Ausgezeichnetes Neubaukonzept: Wohnen statt Parken
Nachverdichtung ist ein Schlagwort, das in zahlreichen Groß- und Mittelstädten heiß diskutiert wird. Vielerorts arbeiten Wohnungsunternehmen und Projektentwickler an Konzepten, wie ungenutzte oder schlecht genutzte Areale in der Innenstadt einer Wohnnutzung zugeführt werden können. So hat zum Beispiel im Sommer 2020 der zur Unternehmensgruppe Tengelmann gehörende Projektentwickler Trei Real Estate angekündigt, verstärkt das Potenzial zur Überbauung von eingeschossigen Supermärkten und Discountern zu prüfen.
In München machte die kommunale Gewofag Holding GmbH Schlagzeilen mit ihrer Überbauung des Parkplatzes am Dantebad; jetzt lässt sie die Überbauung eines Parkplatzes am Reinmarplatz folgen. Und in Konstanz sorgt die Wobak Städtische Wohnungsbaugesellschaft mbH für Aufsehen, weil sie auf einem kaum genutzten Parkdeck sechs Reihenhäuser schuf.
"Wir haben mit dem Projekt offenbar den Nerv der Zeit getroffen", sagt Wobak-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch. Und damit hat er zweifellos recht: Obwohl das Vorhaben mit Baukosten von rund 1,8 Millionen Euro recht klein ist, heimst das Unternehmen dafür einen Preis nach dem anderen ein. Um die beiden wichtigsten zu nennen: Zu Beginn des Jahres gab es den Deutschen Bauherrenpreis; jetzt kam der DW-Zukunftspreis der Immobilienwirtschaft hinzu. "Das Projekt", betont die Zukunftspreis-Jury, "verbindet bezahlbares Bauen und Wohnen mit einem innovativen Nachverdichtungs- und Nachnutzungskonzept sowie gelungener Architektur".
Reihenhäuser statt Lagerräume
Realisiert wurde das Vorhaben am Standort eines in den 1980er Jahren errichteten zweigeschossigen Parkdecks in der Goethestraße. Für die Parkplätze gab es kaum Bedarf, die obere Ebene diente vornehmlich der Lagerung von Booten (der Bodensee ist schließlich ganz nah) und anderen Gegenständen. Auf der Tiefgaragendecke sind jetzt sechs winkelförmige Reihenhäuser entstanden, die sich über eine Länge von 70 Metern erstrecken.
"Auf die Idee kamen wir, weil das Parkdeck ohnehin saniert werden musste", blickt Wobak-Architekt Hannes Meyer zurück. "Zunächst dachten wir in Richtung Lagerraum, entwickelten dann aber die Planung mit Reihenhäusern." Dafür gibt es einen guten Grund: Der Wohnungsmarkt in der rund 86.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt an der Schweizer Grenze ist sehr angespannt. Außerdem stehen auch keine großen Stadterweiterungsflächen zur Verfügung, wie Wobak-Chef Götsch erklärt. Ein Vorteil war dabei nach seinen Worten, dass das Grundstück bereits dem Unternehmen gehörte. Weil die Grundstückspreise in Konstanz ausgesprochen hoch sind, fiel dadurch schon einmal ein Drittel der Kosten weg. Nur: Wie baut man auf einem Parkdeck Reihenhäuser?
"Das Hauptproblem war das Gewicht", sagt Architekt Meyer. "Das Parkdeck hat nur eine auf Pkw dimensionierte Tragfähigkeit, die nicht überschritten werden durfte." Aus diesem Grund entschied sich das Unternehmen für eine Holz-Leichtbauweise, bei der neben Holz auch zementgebundene Faserplatten verwendet wurden. Als Glücksfall erwies es sich dabei laut Meyer, dass das beim Bau des Parkdecks tätige Statikbüro noch immer existiert und sogar noch über die ursprünglichen Pläne verfügt. Außerdem kam zur Bauzeit hochwertiger Beton zum Einsatz, da Betonstahl damals sehr teuer war. Die Festigkeit des Betons hat seither zugenommen, was sich bei der Aufstockung vorteilhaft auswirkte. Als einziger statischer Eingriff war deshalb der Einbau von zwei zusätzlichen Stützen in der Tiefgarage erforderlich.
