Klimaanpassung in den Städten: Maßnahmen gegen Extremhitze

Für Deutschland werden Ausläufer einer Hitzewelle erwartet. Das betrifft vor allem Städte, wo es durch die hohe Versiegelung bis zu 15 Grad heißer wird als im Umland. Gegen den sogenannten Heat-Island-Effekt gibt es Lösungen. Nicht nur viel Grün hilft.

Laut aktuellen Wetterprognosen stehen in Süd- und Südosteuropa neue Hitzerekorde mit Höchstwerten von 46 Grad Celcius bevor. In Italien haben Behörden wegen gefährlicher Wetterbedingungen in sieben Städten – darunter Rom – Alarmstufe Rot ausgerufen. Ausläufer dieser Hitzewelle werden auch in Deutschland erwartet. Besonders schwer trifft es Städte, wo es durch die hohe Versiegelung mit wärmespeichernden Materialien bis zu 15 Grad heißer als im Umland wird.

Darauf weist Gregor Grassl, Associate Partner und Leiter für grüne Stadtentwicklung beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer hin. Ausgewählte Projekte zeigen, was Städte gegen den sogenannten Heat-Island-Effekt tun können.

Klimawandel: Maßnahmen gegen Hitzewellen

Hilflos ausgeliefert sind Städte und Kommunen der Klimakrise nicht. Welche Maßnahmen besonders wirksam sind, das zeigen beispielsweise die von Drees & Sommer begleiteten Projekte der baden-württembergischen Stadt Rastatt, die Quartiersentwicklung Berlin TXL und die nordrhein-westfälische Kommune Dormagen. Fünf Empfehlungen gegen städtische Wärmeinseln:

  1. Für ausreichend Schatten sorgen: Die einfachste und kostengünstigste Methode, um Straßen und Freiflächen vor der Hitze zu schützen, sind Bäume oder andere Schattenelemente, wie Haltestellendächer oder Bänke. "Bäume spenden nicht nur Schatten, sie kühlen auch die Luft durch Verdunstung", erklärt Grassl. In Rastatt etwa sorgen rund 1.000 neu gepflanzte Bäumen im Stadtgebiet für kühlere Temperaturen im Sommer. Gleichzeitig nehmen Sie CO2 und Schadstoffe auf, produzieren Sauerstoff und sorgen damit für eine bessere Luftqualität.
  2. Durch Grünfassaden kühlen und Flächen entsiegeln: Für ein besseres Mikroklima spielt auch die Entsiegelung eine wichtige Rolle. "Plätze und Wege müssen nicht unbedingt asphaltiert sein. Kiesflächen wie in Biergärten oder Rasengittersteine für Parkplätze reduzieren den Hitzeeffekt und sind sogar noch kostengünstiger als Asphalt", so Grassl. Auf Verkehrsinseln empfiehlt der Experte Blumenwiesen, die noch dazu zur Förderung der Biodiversität beitragen könnten, vertikale Grünfassaden, wie sie am Stuttgarter Bürogebäude "OWP12" von Drees & Sommer auf einer Fläche von mehr als 100 Quadratmetern über drei Geschosse mit einer Höhe von zwölf Metern vorhanden sind. Dadurch heizt sich die Immobilie weniger auf, die Pflanzenwände filtern Schadstoffe aus der Luft und dämmen Lärm. Ein weiteres Plus: Das Grün bietet Lebensraum für Pflanzen und Tiere und sorgt damit für mehr Artenvielfalt.
  3. Helle Flächen mit hoher Albedo einsetzen: Auch helle, reflektierende Materialien wirken der Hitze in Städten entgegen und können an heißen Tagen eine übermäßige Wärmeeinstrahlung reduzieren. In der Stadtplanung wird das als Albedo-Effekt bezeichnet. Kurzwellige Strahlung wird reflektiert und das Material erhitzt sich nicht. Besonders positive Ergebnisse erzielt der Albedo-Effekt laut Drees & Sommer in dicht bebauten Gebieten mit großen Dachflächen. Helle Betonflächen, Pflasterbeläge aus Beton oder Naturstein oder schottergebundene Decken eignen sich am besten. Eine Kombination aus rauen Oberflächen, porösen Materialien und helleren Farben beim Belag sorgt auch für eine niedrigere Oberflächentemperatur und eine höhere thermische Speicherkapazität. Sofern erforderlich, lassen sich Oberflächen durch das Auftragen einer hellen Farbe im Nachhinein aufhellen.
  4. Nachts mit energiearmen Lösungen kühlen: Klimaanlagen wie Splitgeräte verstärken den Hitzeinsel-Effekt weiter. "Während sie den Innenraum kühlen, heizen sie durch Abwärme genau im gleichen Moment den Außenraum noch auf", erklärt Grassl. "Das führt dazu, dass noch mehr gekühlt werden muss. Ein Teufelskreis." Besser sei es, in Gebäuden auf Low-Tech-Systeme zu setzen. Hier wird viel Speichermasse im Gebäude eingebaut, um es nachts durch die Außenluft zu kühlen. Tagsüber bleiben Fenster und Türen geschlossen. Wird es nachts draußen zu warm, funktioniert dieses Prinzip nicht mehr. Als Alternativen für natürliche Kühlung lassen sich laut Grassl Fußbodenheizungen im Sommer als Kühlböden nutzen. Eine Möglichkeit bestehe darin, den Wasserkreislauf nachts abzukühlen und die Wärme aus den Innenräumen nach außen abzuführen. Auch Decken könnten als Kühlfläche genutzt werden. Auf Quartiersebene sind demnach Low-Energy-Netze sinnvoll, mit denen man heizen und kühlen kann: Im Idealfall wird Wasser im Sommer zum Kühlen verwendet, dadurch erwärmt und gespeichert. Im Winter wird das warme Wasser zum Heizen genutzt und erneut abgekühlt. Dieses Verfahren kann sich im Sommer positiv auf die Gesamtenergiebilanz auswirken.
  5. Höher bauen gegen Überhitzung: "Hochhäuser beschatten sich gegenseitig und schützen die Wohnungen vor dem Aufheizen", schlägt Grassl vor. "Damit das funktioniert, dürfen die Fensterflächen nicht mehr als 40 Prozent betragen." Ein weiterer Vorteil: Hochhäuser erzeugen Verwirbelungen und Aufwinde, was zur besseren Durchlüftung der Quartiere beitragen kann. "Gezielt eingesetzt dienen sie der Abkühlung und sind mit natürlichen Landschaftselementen wie einem Fluss vergleichbar, der neben der Kühlung durch das Wasser auch immer als Frischluftschneise und durch seine Bewegung als Durchlüftungszone beiträgt", so der Experte weiter.

