfurt demnach 2020 den Standort Amsterdam überholt. Die niederländische Stadt liegt nun auf Platz drei unter den wichtigsten europäischen Data Center-Standorten.
"Dass Data Center vor allem an den starken Finanzmarktplätzen Europas wachsen, ist kein Zufall", erklärt Helge Scheunemann, JLL Head of Research Germany. "In diesem Sektor können Sekundenbruchteile in der Datenübermittlung signifikante Auswirkungen haben."
Konkurrenz um knappe Flächen und Nachfrage nach Nachhaltigkeit
Alleine in den wichtigsten europäischen Data Center-Märkten Frankfurt, London, Amsterdam, aber auch Paris und Dublin stieg JLL zufolge der Umsatz im Jahresvergleich um insgesamt mehr als ein Fünftel (22 Prozent) auf 201 Megawatt. Der weitere Anstieg im laufenden Jahr dürfte sich auf einem vergleichbaren Niveau bewegen. Allerdings konkurriere die Branche um die ohnehin schon knappen Flächen in den Innenstädten, eine Verlagerung der Data Center-Aktivität in die Randlagen sei damit absehbar", so JLL-Experte Scheunemann.
Neben der Rivalität mit anderen Assetklassen um die knappen Flächen, stehen Investoren und der Rest der Branche in Sachen Nachhaltigkeit vor großen Herausforderungen. Etwa in Frankfurt entfällt JLL zufolge auf die bereits ansässigen Data Center rund ein Fünftel des städtischen Stromverbrauchs – mehr der Flughafen verbraucht. In Zukunft werden sich Rechenzentren zunehmend in klimaschonende Quartier- und Stadtkonzepte einbinden lassen müssen, meint Scheunemann, damit die Akzeptanz da ist: "Dies könnte zum Beispiel über Power-To-Heat-Lösungen geschehen, über die sich die gewaltige Abwärme aus dem Serverbetrieb für Fernwärmenetze nutzen lässt."
Frankfurt: Europäischer Top-Standort in Sachen Rechenzentren
Innerhalb Deutschlands stellt Frankfurt am Main laut dem Report "Rechenzentren profitieren von beschleunigter Digitalisierung" von CBRE den mit Abstand wichtigsten Markt bei Rechenzentren im Bereich "Colocation" und "Cloud" dar. Dies zeigt sich auch daran, dass eine Vielzahl von Rechenzentrumsbetreibern in der Stadt präsent ist.
Der niederländische Konzern Interxion will im Frankfurter Osten mehr als eine Milliarde Euro in ein neues Rechenzentrum investieren. Gebaut wird in diesem Jahr auf einem Großteil (90.000 Quadratmeter) des Areals (107.000 Quadratmeter) der früheren Neckermann-Zentrale an der Hanauer Landstraße. Das Unternehmen betreibt bereits 15 Rechenzentren in Frankfurt, dem größten Internetknoten der Welt: Der Deutsche Commercial Internet Exchange (DE-CIX) habe bereits im März 2020 mit einem Traffic von 9,1 Terabit pro Sekunde einen neuen Weltrekord aufgestellt, wie die DE-CIX Group AG meldete. Gegen Jahresende 2020 stieg der Traffic sogar auf rund zehn Terabit.
Umgebaut werden soll auch das frühere Neckermann-Hauptgebäude, das vom Architekten Egon Eiermann entworfen wurde. Es steht unter Denkmalschutz. Hier plant Interxion ebenfalls IT-Kapazität, wie Deutschland-Geschäftsführer Jens Prautzsch im Sommer 2020 erklärte. Mit dem Abschluss der Bauarbeiten rechnet das Unternehmen 2028. Wie viele Rechenzentren im Projekt "Digital Park Fechenheim" genau entstehen werden, hänge letztlich von der Nachfrage ab, sagte Prautzsch. Geplant sei mehr als eine Verdoppelung der bisher in Frankfurt angebotenen Kapazität.
