Für den Profit: Energieversorgung gehört ins Kerngeschäft
Die angepeilten CO2-Einsparungsziele der Bundesregierung stellen die Immobilienbranche vor große Herausforderungen. Sie muss signifikante Summen in die Sanierung investieren. Sonst drohen nicht nur steigende Kosten durch den CO2-Preis, sondern auch ein massiver Wertverlust unsanierter Liegenschaften mit hohem Anteil fossiler Energien. Sie bleiben darüber hinaus abhängig von der Volatilität der Energiemärkte. Abwarten ist hier keine Lösung, schon gar nicht angesichts der steigenden CO2-Kosten.
CO2-Einsparungsziele: Sanierungsquote muss deutlich steigen
Will die Immobilienwirtschaft die angepeilten CO2-Einsparungsziele der Bundesregierung erreichen, muss sie die aktuelle Sanierungsquote fast verfünffachen. 200.000 Häuser jährlich sind dafür in den nächsten 20 Jahren energetisch zu modernisieren – und das ist nur der Teil, der von der Immobilienwirtschaft vermietet und nicht privat genutzt oder vermietet wird. Grob überschlagen bedeutet das: 4.000 Projekte sind pro Woche abzuschließen. Davon ist die Immobilienwirtschaft mit einer durchschnittlichen Sanierungsquote von ein bis zwei Prozent derzeit weit entfernt.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Dass sich in der aktuellen Umbruchphase Gesetze und Fördermöglichkeiten laufend ändern, macht die Gemengelage komplex und hemmt die Investitionsbereitschaft. Zudem wird meist nur auf die Ausgabenseite geblickt, mögliche Einsparungen im Betrieb oder gar Einnahmequellen werden so übersehen. Schließlich denken viele Akteure oft nicht über die Sanierung einzelner Gebäude hinaus. Die Wirtschaftlichkeit, die sich aus CO2-Einsparungsmaßnahmen für Quartiere ergibt, bleibt deshalb häufig unberücksichtigt.
Ein großer Hemmschuh ist aber die Tatsache, dass die nachhaltige Gebäudeenergieversorgung bisher nicht Teil des Kerngeschäfts der Immobilienwirtschaft ist. Vielen Unternehmen mangelt es an entsprechendem Know-how. Im Folgenden zeigen wir auf, was zu beachten ist, um die anstehenden Aufgaben strategisch klug und wirtschaftlich auf den Weg zu bringen und zu steuern.
Stranded Investments vermeiden Der Druck zu handeln wird für Investoren nicht zuletzt dadurch erhöht, dass Gebäude künftig im Rahmen der EU-Taxonomie hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit bewertet werden. Die Branche wird sich künftig an diesem Bewertungsmaßstab messen lassen müssen. Wer nur einen geringen Anteil an "grünen" Gebäuden im Portfolio hat, wird nur noch schwer an finanzierbare Kredite kommen. Immobilien könnten mangels Kaufinteressenten als "Stranded Investment" enden. |
Zunächst muss der Immobilienbestand strukturiert und sein Fußabdruck ermittelt werden. Diese Daten sind ohnehin ab dem 1.1.2023 für die CO2-Kostenteilung gemäß Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) erforderlich. Die Bestandsaufnahme erfolgt idealerweise durch eine Clusterung des Portfolios mit sinnvollen Kriterien, wie Gebäudehülle und -technik sowie deren Alter.
Roadmap zur Dekarbonisierung
Ergänzend zu dieser klassischen "Ist-Aufnahme" ist aber zu ermitteln, welche Potenziale zur Dekarbonisierung sich durch den Einsatz erneuerbarer Energien wie Photovoltaik (PV) oder Geothermie und innovative Technik-Konzepte für die Liegenschaften ergeben. Besonders interessant ist neben den Kosten die Frage der Wirtschaftlichkeit. Durch neue Geschäftsmodelle, wie Photovoltaik zu Wärme oder Mieter- und Ladestrom für die E-Mobilität, lassen sich Einnahmen generieren und für die Refinanzierung der Investitionen nutzen.
Um die Maßnahmen möglichst kosteneffizient umzusetzen, sind Gebäude nicht einzeln zu betrachten, sondern immer im Kontext ganzer Quartiere. So lassen sich Synergien heben – hinsichtlich der Nutzung eines Nahwärmenetzes, der Geothermie und der Zusammenlegung mehrerer PV-Anlagen. Erst diese ganzheitliche Betrachtung ermöglicht es, die Potenziale zur CO2-Einsparung insgesamt zu bestimmen und den Sanierungsfahrplan möglichst effektiv aufzustellen.
