Wohnungsbau im 3D-Druck: Nur Trend oder Mittel der Zukunft?
Ein Forscher, ein Planer, ein Gebäudedrucker und ein Branchenexperte betrachten die aktuelle Lage mit Blick auf ein Muster-Einfamilienhaus in Beckum (Nordrhein-Westfalen), das mit Hilfe eines 3D-Druckers in nur 100 Stunden gebaut wurde. Fast parallel dazu entstand auch das erste Mehrfamilienhaus Europas in Weißenhorn-Wallenhausen bei Ulm (Baden-Württemberg). Beide Gebäude sorgten bundesweit für Schlagzeilen.
Das Haus aus dem 3D-Drucker: Wie steht es mit der Nachhaltigkeit?
Beim Blick auf die ersten Häuser, die aus dem Drucker kommen, steht vor allem das verwendete Material im Fokus der Bestandsaufnahme. Dr. Moritz Mungenast, Forscher und Architekt, sagt: "Der 3D-Druck bietet viele Perspektiven, kann aber in der Umsetzung wie bei den aktuellen Projekten des Einfamilien- und des Mehrfamilienhauses nicht die Zukunft sein, weil Beton zu viele Eigenschaften hat, die nicht nachhaltig sind."
Unterstützt wird er in dieser Hinsicht von Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW in Berlin. Beton als Baustoff stehe unter Nachhaltigkeitsaspekten "in einem gewissen Licht". "Es wird entscheidend sein, ob auch ein Zementprodukt oder andere Rohstoffe zum Einsatz kommen, die eine bessere Klimabilanz haben", so Viehrig. Bei dem aktuell eingesetzten Verfahren sei zudem ein Sand mit sehr feiner Konsistenz notwendig – und der stünde nicht unbegrenzt zur Verfügung.
Beton: Viel Sicherheit, aber auch größter Kritikpunkt
Bei beiden Modellhäusern lag der Fokus im 3D-Druck der Innen- und Außenwände mit Beton. Aus Sicht der "Macher" ist Beton das Material, das sich für die ersten Objekte angeboten hat. Waldemar Korte, Architekt des Einfamilienhauses in Beckum, erklärt: "Beton als altbewährtes Material zu verwenden, war der einzige Weg zur Genehmigung. Hätten wir recyceltes Material eingesetzt, wären wir in drei Jahren noch nicht so weit gewesen." Hintergrund ist, dass es für die Druckbauweise bisher noch kein behördliches Regelwerk gibt. Die Genehmigung für ein gedrucktes Haus erteilt auch nicht die örtliche Behörde, sondern die oberste Baubehörde des Landes muss in jedem Einzelfall zustimmen. "Hätte ich für das Musterhaus anderes Material verwenden müssen, dann hätte ich die Finger davongelassen", so der Architekt.
Das sieht Fabian Rupp, Geschäftsführer der Firma Rupp Bauunternehmen, der das Mehrfamilienhaus gebaut hat, ähnlich. Er beschreibt aber auch die Vorteile des Materials: "Ein Haus aus dem 3D-Betondrucker ist hinsichtlich Stabilität, Haltbarkeit und KfW-55-Standard vergleichbar mit einem konventionell errichteten Haus. Für den 3D-Betondruck brauchen wir allerdings weniger Material als für die konventionelle Bauweise – und vor allem bleibt weniger Überschuss und es wird weniger weggeworfen."
In der Forschung: Nachhaltiges Material für den 3D-Druck
Während bei den aktuellen Musterhäusern noch auf Beton gesetzt wird, testen Wissenschaftler an deutschen Universitäten bereits Drucker, die Materialien mit nachhaltigen Eigenschaften verarbeiten. In München (Bayern) werden neue Verbundwerkstoffe erforscht, die – beispielsweise durch die Zugabe von Holzspänen in den Beton – eine höhere Wärmedämmung ermöglichen. In Dresden (Sachsen) forschen Experten an Lösungen mit Kohlenstofffasern, die für Stabilität sorgen sollen. Das Ziel ist hier, aus dem Druckkopf einen Faden aus Carbongarn in den Betonstrahl einzuarbeiten, um mehr Stabilität zu erreichen.
Ein weiteres Forschungsprojekt befasst sich an der Technischen Universität (TU) in München mit der Frage, wie aus Fichtenspänen Holzlösungen gedruckt werden können. Dabei werden feine Fichtenspäne aufgebracht, zu denen eine computergesteuerte Düse Klebstoff hinzugibt und unter Druck daraus eine Art Pressholz entsteht, das viel stabiler sein soll als jede bisher bekannte Spanplatte.
Noch Zukunftsmusik: Multifunktionale Wände aus dem Drucker
Für Mungenast, der auch einen Lehrstuhl an der Internationalen Hochschule Mannheim (Baden-Württemberg) hat, wird die Zukunft weder im 3D-Druck mit Beton, noch in der Herstellung kompletter Gebäude liegen. "Es muss gelingen, Lösungen mit Materialien zu finden, die sich in wiederverwertbare Einzelteile – am besten aus nachwachsenden Rohstoffen – zerlegen lassen", sagt der Forscher und Architekt.
