All-in-One-HR-Software oder viele verschiedene Tools?
Sowohl kleine Betriebe als auch Großkonzerne stehen bei der Digitalisierung immer wieder vor der entscheidenden Frage: Eine Lösung für alles oder viele für alles? Der folgende Beitrag schafft Klarheit, was für eine All-in-One-HR-Software spricht, wann sich der Best-of-Breed-Ansatz eignet und wo die Grenzen zwischen beiden Ansätzen verschwimmen.
Was muss eine HR-Software Komplettlösung können?
Eine – mittlerweile fast ausschließlich cloudbasierte – HR-Software vereinfacht das HR-Tagesgeschäft. Die Software ermöglicht es der Personalabteilung, fast jeden manuellen Prozess zu automatisieren und wichtige Datenströme zu gewährleisten. Durch intelligente Funktionen werden alle Aufgaben rund um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschleunigt und effizienter. Grundsätzlich bieten sich zwei unterschiedliche Strategien an: die All-in-One-HR-Software oder der Best-of-Breed Ansatz.
Definition: All-in-One-HR-Software
Bei einer All-in-One-HR-Software handelt es sich um eine Plattform eines Herstellers, die alle Applikationen - von der Stammdatenhaltung über Recruiting, Onboarding, Zeiterfassung, Payroll, Talent Management und so weiter - in einer einheitlichen Benutzeroberfläche enthält. Alle HR-Aufgaben werden in einer Software-Lösung abgebildet. Im Markt gebräuchliche Synonyme sind Human Capital Management System (HCM), Komplettlösung oder Best-of-Suite.
Definition: Best-of-Breed
Best-of-Breed bedeutet übersetzt "Das Beste einer Sorte" und zeichnet sich durch einzelne spezialisierte – meist kleinere – Software-Programme von unterschiedlichen Herstellern aus. Hier wird das Ziel verfolgt, für jeden einzelnen HR-Prozess das jeweils am besten geeignete Tool auf dem Markt zu finden und einzusetzen. Somit hat jede Lösung auch ihre eigene Oberfläche. Um einen effizienten Datenfluss zu ermöglichen, werden die Insellösungen - oder Einzellösungen, wie sie auch häufig genannt werden - durch entsprechende Schnittstellen miteinander verbunden und in die vorhandenen Systeme integriert.
Kriterien zur Software-Auswahl
Viele HR-Abteilungen sind auf dem Weg von einer prozessorientierten Administration der Mitarbeitenden hin zu menschzentrierten Services. Letztere haben das Ziel, bestmöglich bei der Arbeit zu unterstützen und für mehr Zufriedenheit im Unternehmen zu sorgen. Es hat sich gezeigt: Je digitaler ein Prozess ist, desto transparenter ist er auch - und umso höher ist in der Regel auch die Zufriedenheit der Nutzenden.
Bei der Suche nach der passenden Software-Variante helfen die folgenden Fragestellungen:
- Was soll mit der Software gelöst werden?
- Wo liegt der höchste Leidensdruck?
- Was ist bereits im Einsatz, was wird noch gebraucht?
- Welches Budget steht zur Verfügung?
- Welche Anforderungen gibt es an die Software?
- Wer trifft die Entscheidung für die Software – IT oder HR?
- Welche Software passt zum Unternehmen? Nicht umgekehrt!
Eine HR-Software muss zur Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur passen. Es kommt bei der Wahl darauf an, wie HR agiert und wie im gesamten Unternehmen miteinander gearbeitet wird. Denn bei aller Digitalisierung geht es um die Mitarbeitenden. Dabei sollte sich eine Organisation nicht an eine Software anpassen, sondern umgekehrt.
Tools für den Recruiting-Prozess, Onboarding, Performance-Management etc. haben einen starken Einfluss auf die Unternehmens- und Führungskultur. Die Kernfrage lautet also: Welche Technologie bringt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den optimalen Mehrwert und unterstützt sie bestmöglich bei ihren Aufgaben? Und das sieht für jede Organisation anders aus. Die einen bevorzugen eine All-in-One-Software, die anderen sind mit Best-of-Breed besser bedient. Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um passend oder nicht.
Download-Tipp: Digitalisierung von HR Services Die Anforderungen an HR-Abteilungen im operativen Bereich steigen. In diesem kostenlosen Haufe-Whitepaper erfahren Sie, was Ihnen eine HR-Service Plattform hierbei konkret nützt und welches die Erfolgsfaktoren bei der Einführung sind. |
Vorteile einer All-in-One-HR-Software
- Ein Hersteller und damit eine Benutzeroberfläche.