Dank der geschaffenen Transparenz kann nun auch eine Roadmap zur Dekarbonisierung des jeweiligen Gebäudeportfolios aufgesetzt werden. Auf diese Weise lässt sich eine kluge Strategie über die nächsten Jahre aufstellen, die aufzeigt, wie hoch die Investitionen und auch die möglichen Cashflows ausfallen werden, was sowohl für privatwirtschaftliche Investoren als auch für Kommunen von Bedeutung ist.
Elektrifizierung der Wärmeversorgung
Mit der Erstellung einer Roadmap allein ist das Immobilienportfolio aber noch nicht dekarbonisiert. Die Roadmap ist an klaren Maßnahmen auszurichten, die den Erfolg der Dekarbonisierung bestimmen. Auch wenn es einen deutlichen Sinneswandel erfordert, kann die substanzielle CO2-Minderung nur durch die Elektrifizierung der Wärmeversorgung und die Nutzung erneuerbarer Energien funktionieren.
In der Immobilienbranche ist die Erkenntnis, dass PV eine wesentliche Rolle in der lokalen Versorgung spielen muss, schon lange angekommen. Dabei wird rund um die Dekarbonisierung bislang aber meist nur die Stromseite in den Blick genommen. Das greift zu kurz. Entscheidend ist die Wärmeseite. Hier entstehen etwa 70 Prozent der CO2-Emissionen – etwa 120 Millionen Tonnen pro Jahr allein in Deutschland. Und hier wird die Immobilienwirtschaft auch gesetzlich in die Pflicht genommen. Daher ist genau hier ein Paradigmenwechsel angesagt: Es ist notwendig, die Strom- und die Wärmeseite zusammenzudenken.
Quartiere: Ressourcen als Teil des Gesamtsystems
Das gelingt, indem lokale erneuerbare Energien maximal für die Energieversorgung vor Ort eingesetzt werden. Zunächst wird die Wärmeerzeugung durch den Einsatz von Wärmepumpen elektrifiziert. Ergebnis: Die Wärmeversorgung wird CO2-frei. Idealerweise wird ein möglichst hoher Anteil des Wärmepumpenstroms mit PV-Strom gedeckt.
Der große Vorteil für Vermieter: Der Preis dieses Teils der Versorgung ist dann von externen Preisentwicklungen unabhängig und preisstabil. Das schafft Planungssicherheit für Investoren. Aber auch Mieterinnen und Mieter profitieren. Ihre Energiekosten werden von der Preisspirale entkoppelt, die durch den Ausbau der Erneuerbaren in den kommenden Jahren auf Verbraucher zukommen, etwa aufgrund des Ausbaus der Netze, der zentralen Erzeugungskapazitäten oder Speicher. Kritiker behaupten, dass Quartiere sich so unfair von der allgemeinen Versorgung abkoppeln.
Das Gegenteil wird aber der Fall sein: Quartiere werden als Teil des Gesamtsystems ihre Energieerzeugung, ihren Bedarf und vor allem dezentrale Speicherkapazitäten (Wärme, Batterien, Wasserstoff) zur Verfügung stellen und damit einen Beitrag zur Stabilität der Versorgung leisten. Der Unterschied ist, dass Quartiere heute schon Ort des Handelns sein können und Investoren die eigene Kontrolle über die Wirtschaftlichkeit haben.
Refinanzierung: Der Schlüssel ist die Vermarktung
Wirtschaftlichkeit ist hier aber eben nicht gleich "Kosten". Der Schlüssel zur Refinanzierung der Investitionen liegt in der Vermarktung des lokal erzeugten PV-Stroms. Dabei wird der Strom aus PV für den maximalen Eigenverbrauch in der Liegenschaft eingesetzt und für neue Geschäftsmodelle verwendet. Es gilt: So viel PV-Strom wie nur möglich. Dann können die Investitionen über erneuerbare Wärme, Mieterstrom-Modelle oder die Vermarktung von Strom für die E-Mobilität refinanziert und mit einem profitablen Businessmodell verbunden werden.
Wird die Energie von PV-Anlagen dagegen, wie bislang noch meist üblich, ins öffentliche Netz eingespeist und beziehen auch Wärmepumpen oder E-Fahrzeuge Strom aus dem öffentlichen Netz, werden nicht nur Potenziale individueller CO2-Minderung regelrecht verschenkt. Es ist auch betriebswirtschaftlich unsinnig, weil die Beschaffungskosten des Stroms die Einnahmen aus der Einspeisung deutlich übersteigen. Und dieser Trend wird sich durch Kostensteigerung der allgemeinen Versorgung verstärken.
