Arbeiten unterm Weihnachtsbaum
Arbeiten und nebenbei Geschenke auspacken: Laut einer Umfrage des Meinungsforschers YouGov im Auftrag des Bürokommunikationsdienstes Slack machen das dieses Jahr 32 Prozent der Befragten mit Bürojob. Sie planen, erreichbar zu sein, obwohl sie Urlaub haben. Knapp zwei Drittel von ihnen werden ihre dienstlichen Nachrichten dabei mindestens mehrmals täglich ansehen.
Zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Erreichbarkeit
Warum ist das so? Fast die Hälfte der Befragten nannte als Grund für ihre Erreichbarkeit, dass der Arbeitgeber dies erwarte. Aus Sicht von 54 Prozent ist die Erwartungshaltung der Kunden schuld. Noch häufiger, nämlich mit 61 Prozent, sagten die Betroffenen allerdings, dass wichtige Projekte vorangetrieben werden müssten. Ganze 77 Prozent gaben an, sie würden aus eigenem Antrieb an den Feiertagen arbeiten.
Ob Druck von außen oder eigener Antrieb – das kann einen Unterschied für das Wohlbefinden machen, sagt Johannes Wendsche von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: "Wer ohnehin nicht stark zwischen Privatleben und Arbeit trennt, für den kann es zumindest kurzfristig sogar ein gutes Gefühl sein, erreichbar zu sein." Wer dagegen auf direkten oder indirekten Druck hin erreichbar sei, empfinde das negativer - insbesondere, wenn er eigentlich stark zwischen Arbeit und Privatem trenne.
Work-Life-Balance: Erholte Mitarbeitende bringen nur Vorteile
Auf längere Sicht wirke sich die Erreichbarkeit aber wohl in beiden Fällen eher ungünstig auf die Fähigkeit zum Abschalten, die Erholung und die Vereinbarkeit von Job und Familie aus - wenn auch nicht unbedingt bei jedem gleich stark, erläutert der Experte. "Dabei ist es für Unternehmen vorteilhaft, erholte Mitarbeiter zu haben." Sie seien leistungsfähiger und auf längere Sicht auch kreativer.
"Wenn Menschen das Gefühl haben, erreichbar sein zu müssen, liegt das oft an den Arbeitsbedingungen", sagt Wendsche. Beispielsweise weil es ohnehin zu viel Arbeit oder es keine Vertretung gebe. Auf Dauer habe das aber negative Auswirkungen - für Mensch und Unternehmen.
Permanente Erreichbarkeit ist gesundheitsschädlich
Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, beklagt: "Leider wird auch zu den Feiertagen 2022 bei vielen Beschäftigten das Diensthandy wieder in Reichweite liegen." Gleichzeitig warnt sie davor, dass ständige Rufbereitschaft uns krank mache. "Erschöpfung, Schlafstörungen und sogar Herz-Kreislauferkrankungen können die Folgen solcher Entgrenzung sein."
Die Arbeitgeber seien aber verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu sorgen, betont Piel. "Leider tun das nicht alle". Die Bundesregierung müsse daher "endlich mit einer Anti-Stress-Verordnung gegensteuern und klare Regeln für die Bekämpfung von psychischen Belastungen bei der Arbeit schaffen". Dabei gehe es nicht nur um Feiertage, sondern auch um den "ganz normalen Arbeitsalltag von Beschäftigten", betont Piel. "Menschen sind keine Maschinen - wir alle brauchen Ruhezeiten."
Ähnlich sieht das auch der Zentraleuropachef von Slack, Oliver Blüher. "Das flexible Arbeiten darf nicht dazu führen, dass Angestellte permanent erreichbar sind und gar nicht mehr abschalten können", sagt er. "Denn nur wer im Urlaub oder Feierabend wirklich abschalten kann, kommt mit neuer Energie und Motivation zurück an den Arbeitsplatz."
Erreichbarkeit an den Feiertagen: ein internationales Phänomen
Das mit der Weihnachtsruhe klappte im vergangenen Jahr für viele Mitarbeitende nicht: 23 Prozent aller Befragten gaben an, während der Feiertage von Vorgesetzten dienstlich kontaktiert worden zu sein – obwohl sie frei hatten. Und 18 Prozent sagten sogar, sie hätten trotz Urlaub arbeiten müssen.
Im internationalen Vergleich steht Deutschland aber gar nicht so schlecht da: In Australien und den USA gaben jeweils rund zwei Drittel der dort Befragten an, über die Feiertage und zwischen den Jahren für die Arbeit erreichbar zu sein. Gut doppelt so viele wie hierzulande.
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