Klimaschutz: Warum HR entscheidend ist

Verschärfte Berichtspflichten sollen die Nachhaltigkeitstransformation voranbringen. Welche Rolle HR dabei spielt, das Unternehmen ökologischer zu machen, ist aber häufig unklar. Dabei bieten sich Personalerinnen und Personalern mehr Möglichkeiten, als viele glauben.

Um es vorsichtig zu formulieren: Unser jetziges auf materielles Wachstum und steigenden Ressourcenverbrauch ausgelegtes Wirtschaftsmodell hat keine goldene Zukunft mehr vor sich. Die heute schon ausgestoßenen Treibhausgase führen dazu, dass sich das globale Bruttosozialprodukt im kommenden Vierteljahrhundert um ein Fünftel reduzieren wird, haben uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung kürzlich vorgerechnet. Hinzu kommt, dass wir mit den heutigen Geschäftsmodellen bald an die Grenzen der planetaren Ressourcen kommen werden. In den letzten fünf Jahren haben wir weltweit mehr als ein Viertel der jemals verbrauchten Materialien konsumiert – mit steigender Tendenz.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind auch HR-Themen

Die Daten darüber, was uns erwartet, sind offensichtlich. Und genau daraus erwachsen die Treiber einer Nachhaltigkeitstransformation, denen wir uns schon heute nicht mehr entziehen können: wachsende Supply Chain- und Kostenrisiken auf materieller Ebene. Steigende Berichtspflichten und neue regulatorische Rahmenbedingungen vonseiten der Politik. Technologische Umwälzungen in gigantischem Tempo. Neue juristische, finanzielle und Reputationsrisiken. Und nicht zuletzt veränderte Kundenerwartungen und mehr Bewusstheit für das Thema Nachhaltigkeit bei Banken, Investoren und Shareholdern.

Personalabteilungen, die sich als Business Partner verstehen, sollten die anstehenden Disruptionen verstehen und ihre Unternehmen darauf vorbereiten. Und falls HR bislang in Fragen der Geschäftsstrategie noch nicht mit am Tisch saß, dann ist dies nun die Gelegenheit.

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HR verfügt über die nötigen Kompetenzen

HR-Aufgaben scheinen auf den ersten Blick nicht im Zentrum der Nachhaltigkeitstransformation zu stehen. Doch bei genauerer Betrachtung sieht das anders aus. Unternehmensleitbilder, Purpose, Werte, Change-Prozesse und die Unternehmenskultur sind HR-Domänen. Kompetenzmodelle, Leistungsbeurteilung, Recruiting und variable Vergütungssysteme sind es auch. Weiterbildung ist es ohnehin: Verstehen Führungskräfte und Beschäftigte die Notwendigkeit dieser Richtungsänderungen, haben sie das nötige Wissen, den Mut, die Fantasie sowie die Scorecards und die OKRs, um sie voranzutreiben? Sind alle Onboarding-, Ausbildungs-, Trainee-, und Führungskräfteprogramme darauf ausgerichtet?

Enormes Potenzial für die Transformation hat zudem die meist enge Verbindung der Personalabteilung zur Unternehmenskommunikation und den Auslandsniederlassungen. Nicht zuletzt haben die meisten Personalabteilungen relevante "Nebenthemen" in ihrer Verantwortung, wie die Kantine, den Fuhrpark, das Besuchermanagement, Events oder manchmal sogar den Bereich Corporate Social Responsibility oder das Facility Management. Und als Ressource von beachtlichem Transformationspotenzial dürfen Mitarbeitenden-Initiativen sowie das Zusammenwirken mit den Menschen an den Standorten nicht vergessen werden. Gibt es "Green Teams" im Unternehmen und wie können sie befähigt und wirksamer gemacht werden? Gibt es Initiativen, die das Firmengelände regenerativ umgestalten, oder dies gleich für den gesamten Standort und die Kommune tun wollen? Sind hier transformative Partnerschaften mit den "Communities" vor Ort möglich?