- Weniger Schulungsaufwand.
- Schnittstellen entfallen weitestgehend.
- Einfache Datenübertragung, dadurch geringeres Risiko an Datenverlust etc.
- Reduzierter interner Aufwand für Legal: nur eine Datenschutz Policy auf Rechtssicherheit zu überprüfen.
- Bessere Kontrolle über Kosten, Lizenzgebühren, Rabattierungen und Vertragslaufzeit.
- Reibungslose Vertretungsregelung, da alle User Zugriff auf eine Plattform haben.
- Verlässlichkeit: Anbieter von All-in-One-Lösungen werden meist als erfahrenere Software-Anbieter eingestuft.
- Responsive Design nur für eine Anwendung nötig.
Nachteile einer All-in-One-HR-Software
- Kritiker einer All-in-One-Lösung sagen, "sie kann alles, aber nicht alles gut".
- Ein "Alleskönner" ist oft ein Generalisten-Tool, das in der Breite vieles abdeckt, aber in der Tiefe eines Prozesses mit Einschränkungen einhergeht und daher oft nicht spezialisiert genug ist.
- Gleichzeitig enthält die All-in-One-Software Funktionen, die man vielleicht gar nicht braucht und nicht haben will. Das macht die Software unübersichtlich.
- Geringere Flexibilität: Individuelle Anpassungen sind in einer Komplettlösung schwerer umsetzbar und meist mit mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden.
- In der Arbeitsrealität gibt es wenig Überschneidungen der gleichen Personen und der unterschiedlichen Funktionalitäten einer All-in-One-Lösung. Ein Recruiter wird immer andere Funktionen nutzen als ein Entgeltabrechner.
- Ein Tool für alles bedeutet eine große Abhängigkeit vom Anbieter in puncto Support und Weiterentwicklung der Lösung in allen Bereichen.
- Eine All-in-One-Software braucht IT-Unterstützung bei der Implementierung im Gegensatz zu kleineren Einzellösungen, die meistens ohne IT-Abteilung eingeführt werden können.
- Viele All-in-One-Lösungen bieten nur die großen, gängigen Prozesse an. Für Spezialanwendungen (z. B. OKR, Teamentwicklung, Mitarbeiterempfehlung) werden dann doch mehrere Lösungen unterschiedlicher Anbieter benötigt.
Auch Best-of-Breed-Systeme können eine HR-Komplettlösung sein
Was, wenn sich Vor- und Nachteile die Waage halten und das Pendel nicht eindeutig für eine All-in-One-HR-Software ausschlägt? Die Praxis der Software-Anbieter zeigt es. In den wenigsten Fällen wird eine Komplettlösung eines Anbieters alles abdecken, was ein Unternehmen sich wünscht. Die Zeiten, in denen HR alle Ansprüche in einem Lastenheft bündelt und danach eine Software aussucht, sind vorbei. Zu unterschiedlich ist die Digitalisierungsspanne in HR. Hier nähert man sich dem Best-of-Breed-Ansatz: Es wird geprüft, was wo gebraucht wird und anschließend das geeignetste Tool am Markt gesucht.
Vorteile von Best-of-Breed (Speziallösungen):
- Baukastensystem aus Lösungen, die das Unternehmen wirklich braucht, ohne direkt alles kaufen zu müssen, was (noch) nicht gebraucht wird.
- Durch die Ausrichtung auf einen speziellen Prozess wie beispielsweise Onboarding können neue Funktionen deutlich schneller entwickelt und somit rechtliche Anforderungen oder Trends zeitnah umgesetzt werden.
- Insellösungen sind flexibler in der Anpassung an eigene Besonderheiten.
- Erstklassige Speziallösungen sind so konzipiert, dass sie über gängige Schnittstellen verbunden werden und dadurch auch eine "Komplettlösung" ergeben – allerdings nicht nach der strengen Definition einer All-in-one-Software mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche.
- Bei Insellösungen wird eher eine Partnerschaft als eine Abhängigkeit mit dem Software-Anbieter eingegangen. So können Unternehmen mitunter selbst auf die Software-Weiterentwicklung einwirken.
- Best-of-Breed-Produkte sind von Natur aus benutzerfreundlicher aufgebaut, da sie nicht so komplex sind wie ein All-in-One-Software-System.