Eine weitere Herausforderung bestand darin, eine ansprechende und gleichzeitig funktionale Architektur zu entwickeln. Denn die sechs neuen Reihenhäuser liegen an der relativ stark befahrenen Wollmatinger Straße. Die Lösung: Die Reihenhäuser umfassen zwei Etagen, wobei die oberen Geschosse durch Glasschirme miteinander verbunden sind. Dadurch ergibt sich pro Einheit eine verglaste Terrasse, die gleichsam als grünes Außenzimmer dient und einen Ausblick auf den Bodensee und das Konstanzer Münster erlaubt. Gleichzeitig schirmt die Kombination aus Winkelhäusern und verglasten Terrassen die dahinter liegenden Bestandsgebäude vom Verkehrslärm der Wollmatinger Straße ab. Dadurch, lobt die Jury des DW-Zukunftspreises, sorge das Projekt für eine Aufwertung des gesamten Quartiers.
Wirtschaftlich trotz günstiger Mieten
Vermietet worden sind die (frei finanzierten) Reihenhäuser für durchschnittlich rund 9,70 Euro pro Quadratmeter. "Damit liegen wir deutlich unter dem Mietspiegelwert von 13,50 Euro pro Quadratmeter", sagt Wobak-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch. "Als kommunales Unternehmen haben wir die Aufgabe, unsere Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten anzubieten." Trotzdem ist das Projekt mit Baukosten von zirka 2.400 Euro pro Quadratmeter (KG 300 + 400) für die Wobak wirtschaftlich.
Neben dem Umstand, dass sich das Grundstück bereits im Eigentum des Unternehmens befand, trugen dazu mehrere Faktoren bei. So hat die Wobak laut Götsch viel Erfahrung in der Errichtung bezahlbarer Wohnungen, und der kompakte Bau und die intelligenten Grundrisse nutzen die zur Verfügung stehende Fläche bestmöglich aus. Kostensparend wirkte sich zudem aus, dass die Planung in den Händen der hauseigenen technischen Abteilung lag.
Günstig sollen auch die Nebenkosten sein. Die Neubauten sind deshalb an das bestehende Blockheizkraftwerk in der Tiefgaragenrampe angeschlossen. Strom liefert zudem eine Photovoltaikanlage auf den Dachflächen, wobei die Wobak mit den örtlichen Stadtwerken als Contractingpartner zusammenarbeitet. Den so erzeugten Strom können die Mieter als günstigen Mieterstrom beziehen. Dabei unterstreicht Geschäftsführer Götsch eine von der Wohnungswirtschaft immer wieder erhobene Forderung: Das Thema Mieterstrom werde "erst dann richtig fliegen, wenn Mieter und Eigentümer von Einfamilienhäusern gleichgestellt werden".
Auf andere Städte übertragbar?
Dass das Konstanzer Projekt so großes Aufsehen erregt, dürfte damit zusammenhängen, dass es auch in vielen anderen Städten Grundstücke gibt, die sich besser nutzen lassen. Das Projekt lade "zur landesweiten Nachahmung ein", betonte denn auch die Jury des Deutschen Bauherrenpreises. Ist das Modell tatsächlich auf andere Wohnungsunternehmen übertragbar?
Die Wobak sieht das differenziert. "Eine effiziente Flächenausnutzung ist das Gebot der Stunde", sagt Geschäftsführer Götsch. "Das Projekt Goethestraße zeigt, dass ohnehin notwendige bauliche Maßnahmen ein guter Zeitpunkt für eine Aufstockung sein können. Hier stecken noch große Potenziale für mehr Wohnraum in den Ballungsräumen." Ob eine Aufstockung technisch und wirtschaftlich sinnvoll sei, hänge aber von den spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Objekts ab. Im eigenen Bestand verfügt die Wobak über eingeschossige Ladenzeilen, die nach Angaben von Architekt Hannes Meyer grundsätzlich für eine Überbauung in Frage kommen.
Und wie sieht es eigentlich mit der Akzeptanz der Aufstockung in der Goethestraße aus? "Wir haben bei diesem Projekt nur positive Rückmeldungen bekommen, was bei Nachverdichtungsmaßnahmen sonst ja oft nicht der Fall ist", berichtet Geschäftsführer Götsch. "Auch die Anwohner sind zufrieden, weil wir einen Schandfleck beseitigt haben und weil die baubedingten Belästigungen durch die kurze Bauzeit gering waren."
Dieser Beitrag erschien im Fachmagazin "DW Die Wohnungswirtschaft", Ausgabe 10/2020.
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