Mangelnde Energieeffizienz erzeugt Schrottimmobilien
Zwar gibt es seit der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das Kommunale Wärmeplanungsgesetz (KWP) sowie den EU-Vorgaben vom Dezember 2023 keinen Sanierungszwang mehr. Der ursprünglich geplante verpflichtende klimaneutrale Umbau der Gebäude hätte nach Schätzungen der Förderbank KfW allein in Deutschland 254 Milliarden Euro gekostet, wobei Mieter und Eigentümer wahrscheinlich die Hauptlast getragen hätten.
Eine Erleichterung wird es aber allenfalls kurz- und mittelfristig geben. Langfristig, und nur das gilt im Immobilienmarkt als Zeitachse, geht es weder ohne erneuerbare Energien und damit auch nicht ohne übermäßige Belastung der Betriebskosten noch ohne deutlich höhere Energieeffizienz.
Deutschland und die EU-Ziele: EH-55 statt EH-40
Energieeffizienz schlägt dann die Lage, das zumindest ist eine gar nicht mal so unwahrscheinliche Möglichkeit. Denn die EU will, dass der Energieverbrauch von Wohngebäuden nun im Schnitt bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent sinkt. Die geplante Änderung, die 2024 auch für Deutschland rechtlich bindend sein wird, ist Teil des Klimapaket "Fit for 55", mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen. Das entspricht einem Sanierungsminimum in der Effizienzhausklasse D (siehe auch Grenzwerte der Gebäudeenergieeffizienzklassen).
Im Frühjahr 2023 gab es in Deutschland einen Streit darüber, wie diese Vorgaben nun erreicht werden können. Und das mitten in der Koalition. Das grüne Bundeswirtschaftsministerium wollte den EH-40-Standard auch für Wohngebäude verbindlich machen. Die Branche wehrte sich dagegen und wurde vom SPD-geführten Bauministerium unterstützt. Im Ergebnis bleibt es bei dem bisher verbindlichen EH-55-Standard für Neubauten.
Der Hauptgrund: Der stärker gedämmte EH-40-Standard erfordert Lüftungsanlagen, die für einen höheren Stromverbrauch sorgen. Das würde die Mieter wegen der hohen Strompreise über Gebühr belasten. Wie hoch sehen denn aber die Kosten bei der Sanierung aus? Für Berlin hat das Beratungs- und Bewertungsunternehmen bulwiengesa das für die Berliner Volksbank ausgerechnet. Die Studie "Berliner Wohnungsbestand: Wie teuer ist der Weg zur Nachhaltigkeit?" kommt zu folgenden Schlüssen:
Sanierungskosten: 363 Euro pro Quadratmeter
Um den gesetzlich voraussichtlich geforderten Energieeffizienzklasse-D-Standard (80 kWh/m2 ) zu erreichen, müssten 27 Prozent der Berliner Wohnungen "energetisch ertüchtigt" werden. Bei Wohnungen, die vor 1949 gebaut wurden, liegt der Anteil sogar bei 45 Prozent.
Dafür müssten durchschnittlich 363 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche investiert werden. Je älter das Gebäude ist, desto höher sind die Sanierungskosten: Die energetische Sanierung eines Jugendstilhauses mit zwölf Wohnungen kann leicht mehr als eine halbe Million Euro kosten. Bei Plattenbauten aus den 1960er Jahren oder Gründerzeitbauten mit beispielsweise 30 Wohnungen können schnell Kosten von mehr als einer Million Euro anfallen.
Das drückt die Preise der unsanierten und steigert im Gegenzug die für sanierte Bestandsimmobilien. Auch Immobilienspezialist Jones Lang LaSalle (JLL) befürchtet durch teure Energie und hohe Verbräuche eine Spaltung des Wohnungsmarkts. Immobilien mit schlechter Energiebilanz werden schon jetzt zu höheren Preisabschlägen angeboten als energetisch effiziente Gebäude.
Hohe Preisabschläge bei schlechter Energieeffizienz
In den letzten Jahren spielten die Heiz- und Nebenkosten bei der Wohnungswahl eine weniger wichtige Rolle, so JLL. Aufgrund der hohen Strom- und Gaspreise, die zu teuren Nebenkostenabrechnungen für viele Mieterinnen und Mieter führen könnten, hat sich dies jedoch geändert. Mieter reagieren nun sensibler auf den Energieverbrauch. "Die Folge ist, dass insbesondere in Märkten mit einem Überangebot Wohngebäude mit schlechterer Energieeffizienz deutlich stärker abgestraft werden", sagt JLL-Experte Sebastian Grimm. Eine weitere JLL-Analyse mit rund 5.000 Angeboten für Mehrfamilienhäuser ergab, dass im Vergleich zu 2022 Eigentümer von ineffizienten Immobilien Preisabschläge von fast 30 Prozent zu befürchten haben.
Die Preisdifferenzierung nach Energieklasse könnte nach JLL-Einschätzung ein langfristiger Trend werden. Dies liegt zum einen an der besonderen Relevanz des Gebäudesektors für Klimaziele und zum anderen an den erwarteten hohen Baukosten in der mittelfristigen Zukunft.
ESG macht alles härter
Auch die Auswirkungen von Environmental, Social, Governance (ESG) auf die Finanzierbarkeit von Wohnungsbeständen spielt eine Rolle. Zwar gibt es Meinungen von Experten, dass dies kaum spürbare Auswirkungen haben wird. Bulwiengesa hat auch hier genauer nachgeschaut: Höhere Betriebskosten werden sich demnach negativ auf die Finanzierungen auswirken (siehe auch Interview "Für Sanierung sind Zuschüsse besser als Darlehen").