- Best-of-Breed erlaubt die eigene Priorisierung der zu digitalisierenden Bereiche: Unternehmen können sich erst um die Tools kümmern, die am meisten Optimierungsbedarf haben.
Somit besteht der Reiz von Best-of-Breed darin, dass sich Unternehmen eine maßgeschneiderte HR-Plattform aufbauen können, die den individuellen Anforderungen entspricht. Der Software-Markt ist sehr schnelllebig und entwickelt sich rasant weiter. Kommt eine "bessere" Software für einen Aufgabenbereich auf den Markt, lässt es sich recht einfach wechseln.
Was heißt das jetzt für HR?
In der Realität kann HR selten unabhängig und völlig frei entscheiden. Häufig haben auch die Unternehmensleitung, die IT und die vorherrschende Unternehmenskultur einen großen Einfluss darauf, welchen Ansatz die Verantwortlichen wählen. Experten empfehlen in der Regel den Best-of-Breed-Ansatz. Wobei die beiden Ansätze – All-in-One oder Best-of-Breed – eher selten als Reinform nach der oben aufgeführten Definition anzutreffen sind. In der Praxis werden die beiden Ansätze häufig vermischt.
So bestehen viele Anbieter von All-in-One-HR-Systemen im Grunde aus einer Kernsoftware, an die mehrere Zusatzfunktionen "angebaut" wurden, weil das System und/oder der Anbieter gewachsen sind. Es kann durchaus sinnvoll sein, für Lösungen, die einen speziellen Wettbewerbsvorteil versprechen, die Insellösung eines Startups zu wählen und gleichzeitig von einer Best-of-Suite-Lösung eines etablierten Software-Generalisten zu profitieren. So kann zum Beispiel die ausgeklügelte Onboarding-Lösung eines Best-of-Breed-Anbieters mit einer All-in-One-HR-Software zur Entgeltabrechnung kombiniert und über Schnittstellen integriert werden.
Best-of-Breed versus All-in-one: Unterschiede auf einen Blick
Best-of-Breed | All-in-One | |
Kostenkontrolle | Unübersichtlich: hängt von der Menge der digitalisierten Prozesse ab | Sehr übersichtlich: eine Rechnung von einem Anbieter |
Funktionstiefe | Sehr hoch: Spezialisierung dient oft auch als Wettbewerbsvorteil | Eher gering: auf Funktionsbreite ausgelegt |
Flexibilität | Hoch: Tools können schneller ausgetauscht werden | Gering: Gesamte Lösung inklusive Anbieter müsste ausgetauscht werden |
Abhängigkeit | Gering | Hoch |
Implementierung | Kurze Dauer bei kleinen Prozessen | Lange Dauer, IT-Unterstützung notwendig |
Aufwände für Legal | Höher: viele verschiedene Anbieter und Tools zu prüfen | Geringer: nur ein Tool zu prüfen |
Schnittstellen | Kompatibilität muss für jedes einzelne Tool geprüft werden | Ein System, keine Schnittstellen zu anderen Tools nötig |
Nutzerfreundlichkeit | Meist intuitiver, da kleinerer Funktionsumfang, dafür eigene Oberfläche pro Tool | Einheitliche Benutzeroberfläche für alle Systeme, dafür sehr komplex, da alle Funktionen in einer Software enthalten sind |
Das könnte Sie auch interessieren:
Drei Schritte zur Digitalisierung von HR
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber beachten müssen
2.250
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
1.525
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
1.454
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
1.434
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
1.411
-
Krankschreibung per Telefon nun dauerhaft möglich
1.346
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
991
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
724
-
Das sind die 25 größten Anbieter für HR-Software
497
-
Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten
458
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
21.11.2024
-
Mitarbeitergespräche führen
21.11.2024
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
21.11.2024
-
Regeln für eine erfolgreiche Gesprächsführung bei Mitarbeitergesprächen
21.11.2024
-
Fachkräftemangel durch Managementfehler
21.11.2024
-
Diese Stars der HR-Szene sollten Sie kennen
19.11.2024
-
Wo die bAV hinter eigenen Ansprüchen zurückbleibt
19.11.2024
-
Wie KI dem sozialen Miteinander am Arbeitsplatz schaden kann
15.11.2024
-
"Wir sollten uns größere Sprünge zutrauen"
14.11.2024
-
Wie der Führungswechsel im Mittelstand gelingen kann
13.11.2024