Der Mehrwert des 3D-Drucks zeigt sich laut Mungenast erst, wenn es gelingt, multifunktionale Wände zu drucken, die mit neuartigen Gemischen das Prinzip Wand mit Dämmschicht ersetzen und gleichzeitig stützen, dämmen, kühlen und sogar Energie speichern. Diese Technik erfordere ein neues Denken, das weit über die Musterobjekte hinausgehe. "Potenziale gibt es nur mit nachhaltigeren Materialien", so Mungenast.
Kostenvorteil beim 3D-Haus: eine Frage der Zeit
Einig sind sich die Experten, wenn es um die Frage der Wirtschaftlichkeit des 3D-Drucks geht. Bis der 3D-Druck auf dem Markt mit anderen Bauweisen konkurrenzfähig sei, werde es noch einige Zeit dauern, ist Architekt Korte überzeugt. Derzeit liegen die Kosten bis zu 15 Prozent über den Kosten für ein vergleichbares Objekt. Korte erwartet jedoch, dass schon in drei Jahren eine Kostenneutralität erreichen werden könnte, vorausgesetzt, es werden mehr 3D-Häuser gebaut, Erfahrungen gesammelt, Materialien weiterentwickelt und Druckertechniken preiswerter.
Mungenast glaubt nicht, dass sich die 3D-Bauten zu einem Produkt mit industriellem Charakter entwickeln werden, aber dass sich in zehn bis 15 Jahren Individuallösungen ohne Mehrkosten im Vergleich zu klassischen Bauweisen durchsetzen werden.
Nahezu euphorisch klingt die Einschätzung von Bauunternehmer Rupp: "Das Bauverfahren geht schnell, das spart Kosten. Bei einer gründlichen Planung werden Ausführungsfehler minimiert." Der 3D-Druck ermögliche Formen, für die in konventioneller Bauweise ein teurer Sonderschalungsbau notwendig sei. "Alle diese Vorteile führen am Ende zu einer erheblichen Zeit- und Kostenersparnis", so der Macher – für ihn steht fest: Je mehr in 3D gebaut wird, desto günstiger wird das Material und desto größer die Routine am Bau.
Aus Sicht des GdW-Experten Viehrig wird die Frage der Kosten des 3D-Drucks ganz entscheidend sein. Beim 3D-Druck werde es darauf ankommen, wie die unterschiedlichen Gewerke effizient eingebunden werden können, damit es nicht nur beim Rohbau in 3D bleibe.
3D-Bauweise: Alternative für die Wohnungswirtschaft?
Bei der Frage, ob der 3D-Druck für Wohnungsunternehmen eine Lösung für die Zukunft sein kann, muss der Blick auf die Mieter gerichtet werden. Wie fühlt es sich an, in einem gedruckten Haus zu leben? Dazu sagt Rupp in Bezug auf sein Bauprojekt: "Fünf Mietparteien sind schon eingezogen und fühlen sich in ihrem neuen Zuhause sehr wohl." Sie würden es im Alltag nicht spüren, dass das Haus gedruckt worden sei.
"Das ist nicht vergleichbar mit Betonbauten aus früheren Zeiten", ergänzt Architekt Korte. Er hält auch große Mehrfamilienhäuser für möglich. Den Verantwortlichen von Wohnungsunternehmen empfiehlt er, sich ein Musterhaus anzusehen. Sein Büro "Mense + Korte Ingenieure + Architekten" hat bereits weitere Projekte in der Pipeline. Korte ist überzeugt, dass das Marktpotenzial für die neue Bauweise wachsen wird. Ein weiterer Vorteil sei: "3D-Druck erfordert deutlich weniger Personal auf den Baustellen im Vergleich zu bisherigen Bauverfahren. Das wird in den nächsten Jahren die Entwicklung der Technik zusätzlich beschleunigen."
Fazit: Haus per Knopfdruck – noch ein weiter Weg
Das, was in diesem Bereich im Moment passiere, sei technisch für den Einsatz im großen Stil noch nicht ausgereift, meint Diplom-Ingenieur Viehrig vom GdW. Er erwartet, dass sich die Wohnungsunternehmen den neuen Möglichkeiten nur langsam annähern werden. Alles, was die Branche baue, werde über Jahrzehnte im Eigenbestand genutzt – es werde mit Blick auf Innovationen eher vorsichtig agiert. "Die Vision, ein Haus per Knopfdruck auf dem Computer zu bauen, ist spannend, der Weg bis dahin aber noch weit", so Viehrig.
Das Fazit der Experten lässt sich auf einen Nenner bringen: Die neue 3D-Drucktechnik steht erst ganz am Anfang. Sie wird aus Nachhaltigkeits- und Klimaaspekten für eine Marktreife weit mehr bieten müssen, als nur die Verarbeitung von Beton. Die Wirtschaftlichkeit, der Einsatz nachhaltiger Rohstoffe und die Perspektive, Material und Personal effizienter einsetzen zu können, wird entscheidend sein, ob der 3D-Druck mit klassischen Bauweisen konkurrenzfähig wird.
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