Wohnraummiete oder nicht? – Der Vertragszweck entscheidet
Hintergrund: Gesellschaft mietet acht Wohnungen
Ein Vermieter hatte acht Wohnungen in einem Anwesen in Berlin an eine GmbH & Co. KG (im Folgenden: Gesellschaft) vermietet.
Die mit „Mietvertrag über Wohnraum“ überschriebene Vertragsurkunde enthält unter anderem folgende Vereinbarungen:
„§ 1 Mietobjekt
1. Der Vermieter vermietet dem Mieter zu Wohnzwecken nachstehende Wohnungen: […]§ 2 Mietzeit
[…]
2. Das Mietverhältnis läuft auf unbestimmte Zeit und kann unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.
3. Die Kündigungsfrist richtet sich nach § 573c BGB.
4. Die Kündigung muss in Schriftform erfolgen […].
[…]§ 6 Benutzung der Mieträume, Gebrauchsüberlassung
[…]
2. […] Der Mieter ist zu einer Untervermietung und zur Stellung eines Nachmieters oder sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt.§ 15 Tierhaltung
1. Das Halten von Haustieren bedarf der Erlaubnis des Vermieters.
[…].“
Nachdem die Zwangsverwaltung des Anwesens angeordnet war, kündigte der Zwangsverwalter den Mietvertrag über die acht Wohnungen mit Schreiben vom 25.8.2011 ohne Angabe von Gründen zum 30.11.2011.
Im September 2011 vermietete die Gesellschaft eine der gemieteten Wohnungen weiter. Im Juni 2016 kündigte der Zwangsverwalter dieses Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß und verlangt nun Räumung sowie die Zahlung rückständiger Miete, Nebenkostennachforderungen und Nutzungsentschädigung.
Während die Klage vor dem Amtsgericht erfolgreich war, hat das Landgericht sie abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts stehen dem Zwangsverwalter keine Ansprüche zu, da dieser nicht gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB als Vermieter in das Mietverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Mieter eingetreten sei. Die Kündigung vom 25.8.2011 sei unwirksam, weil der Zwangsverwalter entgegen dem Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Gesellschaft nicht angegeben habe. Dies sei jedoch erforderlich gewesen, weil es bei dem Mietverhältnis über die acht Wohnungen entweder um ein Wohnraummietverhältnis gehandelt habe oder sich die Vertragsparteien zumindest dem "Schutz des sozialen Mietrechts" unterworfen hätten.
Entscheidung: Wohnraummietrecht nicht anwendbar
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück.
Der Zwangsverwalter ist gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis der Gesellschaft mit dem Mieter eingetreten, weil das Mietverhältnis des Vermieters mit der Gesellschaft beendet worden ist. Der Zwangsverwalter konnte Letzteres ohne Angabe von Gründen kündigen, weil es sich nicht um ein Mietverhältnis über Wohnraum gehandelt hat, sondern um ein Mietverhältnis über andere Räume gemäß § 578 Abs. 2 BGB. § 573 Abs. 3 BGB ist hier daher nicht anwendbar.
Bei der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, kommt es auf den Nutzungszweck an, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt. Geht der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar. Entscheidend ist mithin, ob der Mieter die Räume nach dem Vertrag zu eigenen Wohnzwecken anmietet oder nicht.
Welcher Vertragszweck im Vordergrund steht, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln. Danach hat die Gesellschaft die Räume nicht zu eigenen Wohnzwecken angemietet, weil sie als Personenhandelsgesellschaft (GmbH & Co. KG) ebenso wie juristische Personen (eigenen) Wohnbedarf nicht haben kann. Selbst bei einer natürlichen Person spräche die gleichzeitige Anmietung von acht Wohnungen gegen eine Nutzung zu (eigenen) Wohnzwecken.
Der Zweck der Anmietung durch die Gesellschaft war mithin nicht darauf gerichtet, die angemieteten Räume selbst zu Wohnzwecken zu nutzen, sondern die gemieteten Wohnräume gewerblich Dritten zu Wohnzwecken weiterzuvermieten, wie dies dem von § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten Fall entspricht. Deshalb ist im Vertrag auch eine „Vermietung zu Wohnzwecken“ vorgesehen und der Vertrag als „Mietvertrag über Wohnraum“ bezeichnet.
Dass der Vertragszweck in der gewerblichen Weitervermietung an Dritte bestand, verdeutlicht auch die Regelung im Mietvertrag, dass die Gesellschaft zu einer Untervermietung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt sein sollte.
Die Parteien haben auch keine Vereinbarung darüber getroffen, dass auf das Mietverhältnis die Mieterschutzvorschriften aus dem Wohnraummietrecht anwendbar sein sollen. Eine solche lässt sich aus den getroffenen Vereinbarungen nicht herleiten.
(BGH, Urteil v. 13.1.2021, VIII ZR 66/19)
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