Berlin – gescheitertes Labor der Wohnungspolitik
Ein Grund für die Misere sind die oft unausgegorenen Instrumente, die Berlin einsetzte, um den Wohnungsmarkt zu regulieren, und die dann von den Gerichten einkassiert wurden. Leidtragende waren nicht zuletzt Mieter und Mieterinnen und in noch stärkerem Maß Wohnungssuchende. Der Umgang mit dem Abschlussbericht der Expertenkommission zur Vergesellschaftung lässt hoffen, dass die neue Regierungskoalition aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.
Vergesellschaftung: Nicht ohne Gesetz und gerichtliche Klärung
Vor ein paar Tagen hat die Expertenkommission ihren Abschlussbericht zur Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen in Berlin vorgelegt und darin die grundsätzliche Zulässigkeit von Enteignungen mehrheitlich bejaht. Die neue Berliner Regierung wird nun auf Basis der Empfehlungen der Kommission ein Vergesellschaftungsrahmengesetz planen und gegebenenfalls verabschieden – so steht es im Koalitionsvertrag. Das Gesetz soll dann erst nach zwei Jahren in Kraft treten, damit es noch vor Gericht überprüft werden kann. Dieser Weg ist richtig.
Denn der Segen der Kommission kann die notwendige gerichtliche Klärung nicht ersetzen. Jedenfalls werden die auch in der Kommission umstrittenen Themen wie Sperrwirkung der Berliner Landesverfassung, Verhältnismäßigkeit oder Entschädigungshöhe nicht ohne Gerichtsentscheidung auskommen. Diese und andere Aspekte müssen vor der ersten Enteignung belastbar geklärt sein. Sonst entstünde während der gerichtlichen Verfahrensdauer für alle Beteiligten erheblicher Schaden, der nicht mehr rückgängig zu machen wäre.
Das Berliner Prinzip "Versuch und Irrtum"
Die Entscheidungsträger wollen also juristisches Neuland erst dann betreten, wenn dessen Tragfähigkeit gerichtlich feststeht. Das steht im Gegensatz zur Wohnungspolitik in der Vergangenheit, bei der oft nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" verfahren wurde. Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit waren bei der Regulierung des Wohnungsmarktes zweitrangig.
Trotz aller Warnungen wurden unausgegorene Regelungen und Maßnahmen umgesetzt. In der Praxis blieb oft nur ein Scherbenhaufen, wenn die Gerichte die Maßnahmen wieder einkassierten. Hierfür gibt es mehrere Beispiele.
Beispiel Mietendeckel: Fehlende Gesetzgebungskompetenz
Ein besonders prominentes Beispiel ist der Mietendeckel: Der damalige Berliner Senat führte 2020 das Instrument auf Grundlage einer angenommenen Gesetzgebungskompetenz des Landes ein. Die Regelung umfasste einen Mietenstopp, Mietobergrenzen, Mietabsenkungen und die Begrenzung der Modernisierungsumlage. Zahlreiche Juristen warnten schon vor der Umsetzung des Mietendeckels, dass es dazu keine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin gibt. Denn die Regelungen zur Miethöhe finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch – einem Bundesgesetz, welches Landesgesetze in seinem Anwendungsbereich sperrt.
Dem Land fehlte also die Gesetzgebungskompetenz für die Festlegung einer Mietobergrenze für Berlin. Dies stellte erwartungsgemäß auch das Bundesverfassungsgericht im April 2021 fest. Allerdings hatte da das Gesetz bereits fast eineinhalb Jahre gegolten. Die Folge: Viele Mieter und Mieterinnen in Berlin erhielten hohe Nachzahlungsforderungen und zum Teil Kündigungen ihrer Vermieter. Demgegenüber dürfte der Mietendeckel keinen neuen Wohnraum geschaffen haben.
Beispiel Vorkaufsrecht: Präventiv und rechtswidrig
Ein weiteres gescheitertes Experiment war das extensiv genutzte Vorkaufsrecht in den sogenannten Milieuschutzgebieten. Das zur Sicherung der Bauleitplanung gesetzlich verankerte Instrument hatten seit etwa Ende 2016 insbesondere die Berliner Bezirksverwaltungen als eigenständiges Mittel im Kampf gegen die Verteuerung von Wohnraum in den Innenstädten genutzt. Die Bezirke nutzten das Vorkaufsrecht regelmäßig dann, wenn sie in der Zukunft Modernisierungen eines Mietshauses oder dessen Aufteilung in Eigentumswohnungen befürchteten.
Dabei wurde entweder das Vorkaufsrecht ausgeübt – in Berlin in der Regel zugunsten Dritter, meist städtischer Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften – oder die Käufer wurden angehalten, Abwendungsvereinbarungen zu unterschreiben. Darin verpflichteten diese sich zu Zugeständnissen, die in der Regel weit über die gesetzlichen Pflichten im Milieuschutzgebiet hinausgingen. Diese Zugeständnisse sahen etwa vor, energetische Sanierungen nur dann vorzunehmen, wenn der Eigentümer dazu gesetzlich verpflichtet ist, oder auch von einer Aufteilung in Eigentumswohnungen gänzlich abzusehen.
Erst nach fast fünf Jahren und erst in dritter Instanz erklärte das Bundesverwaltungsgericht diese Praxis des präventiven Vorkaufsrechts für rechtswidrig: Sie ist im Gesetz schlicht nicht vorgesehen. Das Schicksal der Abwendungsvereinbarungen ist noch nicht endgültig geklärt. Neben noch heute andauernden Rechtsstreiten und erheblichen Kosten bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften für den Kauf zahlreicher Mietshäuser hat das Land Berlin mit der Vorkaufsrechtspraxis nach unserer Kenntnis keinen Quadratmeter Wohnraum geschaffen.
Beispiel Aufteilungsverbot: Erhebliche Verfahrensfehler
Womit wir beim dritten Beispiel wären, dem sogenannten Aufteilungsverbot. Dabei geht es um die Beschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach § 250 BauGB. Angeführt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen versuchte der ehemalige Senat, die Anwendung des § 250 BauGB in besonderer Eile umzusetzen: Als erstes Bundesland erließ Berlin keine zwei Monate nach Inkrafttreten der Regelung im August 2021 eine Verordnung, die das Aufteilungsverbot für ganz Berlin anwendbar machte.
Dabei unterliefen dem Senat aber so erhebliche Verfahrensfehler, dass die gesamte Maßnahme weitere sechs Wochen später wiederholt werden musste. Die Behörden wandten das Aufteilungsverbot dennoch seit dem ersten Datum an. Auch in diesem Fall musste ein Gericht die Schranken aufzeigen: Das Kammergericht erklärte im Dezember 2021, die erste Verordnung für nichtig.
Berliner Wohnungspolitik: Aus Fehlern gelernt?
Diese Praxis des desorganisierten Versuchslabors ist nun offenbar mit der neuen Berliner Regierung zumindest gebremst. Die Entscheidungsträger wollen die Fehler beim Mietendeckel oder den Vorkaufsrechten in der Enteignungsdebatte nicht wiederholen. Diese Lernfähigkeit macht Hoffnung, dass die Wohnungspolitik insgesamt zukünftig wieder aus verlässlichen Maßnahmen bestehen wird.
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