Neben den etablierten Softwarelösungen gibt es mittlerweile 500 PropTechs in Deutschland, die jeweils eine oder mehrere digitale Lösungen für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft anbieten – hauptsächlich Anwendungen zur Bewirtschaftung von Immobilien: vom einfachen Tool bis hin zum komplexen ERP-System mit Buchhaltung, Abrechnung, Mieterverwaltung und mehr.
Einerseits ist diese Angebotsvielfalt ein Gewinn, denn Hausverwaltungen können aus dem Vollen schöpfen. Andererseits stehen sie damit vor der schwierigen Frage, welche Lösung denn nun die richtige ist für das eigene Unternehmen.
Das Dilemma: Viele Digitalisierungsbaustellen – wenig Zeit
Die Qual der Wahl beobachte ich vor allem bei Hausverwaltungen mittlerer Größe. Hier ist die Digitalisierung ein besonders drängendes Thema, um Prozesse effizienter und leichter zu machen, den internen Informationsaustausch zu verbessern und Kundinnen und Kunden moderne Services zu bieten. Der Modernisierungsdruck ist ungleich höher als bei ganz kleinen Hausverwaltungen, bei denen alle Fäden bei der Chefin oder dem Chef zusammenlaufen, und die meist nur ein Abrechnungstool, ein Handy und eine Telefonumleitung brauchen, um digital gut ausgestattet zu sein.
Allerdings haben die Entscheiderinnen und Entscheider der mittelgroßen Hausverwaltungen nur wenig Zeit, sich ausführlich um die notwendigen Digitalisierungsschritte oder gar um einen detaillierten Plan dafür zu kümmern. Anders als die Führungskräfte der großen Unternehmen, die 5.000 Einheiten und mehr verwalten und mit mehreren Abteilungen und vielen Mitarbeitenden sehr arbeitsteilig organisiert sind, sind sie oft noch (viel zu) stark ins operative Geschäft eingebunden.
Um das Dilemma auf den Punkt zu bringen: Digitalisierungsdruck ist da, die für eine sorgfältige Auswahl notwendige Zeit nicht.
Wege aus dem Dilemma
Und nun? Glücklicherweise gibt es einen Weg aus diesem Dilemma. Sie erkennen ihn, wenn Sie die folgenden Richtungshinweise beachten.
Wegweiser 1: Umgehen Sie die "Digitalisierung um jeden Preis"-Falle
Lassen Sie sich nicht vom Hype um die Digitalisierung unter Druck setzen. Druck verführt im Allgemeinen zu übereilten Entschlüssen und hier im Speziellen zu Lösungen, die in Relation zum tatsächlichen Bedarf zu mächtig oder zu allgemein oder zu speziell sind, um echten Nutzen zu stiften. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie sollte immer einem bestimmten Zweck dienen, beispielsweise Arbeitsprozesse effizienter machen, eine reibungslose Kommunikation mit Eigentümerinnen und Eigentümern oder Dienstleistern gewährleisten, überlastete Mitarbeitende entlasten oder lästige Routinearbeiten minimieren. Fragen Sie also zuerst nach Ihrem ganz speziellen Warum, bevor Sie sich mit konkreten Lösungsangeboten beschäftigen.
Wegweiser 2: Schritt für Schritt, nicht "hopplahopp"
Es gibt keinen Königsweg für die Digitalisierung, der Idealschritte in einer bestimmten Reihenfolge vorgibt. Aber eines sollten Sie immer tun: Machen Sie kleine Schritte – und zwar einen nach dem anderen. Ist eine Lösung gefunden und implementiert, betrachten Sie den nächsten Prozess und so weiter und so fort.
Alles auf einmal umstellen? Keine gute Idee, zumindest dann nicht, wenn Sie erst am Anfang stehen. Digitalisierungsprojekte sind Change-Projekte, die nicht nur aufwendig sind, sondern immer auch Abschied von alten Gewohnheiten bedeuten und daher auch mit Schmerz und Wehmut einhergehen. Lassen Sie sich und den Mitarbeitenden genügend Raum für die Umstellung.
Wegweiser 3: Digitalisieren Sie dort, wo es am meisten weh tut
Aufwand und Kosten für eine digitale Lösung amortisieren sich letztlich nur dann, wenn diese die wunden Punkte, die Painpoints, im Unternehmen heilt. Sie sind von Hausverwaltung zu Hausverwaltung anders und insbesondere nicht immer von der Anzahl der verwalteten Einheiten abhängig. Ihre Schmerzpunkte und damit die Aspekte mit dem größten Optimierungspotenzial identifizieren Sie mit den folgenden, recht simplen Fragen:
- Welche wichtigen Routinen kosten uns am meisten Zeit und Nerven, wo brauchen die Mitarbeitenden also dringend bessere Unterstützung?
- Und welche der betroffenen Prozesse wiederholen sich in hoher Frequenz?
Beispiele:
Bei einer kleinen Hausverwaltung, die sich um 400 Einheiten kümmert, ist fraglich, ob sie eine digitale Lösung zum Managen des Mieterwechsels braucht. Liegen die Einheiten jedoch alle in einem Studentenwohnheim, in dem die Fluktuation der Mieterinnen und Mieter bekanntlich hoch ist, besteht durchaus Anlass, den Mieterwechsel zu digitalisieren.
Eine Outlook-Schnittstelle, mit der Sie E-Mails direkt in die Arbeitsprogramme einbinden und den Eigentümer-Akten zuweisen können, lohnt sich fast immer. Wenn im Unternehmen jeden Tag viele E-Mails von Eigentümerinnen und Eigentümern oder Dienstleistern eingehen und mehrere Mitarbeitende involviert sind, die über den Posteingang informiert sein sollten, liegt die E-Mail immer am richtigen Ort, also bei dem Vorgang und in der Mieter- und Objektakte. Sind Sie eine One-Woman- oder One-Man-Show mit einem sehr übersichtlichen E-Mail-Aufkommen, können Sie sich allerdings überlegen, ob Sie das Digitalisierungsbudget nicht anderweitig einsetzen.
Tipp: Am besten nicht alleine gehen
Sprechen Sie ihren ERP-Hersteller an und fragen nach möglichen "next steps". Guter Rat muss nicht teuer sein. Gute Beraterinnen und Berater, insbesondere Digitalisierungsexpertinnen und -experten, können dabei helfen, aus der Vielfalt an digitalen Lösungswegen die passende Richtung für Ihre Hausverwaltung herauszufiltern.