LAG: Abmahnung eines Redakteurs rechtmäßig
Der Kniff in seinen Bauchspeck auf einem Firmenevent war für einen Redakteur ein derart wesentliches Ereignis, dass er nicht auf einen entsprechenden Hinweis in einem Beitrag verzichten wollte. Das lehnte sein Arbeitgeber, der Verlag eines Wirtschaftsmagazins, jedoch ab. Dennoch veröffentlichte der Redakteur die Geschichte über das von ihm als übergriffig empfundene Verhalten einer Unternehmerin ohne die Einwilligung des Arbeitgebers – im Zusammenhang mit der #MeToo-Debatte in einem anderen Medium.
War die daraufhin erfolgte Abmahnung durch den Arbeitgeber rechtmäßig? Das LAG Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob aufgrund der Fremdveröffentlichung arbeitsrechtlich eine entsprechende Pflichtverletzung vorlag oder ob durch den geschilderten Kniff die persönliche Betroffenheit des Redakteurs überwiegt.
Abmahnung aus der Personalakte entfernen
Der Arbeitnehmer ist als Redakteur eines Wirtschaftsmagazins tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften (MTV) Anwendung. Gemäß § 13 Nr. 3 MTV bedarf die Verwertung einer dem Redakteur bei seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht der Einwilligung des Verlags.
Der Redakteur sollte im konkreten Fall für seinen Arbeitgeber über einen Firmenevent berichten. Bei der Feier ereignete sich der Vorfall, bei dem die prominente Unternehmerin dem Redakteur in die Seite griff, um seinen angeblich vorhandenen Speck zu "überprüfen". Mit der Aussage, er „habe zu viel Speck über dem Gürtel“, hatte der Redakteur zuvor seinen Verzicht auf Fingerfood gegenüber der Unternehmerin begründet.
Fremdveröffentlichung gegen den Willen des Arbeitgebers
Die Passage mit dem Verhalten der Unternehmerin wurde später – mit Billigung des Chefredakteurs – aus seinem Artikel über das Firmenevent gestrichen. Als auch der Versuch fehlschlug, den Vorfall in anderem Zusammenhang in dem Wirtschaftsmagazin nachträglich zu veröffentlichen, kündigte er an, den Beitrag anderweitig zu veröffentlichen. Der Chefredakteur antwortete, dass dies wegen der Konkurrenzklausel im Arbeitsvertrag nicht gehe und verwies den Redakteur auf eine Rücksprache mit der Personalabteilung.
Dennoch veröffentlichte der Autor ohne die Einwilligung des Verlags einen Artikel in einer anderen Tageszeitung (Titel: "Ran an den Speck"). Darin schilderte er den Vorfall und stellte ihn in den Zusammenhang mit der #MeToo-Debatte. Der Arbeitgeber erteilte ihm deshalb eine Abmahnung.
LAG Düsseldorf: Rechtmäßige Abmahnung durch den Arbeitgeber
Die Klage des Redakteurs auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte hatte vor dem LAG Düsseldorf keinen Erfolg. In der Begründung führte das Gericht aus, dass die Einschränkung der grundrechtlich in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verbrieften Meinungsfreiheit des Redakteurs durch die allgemeinen Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 GG gedeckt sei. Hierzu zählen auch tarifvertragliche Vorschriften, wie vorliegend der MTV.
Das hierin enthaltene Gebot, vor Verwertung einer Nachricht, die Einwilligung des Arbeitgebers einzuholen, habe im konkreten Fall auch nicht die innere Pressefreiheit des Redakteurs verletzt, stellte das Gericht fest.
Dienstlicher Zusammenhang überwiegt gegenüber persönlicher Betroffenheit
Der Redakteur sei zwar persönlich betroffen, aber der dienstliche Zusammenhang überwiege. Der Vorfall, den der Redakteur erlebt und geschildert habe, habe sich gerade bei einem Firmenevent ereignet, über den er im Auftrag des Arbeitgebers berichten sollte – wobei die handelnde Person die Veranstalterin selbst war. Nach Auffassung des Gerichts sei nicht zu beanstanden, dass der Arbeitnehmer vor der Veröffentlichung des Beitrags in einer anderen Tageszeitung verpflichtet sei, die Einwilligung des Verlags einzuholen.
Rechtsweg statt arbeitsvertragliche Pflichtverletzung
Im Falle einer Ablehnung, die der Chefredakteur vermittelt hatte, hätte der Redakteur die Einwilligung im Wege gerichtlichen Rechtsschutzes durchsetzen müssen. Sich einfach über die fehlende Einwilligung hinwegzusetzen, qualifizierte das Gericht als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Diese durfte der Arbeitgeber abmahnen. Die Abmahnung sei als Reaktion auch nicht unverhältnismäßig gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.
Hinweis: LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2019, Az: 4 Sa 970/18
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