Klimaschutz und Klimaanpassung: Photovoltaik oder Gründach?

"Häufig diskutieren wir darüber, ob wir entweder unsere Dächer begrünen oder sie besser mit Photovoltaikanlagen ausstatten sollten. Ersteres dient der Klimaanpassung, zweiteres dem Klimaschutz", sagt Grassl  Dabei zeigten Studien, dass sich beides kombinieren lasse und sich sogar Synergien daraus ergeben könnten. So erzielten Photovoltaikmodule auf Gründächern sogar einen höheren Ertrag, da sie durch die Kühlung des Gründaches effizienter arbeiteten.

Die Belastung durch Hitze bietet Drees & Sommer zufolge eine Gelegenheit, die Städte lebenswerter, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu gestalten. Durch gezielte Maßnahmen kann die Hitzebelastung reduziert und eine verbesserte Luftqualität, höhere Energieeffizienz und größere Biodiversität erzielt werden, wie die zugrundegelegten Projektbeispiele zeigen.

Die Stadt Rastatt hat einen 10-Punkte-Plan ausgearbeitet, der in den kommenden fünf Jahren umgesetzt wird. Mehr grün, mehr Schatten, weniger Beton soll die Stadt abkühlen. In Dormagen wird auf Basis einer Betroffenheitsanalyse ein Klimaanpassungskonzept erarbeitet. Das Stadtquartier Berlin TXL setzt auf umfassende Begrünung und Entsiegelung. Und im Heilbronner Stadtquartier Neckarbogen sorgen Dachbegrünungen, grüne Innenhöfe und das Regenwassermanagement zur Bewässerung während Dürreperioden für eine kühlere Umgebung.


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Schlagworte zum Thema:  Klimaschutz, Klimawandel, Stadtentwicklung