Gamification in der Personalauswahl: Hauptsache spielerisch?
Klar, wer will nicht, dass die eigenen Bewerber im Bewerbungsprozess bis zum Vertragsabschluss bei der Stange bleiben? Mit Gamification von Assessments und Game Based Assessments (GBA) stehen zwei Ansätze zur Verfügung, personalpsychologische Verfahren durch spielerische Elemente anders zu gestalten. Doch ist spielerisch auch besser und wirklich attraktiver?
Wie viel Gamification ist in der Personalauswahl sinnvoll?
Die Forschungslage ist hierzu aktuell noch dünn. Während Game-Elemente ganz klar motivierende Funktion haben können, ist unklar, wie sehr sie auch vom Kern der Sache – der Prüfung, ob Person und Job zueinanderpassen – ablenken. Auch ist unklar, ob so gestaltete Verfahren "Zocker" bevorteilen, unabhängig von wirklicher Eignung; oder ob spielerische Auswahlverfahren nicht nur Spielertypen anlocken, bei denen man vielleicht gar nicht so sicher ist, ob man sie in der Organisation haben möchte. Gleichzeitig könnten dadurch Bewerber, die selbst keine Gamer sind, verloren werden. Auch Themen rund um geschlechtsabhängige Chancengleichheit und Barrierefreiheit für Menschen mit Einschränkungen sind noch nicht hinlänglich erforscht.
Definitionen: "Gamified Assessment" versus "Game Based Assessment"
Es gibt also noch viele ungeklärte Fragen zum Einsatz spielerischer Elemente in der Personalauswahl. Was aber mittlerweile ganz gut gelingt, ist eine Abgrenzung der Begriffe "Game Based Assessment" (GBA) von "Gamified Assessment" oder "Gamification" (vgl. zur nachfolgenden Zusammenfassung unter anderem Dickter & Jockin, 2018; Bhatia & Ryan, 2018; Weidner & Short, 2019 sowie Landers & Armstrong, 2017).
Gamified Assessments / Gamification bezeichnet Assessments klassischer Bauart, bei denen einzelne Elemente aus Games sozusagen übergestülpt werden, ohne den Kern der Assessments zu verändern. Hierbei können Avatare zum Einsatz gelangen, die die Bewerbenden von Aufgabe zu Aufgabe begleiten und ihnen etwas erklären. Auch werden spielerische Fortschrittsbalken, Töne oder Storylines und verstärkende Elemente eingesetzt, die die Aufmerksamkeit der Bewerbenden aufrechterhalten. Die eigentlichen Aufgaben werden hierdurch nicht verändert und die Konstruktion folgt den tradierten Prinzipien der Testkonstruktion. Die klassischen Gütekriterien für diagnostische Verfahren können hier uneingeschränkt verwendet beziehungsweise zum Anspruch erhoben werden.
Gamebased Assessments (GBA) sind Assessments, deren grundlegendes Gestaltungsprinzip denen eines Spiels entspricht. Hier gelten andere Konstruktionsprinzipien, die gesamte Darbietung ist Game-Elementen wie Sound, Runden, Scores, Avataren (Spielfiguren), bewegten Elementen, 3-D-Simulation etc. unterworfen. Im Fokus steht das Entertainment der Teilnehmenden; erzeugt werden sollen ein maximales Flow-Erleben und Immersion, um in diesem Bewusstseinszustand an unverfälschte Messwerte fernab von sozialer Erwünschtheit und ähnlichen Effekten zu gelangen. Obschon diese Assessments auch für diagnostische Zwecke eingesetzt werden, lassen sich die klassischen Gütekriterien nur bedingt hierauf anwenden.
VR-Assessments sind Hybridmodelle mit Game-Elementen
Die Grenzziehung ist graduell und es gibt auch Assessments, die eine Bezeichnung als "Hybridmodelle" verdienen. Dazu zählen zum Beispiel VR-Assessments, bei denen Bewerbende tief in virtuelle Welten abtauchen und dort ganz unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen haben – von klassischen kognitiven Tests im "virtual space" bis zu dynamischen Spielen, die räumliche Orientierung, Hand-Auge-Koordination und körperliche Agilität erfordern. Auch neuartige Persönlichkeitstestformate, bei denen Items mit sehr kurzer Zeitbeschränkung vorgegeben werden, um den Teilnehmenden die kognitiven Ressourcen zur Bewertung der sozialen Erwünschtheit des Materials zu nehmen, liegen im Grenzbereich zwischen Gamified und Gamebased Assessments (vgl. Meade, A., 2019, oder Personalmagazin 11/2020 Frintrup, A., 2020).
Grundsätzlich gilt: Je mehr Game-Elemente enthalten sind, umso größer werden die Entwicklungsanforderungen an beide beteiligten Fachdisziplinen der Personalpsychologie / Eignungsdiagnostik und des Game Designs.
Drei Faktoren für erfolgreiche Gamification in der Personalauswahl
Wenn dieser Aufwand jedoch durch konkrete psychologische Theorien geleitet wird, deuten sich erste Hinweise auf erfolgreiche Anwendungen an. So geben Krath, Schürmann und von Korflesch (2021) einen systematischen Überblick zu 183 relevanten wissenschaftlichen Artikeln und destillieren daraus drei auch für die Personalpsychologie förderliche Prinzipien für die Anwendung von Game-Elementen im Assessment:
- Unterstützung zielerreichenden Verhaltens: Es können klare Ziele und Verhaltenspfade vorgegeben werden. Daraus ergibt sich ein vereinfachtes Nutzererleben in Tests.
- Herstellung persönlicher Bedeutung: Es können unterschiedliche Optionen angeboten werden, aus denen Bewerbende frei wählen können. Darüber hinaus kann der Testverlauf auf Basis des gezeigten Verhaltens an das Wissen und die Fähigkeiten der Teilnehmenden in der Testsitzung angepasst werden.
- Positive, soziale Effekte: Ergebnisse der Bezugsgruppe von Bewerbenden können unmittelbar präsentiert werden. Zudem sind Settings denkbar, in der Aufgaben in Kooperation gelöst werden und so ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt wird.
Großes Potenzial haben demnach Game-Elemente in Verfahrensbereichen, in denen ansonsten Motivationsschwund zu erwarten ist.
Prognostische Güte entscheidet über Einsatz in der Personalauswahl
Ob ein konkretes Verfahren mit Gamification-Elementen oder als Game Based Assessment für den Praxiseinsatz geeignet ist und auf dieser Basis Personalentscheidungen getroffen werden dürfen, hängt von evidenzbasierten Untersuchungen zur prognostischen Güte ab. Nur weil es bunt ist und hübsch blinkt, ist kein Spiel oder Test geeignet, um wichtige Entscheidungen für Menschen oder Organisationen zu begründen.
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