Schutz vor Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt

Der Bundestag hat am 20. April 2023 den Gesetzentwurf zur Ratifikation des "Übereinkommens Nr. 190" der Internationalen Arbeitsorganisation über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung aus dem Jahr 2019 verabschiedet. Am 12. Mai 2023 hat auch der Bundesrat zugestimmt.

Mit dem verabschiedeten Gesetz hat die Bundesregierung ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, in dem es heißt: "Die ILO Konvention Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ratifizieren wir."

Klarer Rechtsrahmen für Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt

Die Konvention gilt als historischer Meilenstein: Sie bietet erstmals eine international verbindliche Definition von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt und schließt geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung explizit ein. Ihre Ratifizierung und Umsetzung in den Mitgliedsstaaten soll einen klaren rechtlichen Rahmen für die Beendigung von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz schaffen. 20 Länder weltweit haben dieses Abkommen bereits ratifiziert, in Europa unter anderem Italien, Griechenland und Spanien.

Sexueller Gewalt am Arbeitsplatz ist eine Seltenheit. In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2019 wurde festgestellt, dass jede elfte erwerbstätige Person (neun Prozent der Befragten) in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt hat. Frauen waren mit einem Anteil von 13 Prozent mehr als doppelt so häufig wie Männer (fünf Prozent) betroffen.

Besserer Schutz vor sexueller Belästigung notwendig

Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, hatte unlängst angekündigt, Betroffene sexueller Belästigung am Arbeitsplatz besser unterstützen zu wollen. Die Übergriffe seien "real". Nötig seien schärfere Gesetze gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Bisher hätten Belästigte acht Wochen Zeit, um Ansprüche geltend zu machen. #MeToo habe aber gezeigt, dass viele Frauen erst Jahre später über erlebte Belästigungen sprechen können oder sich nicht trauen, gegen ihren Arbeitgeber vorzugehen. Deshalb müsse die gesetzliche Frist auf zwölf Monate verlängert werden. Auch sei es notwendig, Betroffenen eine Möglichkeit zur gemeinsamen Klage zu geben. Bisher könnten sie das nur allein.

Leichter Zugang zu wirksamen betrieblichen Meldeverfahren erforderlich

Das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation setzt weltweit ein klares Zeichen, dass jedes Verhalten, das Menschen im Arbeitsumfeld herabsetzt, demütigt, sexuell belästigt oder auch physisch beziehungsweise psychisch angreift, verboten und damit auch geächtet wird. Es bietet Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie anderen Personen in der Arbeitswelt weitreichenden Schutz vor Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Ebenso geschützt sind natürliche Personen, die die Befugnisse, Pflichten oder Verantwortlichkeiten einer Arbeitgeberin oder eines Arbeitgebers ausüben.

Die Konvention will sicherstellen, dass in Fällen von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt leichter Zugang zu geeigneten und wirksamen Abhilfemaßnahmen sowie zu sicheren, fairen und wirksamen Melde- und Streitbeilegungsmechanismen und -verfahren besteht. Ob und welche gesetzliche Anpassungen, etwa im AGG die Ratifizierung der Konvention nach sich ziehen wird, ist noch offen.


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