Zweckentfremdung von Wohnraum: VGH Bayern stärkt Eigentümer

Neubau ist von der Mietpreisbremse explizit ausgenommen. München hat es über eine Klausel in der Zweckentfremdungssatzung trotzdem versucht: Nach dem Abriss eines Mietshauses sind die Mieten für die neuen Wohnungen reguliert. Das überschreitet die gesetzlichen Kompetenzen, entschied der VGH Bayern.

Wer in München ein Mietshaus abreißt, muss neue, bezahlbare Mietwohnungen in vergleichbarer Lage bauen. Der Preis der neuen Mietwohnungen darf nach diesen Vorgaben nicht über dem Niveau des Mietspiegels ("Mietklausel") liegen, teure Eigentumswohnungen als Ersatz sind tabu. So hatte das der Stadtrat 2019 mit der verschärften Zweckentfremdungssatzung beschlossen. In Kraft getreten sind die Änderungen am 1.1.2020. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH, Beschluss v. 20.1.2021; Az.: 12 N 20.1706) hat die Neuregelungen nun gekippt.

Die Stadt sei nicht ermächtigt gewesen, die Regeln zu erlassen, entschieden die Richter, Kompetenz hätten nur die Länder und der Bund. Damit gab das Gericht dem Eigentümerverband Haus & Grund München recht, der vergangenes Jahr die Überprüfung der Änderungen in der Satzung in einem Normenkontrollverfahren beim VGH beantragt hatte.

Zweckentfremdungsverbot: Schutzzweck muss Einschränkungen rechtfertigen

Das Zweckentfremdungsverbot erschöpfe sich "im Bestandsschutz von Wohnraum" und soll "lediglich eine Verschlechterung oder zusätzliche Gefährdung der Versorgungslage der Bevölkerung" verhindern, erklärte der VGH. Dieser Schutzzweck rechtfertige es nicht, dem Eigentümer unter Einschränkung seiner Verfügungsbefugnis zu verwehren, veralteten Wohnraum durch neuen zu ersetzen.

Bei einer Zweckentfremdungsgenehmigung dürften keine einschränkenden Nebenbestimmungen hinzugefügt werden, "ebenso wenig muss der Eigentümer neu geschaffenen Ersatzwohnraum dem Wohnungsmarkt zu den gleichen Mietpreisbedingungen zur Verfügung stellen wie zuvor den veralteten durch Abriss zweckentfremdeten Wohnraum", heißt es in dem Beschluss. Das Zweckentfremdungsverbot gestatte keine Mietpreisregelung. Der Eigentümer darf eine die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigende Miete fordern für veralteten Wohnraum ebenso wie für Ersatzwohnraum, der anstelle des abgebrochenen veralteten Wohnraums geschaffen wird.

Der Genehmigungsvorbehalt darf nicht als Mittel eingesetzt werden, um "allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen" auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden.

Genehmigung zur Zweckentfremdung: "Näheklausel" als Bedingung unwirksam

Für unwirksam erklärt haben Bayerns oberste Verwaltungsrichter auch die sogenannte "Näheklausel" in der Münchner Satzung, die vorschreibt, dass der Ersatz für die abgerissenen Mietwohnungen im demselben Stadtbezirk "wie der zweckzuentfremdende Wohnraum oder in vergleichbarer räumlicher Nähe zum zweckzuentfremdenden Wohnraum" entstehen müssen. Auch in diesem Fall verneinte das Gericht die Befugnis der Stadt.

An welcher Stelle der Wohnraum innerhalb des Gemeindegebiets weg fällt, ist für das Gericht nicht von Bedeutung. Maßgeblich ist demnach alleine eine ausgeglichene Gesamtbilanz. Und diese werde durch den Bau von Ersatzwohnungen in anderen Stadtteilen des Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt, so die Richter: "Ungeachtet dessen ist den Normerlassunterlagen zu entnehmen, dass in den letzten zehn Jahren in durchschnittlich 97 Prozent aller Fälle der Ersatzwohnraum auf dem gleichen Grundstück errichtet wurde."

VGH rüffelt die Staatsregierung

Die bayrische Regierung rügte der VGH am Ende des Beschlusses. Das Bauministerium hatte das Vorgehen in München in einer Stellungnahme vom 30.10.2020 ausdrücklich für rechtswidrig erachtet. "Es kann deshalb nur befremden, dass das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr das Handeln der Landeshauptstadt aber selbst nicht die Kraft findet, das gesetzwidrige Handeln der Landeshauptstadt rechtsaufsichtlich zu beanstanden, sodass der Antragsteller verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen musste, um seine Rechte zu wahren", schreiben die Richter.

Die Münchner Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) fordert nun die Bundesregierung und die bayrische Landesregierung auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit in den Ballungsräumen entsprechende Mieterschutzsatzungen möglich werden: "Wir haben mit dieser Satzungsänderung versucht, bestehenden Mietwohnraum bestmöglich zu schützen. Denn es ist leider gängige Praxis, dass im Falle des Abbruchs von Mietwohnraum trotz akzeptabler Bausubstanz und gutem Erhaltungszustand, im Neubau Eigentumswohnungen entstehen, die sich nur noch sehr wenige leisten können." Sie kündigte außerdem an, dass das Sozialreferat "gewillt" sei, hier alle weiteren möglichen rechtlichen Schritte einzuleiten.

In Frage kommt im nächsten Schritt als Rechtsbehelf nur eine Nichtzulassungsbeschwerde, weil eine Revision vom Gericht nicht zugelassen wurde.


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