"Ausgewogen, praktikabel" – ein Plädoyer fürs Immobilienrecht
Als mich die Anfrage der Redaktion für diese Kolumne erreichte, dachte ich spontan: Dazu kann ich mangels persönlicher Erfahrungen nichts Sinnvolles beitragen. Gut, ich wohne in Frankfurt am Main, dort sind Immobilien und vor allem deren Preise immer ein Thema. Und Immobilien sind für diese Stadt natürlich sehr prägend, da einige von ihnen besonders hoch sind – was ich mag. Ansonsten habe ich privat und beruflich aber nichts mit dem Immobilienmarkt zu tun.
Immobilienbranche: Ohne Juristen geht nichts
Mein zweiter Gedanke war: Ich habe diesen Sektor trotzdem jeden Tag auf dem Schreibtisch. Ich bin Chefredakteur einer juristischen Fachzeitschrift, gleichsam der "Immobilienwirtschaft" für das Rechtswesen. Womit habe ich da unter anderem zu tun? Mit Gerichtsentscheidungen zum privaten und öffentlichen Baurecht. Mit dem Streit in der Ampel über die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietrechtsänderungen. Mit der Grundsteuer, mit baurelevanten DIN-Normen, mit Prospektanforderungen bei Immobilienfonds. Kurzum: mit dem gesamten Spektrum des Immobilienrechts. Eine Erkenntnis daraus lautet: Dieser Wirtschaftszweig ist ganz schön durchreguliert. Ohne Juristen geht nichts in diesem Geschäft.
Regulierung und Bürokratie haben auch ihr gutes: Sie sind Garanten für verlässliche, nachvollziehbare und faire Entscheidungen.
Das ist gut für meine Leserinnen und Leser. Die Leserinnen und Leser der "Immobilienwirtschaft" bewerten den Umstand vermutlich etwas reservierter. Als jemand, der die aktuellen Rechtsentwicklungen beobachtet und publizistisch begleitet, ist mir die Diskussion über eine vermeintliche Überregulierung natürlich nicht entgangen. Das ist aber kein exklusives Phänomen dieser Branche. Unternehmen beklagen sich immer über zu viel Bürokratie. Nachvollziehbarerweise wird die Regulierungsdebatte im Immobilienbereich emotionaler geführt als anderswo. Immerhin geht es um einen Sektor von überragender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung. Zudem sind die Rahmenbedingungen derzeit schwierig.
Heizungsgesetz und Co.: Die Diskussion bleibt sachlich
Es überrascht daher nicht, dass auch der Fachdiskurs mit einer gewissen Schärfe geführt wird. Besonders gut zu beobachten – und auch in unseren Zeitschriften nachzulesen – war dies etwa bei den Themen Mietpreisregulierung, energetische Sanierung ("Heizungsgesetz") oder Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen. Man muss aber auch sagen, dass die Diskussion trotz aller Interessengegensätze ganz überwiegend sachlich geführt wird. Die Interessengruppen sind nach meiner Wahrnehmung grundsätzlich in einem konstruktiven Dialog. Ich habe das etwa bei einer Diskussion zwischen dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes und einem Vertreter der Immobilienwirtschaft, die ich moderiert habe, gemerkt. Die beiden haben sich in dem Streitgespräch nichts geschenkt, aber gleichzeitig immer auch Ideen ausgelotet, die die Sache im Sinne aller Beteiligten voranbringen.
Der Blick nach China zeigt: Regulierung ist von Nöten
Nochmals zur Regulierung: Hier tut sich derzeit einiges im Sinne der Immobilienwirtschaft, Bund und Länder wollen bei den Bauvorschriften ausmisten und Planungsverfahren erleichtern. Das ist gut, es gibt gewiss einige Normen, die das Bauen unnötig verteuern und erschweren. Unabhängig davon ist die Regulierung der Immobilienwirtschaft aus der juristischen Außenperspektive aber insgesamt durchaus ausgewogen und praktikabel. Und von hohen Baustandards profitieren wir schließlich alle. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Regulierung und Bürokratie auch ihr Gutes haben: Sie sind Garanten für verlässliche, nachvollziehbare und faire Entscheidungen. Und das scheint mir, auch mit Blick auf jüngste Entwicklungen etwa in China, im Immobilienbereich nicht ganz unwichtig zu sein.
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 01/2024 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Immobilienwirtschaft-App.
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