Rechenzentrum ist nicht gleich Rechenzentrum
Je nach Anwendung sind die Ansprüche an Lage, Größe und Ausstattung von Rechenzentren sehr unterschiedlich, heißt es in dem Report von CBRE, in dem Standortanforderungen und die verschiedenen Arten von Rechenzentren aufgelistet sind. "Seitens der Investoren werden vor allem Hyperscale-Rechenzentren nachgefragt, da hier oftmals keine Betreiberverantwortung besteht", erklärt darin Michael Dada, Director Advisory & Transactions Data Center Solutions bei CBRE in Deutschland. Dabei handelt es sich um Großrechenzentren hauptsächlich für Cloud-Anwendungen.
Doch es gibt CBRE zufolge auch "Hidden Champions": Technologien wie 5G und autonomes Fahren etwa könnten künftig Edge-Rechenzentren – Kleinrechenzentren, um den lokalen Bedarf zu decken – als neuen Typ von Rechenzentren etablieren.
Arten von Rechenzentren
Colocation | Enterprise | Hyperscale | Telekom | Edge | |
Zweck | Vermietung von Serverraumkapazitäten | IT-Infrastruktur für ein Unternehmen | Großrechenzentren, hauptsächlich für Cloud-Anwendungen | Telekommunikationsinfrastruktur | Kleinrechenzentren, um einen lokalen Bedarf zu decken |
Typische Betreiber | Spezialisierte Betreiber (Globale Betreiber, die internationale Standorte verbinden) | Konzerne | Cloudbetreiber | Telekommunikationsunternehmen | Spezialisierte Betreiber, Telekommunikationsunternehmen |
Lage | Nahe an bestehenden Knotenpunkten + kleinere für den regionalen Bedarf | Deutschlandweit, zumeist nahe an Unternehmens-Headquartern | Metropole Großregionen | Deutschlandweit | Deutschlandweit |
Typische Stromaufnahme | 10 bis 50 Megawatt | 0,5 bis 5 Megawatt | 30 bis 500 Megawatt | 0,5 bis 10 Megawatt | > 0,5 Megawatt |
Betriebs-sicherheit | Hoher Standard für Banken & Versiche-rungen | An Branche angepasst | Mittlerer bis hoher Standard | Angepasster Standard | Niedriger Standard |
Quelle: CBRE Research, Q4 2020
Rechenzentren: drei Mietermodelle
Bei der Vermietung von Rechenzentren hat CBRE drei grundsätzliche Modelle identifiziert, die immobilienwirtschaftlich interessant sind: "Powered Land", "Powered Shell" und "Fully Fitted".
Eine kurzfristige Wertsteigerung lässt sich dadurch erzielen, dass ein geeignetes Grundstück über die notwendige Stromversorgung verfügt ("Powered Land"), erklärt Dada. In einem "Powered Shell"-Mietvertragsverhältnis stellt der Eigentümer die Hülle inklusive eines Anschlusses für einen hohen Energieverbrauch zur Verfügung, während die technische Gebäudeausstattung vom (Haupt-)Mieter eingebracht und gewartet wird. Das Modell "Fully Fitted" setzt hingegen die volle Betreiberverantwortung des Eigentümers voraus. Dem Mieter wird die Fläche zum Aufstellen von Serverracks zur Verfügung gestellt, und der Eigentümer sorgt mit Gebäudetechnik dafür, dass die IT sicher und unterbrechungsfrei laufen kann.
Die Zahlen von CBRE zeigen auch, dass europaweit weitere 400 Megawatt im Bau sind – davon mit 137 Megawatt der größte Anteil in Frankfurt. Während die Nachfrage weiter steigt, kommt das Angebot nicht hinterher, vor allem im Bereich Cloud, also den Hyperscale Data Centern. Investoren – von Private Equity über Infrastrukturfonds bis hin zu Immobilienentwicklern – suchen laut CBRE bereits nach neuen Investitionsmöglichkeiten und Rechenzentrum-Hotspots in ganz Europa.
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