Kurzfristige Ergänzung des Mietvertrages erfordert keine Schriftform
Hintergrund: Befristete Mietminderung vereinbart
Die Parteien eines schriftlich geschlossenen längerfristigen Gewerbemietvertrages hatten im Laufe des Mietverhältnisses zwei nicht der Schriftform entsprechende Vereinbarungen über die Höhe einer Mietminderung getroffen. Deren Laufzeit betrug jeweils deutlich weniger als ein Jahr und zusammengefasst 15 Monate. Die Vermieterin sah hierdurch die Schriftform des gesamten Mietvertrages zerstört und nutzte den vermeintlichen Schriftformmangel, um das Mietverhältnis unabhängig von der vereinbarten Vertragslaufzeit ordentlich zu kündigen.
Während des Räumungsrechtsstreits erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Der BGH hatte noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Entscheidung: Schriftform nur für länger gültige Vereinbarungen
Die Vermieterin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen, weil die Räumungsklage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte. Durch die nicht der Schriftform entsprechenden Vereinbarungen über die Mietminderung ist die ursprünglich eingehaltene Schriftform des Mietvertrages nicht zerstört worden, sodass weiterhin die vereinbarte Vertragslaufzeit galt. Die Vermieterin konnte den Mietvertrag daher nicht vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen.
§ 550 BGB, nach dem ein nicht der Schriftform entsprechender Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt, soll den Erwerber eines Grundstücks davor schützen, bei Eintritt in einen Mietvertrag, dessen Bedingungen er mangels Schriftlichkeit nicht zuverlässig erkennen kann, an die vertraglichen Regelungen länger als ein Jahr gebunden zu sein.
Außerdem soll das Schriftformerfordernis die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien gewährleisten und diese davor schützen, unbedacht langfristige Bindungen einzugehen. Mit dem einen Jahr in § 550 Satz 1 BGB hat der Gesetzgeber die Grenze benannt, bis zu der nicht von einer Langfristigkeit auszugehen ist.
Aus diesen Gesetzeszwecken folgt, dass eine Änderung auch von vertragswesentlichen Vereinbarungen wie etwa denen zur Miethöhe nur dann gemäß § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig ist, wenn sie für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr Geltung beansprucht.
Die beiden Vereinbarungen zur Minderungshöhe hatten aber jeweils eine Laufzeit von deutlich unter einem Jahr. Da die Laufzeit für die Frage der Schriftformbedürftigkeit bezogen auf die einzelne Abrede betrachtet werden muss, ist unerheblich, dass beide Vereinbarungen zusammen mit 15 Monaten ein Jahr überschritten.
Der von der Vermieterin aus diesen Abreden abgeleitete Schriftformverstoß war somit nicht gegeben, sodass eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit nicht möglich war.
(BGH, Beschluss v. 15.9.2021, XII ZR 60/20)
§ 550 BGB Form des Mietvertrags
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
Weitere BGH-Entscheidungen zur Schriftform:
BGH: Ausübung einer Verlängerungsoption bei der Gewerbemiete unterliegt nicht der Schriftform
BGH: Anpassung der Miete nach Indexänderung kann Schriftform unterliegen
BGH: Doppelte Schriftformklausel verhindert mündliche Vertragsänderung nicht
BGH: Vertragsübernahme kann Schriftform des Mietvertrags zerstören
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