Die Prüfung des energetischen Zustandes schlägt sich auch im Beleihungswert nieder und ist bereits Teil der Kreditentscheidung – so wie zukünftig die Einhaltung der ESG-Kriterien. Als besonders wichtig wird auch hier die Energieeffizienz eines Gebäudes angesehen. Ineffiziente Gebäude der Kategorie F bis H könnten vom Finanzierungsprozess ausgeschlossen werden. Bulwiengesa sieht bereits eine Abhängigkeit von ESG-Kriterien, insbesondere in Bezug auf die Energieeffizienz von Gebäuden.
Energieoptimierung: Digitalisierungsstand der Branche ausbaufähig
ESG-Kriterien könnten also zukünftig einen erheblichen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Fremdkapital haben. Einige Finanzinstitute planen, die strategische Ausrichtung der Eigentümer und die energetische Sanierung von Objekten kritisch zu überprüfen und diese Erkenntnisse in ihr Rating sowie ihre Kreditentscheidungen einzubeziehen.
Es gäbe also viel zu tun, sollen energieineffiziente Gebäude nicht als Schrottimmobilien enden. JLL hat genau dazu die Branche befragt. Die Ergebnisse sind eher ernüchternd. Nur 24 Prozent der Unternehmen haben bereits Digitallösungen zur Energieoptimierung oder Belegungsplanung in ihren Büroflächen installiert – wobei dies eine niedrigintensive Maßnahme wäre.
Immerhin planen rund 66 Prozent, in den nächsten drei Jahren Digitallösungen einzuführen, um ihre Betriebskosten zu senken, sich vor Energiekrisen zu schützen und ihre ESG-Ziele zu erreichen. Dabei befinden sich die Unternehmen in unterschiedlichen Stadien bei der Nutzung von Datenanalysen. Einige analysieren Daten kontinuierlich oder in Echtzeit, während andere Daten nur zeitweise oder unregelmäßig erfassen.
Angesichts der Energiekrise suchen Unternehmen zudem nach schnellen und leicht integrierbaren Lösungen, die ihnen transparente Einsparpotenziale aufzeigen können. Einige Unternehmen erwägen komplexere Lösungen, die Echtzeitdaten nutzen und Prozesse eigenständig optimieren können. Diese Lösungen können auch bestehende digitale Gebäudeinfrastrukturen ergänzen. Deutsche Unternehmen sind in Bezug auf Investitionen in Remote-Working und ESG-Tools möglicherweise zurückhaltender, da sie zögerlicher sind, Drittanbieter zu beauftragen und Tools auszulagern. Zudem kann der Aufbau hausinterner Kompetenzen im Bereich Digitallösungen vom Fachkräftemangel beeinträchtigt werden.
Empfehlung: Effizienz und Ausstieg aus Fossilien
Das DIW empfiehlt als kurzfristige Alternative eine Kombination aus energetischen Sanierungen und dem Wechsel zu nicht fossilen Energieträgern. Eine schrittweise Erhöhung der Sanierungsrate wäre der richtige Ansatz. Doch davon ist man derzeit weiter entfernt als zuvor – Stichwort Förderkürzungen, steigende Baukosten und Fachkräftemangel. Dafür müsste eine solche Sanierungsrate zudem sowohl für die verarbeitende Industrie, die Vorleistungen wie Isoliermaterial oder Glas produziert, als auch für die Bauindustrie und das Handwerk abgesichert sein.
Das DIW fordert deswegen eine klare politische Festlegung auf ein Sanierungsziel, das in der EU-2030-Governance und im nationalen Klimaschutzgesetz verankert sein sollte. Und: Durch die Priorisierung der Sanierung der ineffizientesten Wohngebäude können insbesondere einkommensschwache Haushalte nachhaltig vor Energiekostenschocks geschützt werden, während gleichzeitig die höchsten Gas- und CO2 -Einsparungen erzielt werden können. Wenn beide Maßnahmen kombiniert würden, so das DIW, entstünde eine robuste Perspektive für die notwendigen Investitionen in zusätzliche Kapazitäten im Baustoff- und Bausektor.
Als ob dieser Prozess nicht schon komplex genug wäre, kommt noch der ewige Faktor Zeit, oder das Anrennen dagegen, hinzu. Die Alterswertminderung bei Immobilien ist zwar von verschiedenen Faktoren abhängig, dennoch schreitet sie unaufhaltsam voran.
Energetische Sanierung bremst Alterswertminderung
Energetische Maßnahmen und Investitionen könnten die Restnutzungsdauer eines Hauses verlängern, so der Immobilienbewerter Heid. Das könnte auch die Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes verlängern und im Gegenzug die Alterswertminderung verringern. Wenn beispielsweise bei einem 20 Jahre alten Gebäude durch Modernisierungsmaßnahmen die Gesamtnutzungsdauer von 100 auf 120 Jahre erhöht wird, sinkt die Alterswertminderung von 20 Prozent auf etwa 16,7 Prozent.
Wenn übliche Instandhaltungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt werden, kann dies die Restnutzungsdauer hingegen verkürzen und somit die Alterswertminderung erheblich beeinflussen, so etwa veraltete Leitungen oder einfach verglaste Fenster.
Wird ein Gebäude zudem für einen anderen Zweck genutzt als ursprünglich vorgesehen, so Heid, kann dies ebenfalls signifikanten Einfluss auf die Alterswertminderung haben, etwa wenn ein Bürogebäude als Verpflegungseinrichtung verwendet wird. Und der Klassiker: Baumängel, die bereits bei der Errichtung eines Gebäudes auftreten, sind auch nicht gerade förderlich.
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 01/2024 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Immobilienwirtschaft-App.
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