Immobilienwirtschaft: Player in der Energiewirtschaft
Durch eine intelligente Vorgehensweise, die alle Prozessschritte von der Potenzialanalyse über die konkrete Umsetzung bis hin zum ganzheitlich optimierten Betrieb der erneuerbaren Anlagentechnik und der Abrechnung von Mieter- oder Ladestrom ermöglicht, sind Renditen von bis zu zehn Prozent erreichbar. Die Dekarbonisierung wird so zum Business Case.
Damit kommt auf die Immobilienwirtschaft zwangsweise eine neue Rolle zu: Sie wird zu einem Player in der Energiewirtschaft. Das ist einerseits sinnvoll, weil damit, wie ausgeführt, notwendige Investitionen in die Dekarbonisierung refinanziert werden können. Gleichzeitig bringt es sie in die Lage, die steigenden Zusatzkosten durch den CO2-Preis zu kompensieren. Positiver Nebeneffekt: Wenn Erlöse aus der Vermarktung des lokal erzeugten Stroms genutzt werden, um die Investitionen zu refinanzieren, wird das bestehende Investoren-Mieter-Dilemma, demzufolge Vermieter investieren und Mieter profitieren, ausgehebelt. Mieter und Vermieter profitieren beiderseits.
Best-Practise-Beispiel: Rheinwohnungsbau in Duisburg
Dass signifikante CO2-Einsparungen erreicht werden können, zeigt das Beispiel Rheinwohnungsbau in Duisburg-Ungelsheim. Hier wurde ein Konzept für 129 Objekte nach dem oben geschilderten Muster erarbeitet. Dabei wurden im vergangenen Jahr bereits 25 Mehrfamilienhäuser saniert und auf PV- und Wärmepumpentechnik umgerüstet. Die Fertigstellung ist 2026 geplant. Dann werden 776 Wohnungen klimaneutral sein. Dies entspricht einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes von insgesamt 1,97 Millionen Kilogramm gegenüber dem Ausgangswert.
Dabei zeigen sich auch die Optimierungsmöglichkeiten durch standardisierte und übertragbare Konzepte. Alle Objekte stammen aus den 1960er Jahren, haben ein Satteldach und sind optimal für die Verbindung von Photovoltaik und Wärmepumpen und damit auch für Mieterstrom geeignet. Die Tatsache, dass fast ein Drittel des von Unternehmen vermieteten Gebäudebestands diesem Typ entspricht, zeigt das enorme Potenzial, mit "Blaupausen" zu arbeiten und den Planungs- und Implementierungsaufwand zu minimieren. Solche Standards sind notwendig, um das Ziel von 200.000 sanierten Gebäuden pro Jahr zu erreichen.
Natürlich sind die damit verbundenen Investitionen angesichts der derzeitigen Wirtschafts- und Zinslage zunächst eine Herausforderung. Aber es gibt Fördermöglichkeiten für die oben genannten Lösungen. Beispiele sind die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze oder die Förderung für KfW-Effizienzhausstandards. Bereits die Konzeptentwicklung ist dabei förderfähig – eine Gelegenheit, die noch viel zu selten genutzt wird.
Herausforderungen: So sind sie zu bewältigen
Trotz aller Unsicherheit und Komplexität der genannten Lösungen – alle Indikatoren zeigen in dieselbe Richtung. Wie seit einigen Jahren bereits die Energieversorgung oder die Automobilindustrie, steht nun die Immobilienwirtschaft vor einem deutlichen Wandel, der durch CO2 angetrieben ist.
Das kürzlich kommunizierte Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz (CO2KostAufG) ist dabei ein spürbarer erster Schritt. Es wird nun teurer für Immobilienunternehmen, die weiterhin kein CO2 einsparen. Wer zudem die Möglichkeit nicht nutzt, durch Nutzung preiswerter, lokal erzeugter Energie die "zweite Miete" zu begrenzen, wird es zukünftig schwerer haben, Wohnungen zu vermieten.
Der Druck zu handeln wird für Investoren nicht zuletzt dadurch erhöht, dass Gebäude künftig im Rahmen der EU-Taxonomie hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit bewertet werden. Die Branche wird sich künftig an diesem Bewertungsmaßstab messen lassen müssen. Wer nur einen geringen Anteil an "grünen" Gebäuden im Portfolio hat, wird nur noch schwer an finanzierbare Kredite kommen. Immobilien könnten mangels Kaufinteressenten als "Stranded Investment" enden.
Der Immobiliensektor steht vor der größten Herausforderung der Nachkriegszeit. Doch die Technologien für die geforderten CO2-Einsparungen sind genauso verfügbar wie die Möglichkeiten der Refinanzierung. Und das bei gleichzeitiger Planbarkeit und Stabilisierung der Kosten für Strom und Wärme – zum Vorteil von Vermieter und Mieter. Worauf warten?
Der Beitrag stammt aus der Ausgabe 12/2022 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft".
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