Sustainability: Personalabteilungen sollten vorangehen

Die Notwendigkeit ist da, die Hebel und das Mandat sind es auch: Personalabteilungen gehören in eine Führungsrolle, wenn es um die Umstellung ihres Unternehmens hin zu Nachhaltigkeit, Regeneration und Klimaschutz geht. Fast alles, was sie dafür tun müssen, vom Kompetenzmodell bis zur Leistungsbeurteilung, ist nichts Zusätzliches. Es ist Tagesgeschäft, nur eben mit einem anderen Ziel.

Was zusätzlich ist, ist die Veränderung. Um sich hierfür die nötigen Ressourcen freizuräumen, bedarf es einer mutigen und bewussten Priorisierung, ganz nach der Eisenhower-Matrix: Was ist wichtig und was ist bloß dringend? Vieles, was dringend ist, ist nicht mehr wichtig, in Anbetracht der fundamentalen Herausforderungen, vor denen wir stehen.

HR und Klimaschutz: Fünf Schritte, um das Potenzial auszuschöpfen

Was es also braucht, sind Führung, Selbstvertrauen und ein strategischer Blick auf die eigene Organisation. Entscheiden wir uns stattdessen dafür, den Kopf in den Sand zu stecken, für ein inkrementell angepasstes "Business as Usual", dann haben wir keine goldene Zukunft mehr vor uns. Hope is not a strategy. Was ist für HR also zu tun, welche Schritte sind zu gehen?

  1. Das Unternehmen dazu zu befähigen, regenerativ zu wirtschaften, gehört an die erste Stelle der strategischen Ziele eines Unternehmens. Vorantreiben kann die Personalabteilung dies, indem sie gezielt Impulse setzt, Wissen aufbaut, interne Netzwerke und Allianzen entwickelt. Oder auch mit Veranstaltungen, Podcasts, Vorstands-Offsites mit externer Begleitung, Analysen, Experteninterviews, Benchmarks und Kamingesprächen. Auch hierfür kann eine Mitarbeitenden-Initiative, ein "Green Team", beachtliche Veränderungsenergie entfalten.
        
  2. Sich auf Kunden und Geschäftsfelder konzentrieren, denn ohne den Kunden ändern wir uns nicht. In der Nachhaltigkeitstransformation stecken gewaltige strategische Chancen. Ohne Nachhaltigkeitstransformation sind die Risiken für das Business unkalkulierbar und existenziell. Alles andere mag dringend erscheinen – es ist aber weniger wichtig.
       
  3. Ist die strategische Richtungsentscheidung gefallen, was ist die Nachhaltigkeitstransformation dann anderes als ein fundamentaler Change-Prozess? Was wir dafür brauchen, das weiß eine Personalabteilung: das Top-Management-Commitment. Einen Case for Action ("warum?"). Ziele, Maßnahmen, und Meilensteine ("was?"). Eine Roadmap und der entsprechende Wissensaufbau zu den Chancen, Risiken und dem Weg dorthin ("wie?"). Und: Stringente Change-Kommunikation und die Einbindung aller Abteilungen im Rahmen der strategischen Leitplanken, um diese für sich herunterzubrechen in eigene Ziele und Sub-Strategien.
       
  4. Für die Personalabteilung selbst heißt das: Alle Teams und Programme, ob Recruiting, Weiterbildung, Kantine oder Führung, sollten sich auf das neue Nachhaltigkeitsziel hin strategisch und operativ neu ausrichten. Für alle anderen Abteilungen gilt dies entsprechend, allen voran das Produktmanagement, Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb sowie das Controlling, Accounting und die Investitionsplanung. Welche Geschäftsmodelle können regenerativ umgestellt werden? Welche müssen neu aufgebaut werden? Welche sollen wann eingestellt werden? Wie kann die Transformation kommunikativ und politisch abgesichert werden?
       
  5. Eine Change–Architektur entwickeln. Dazu gehört es, regelmäßige Analysen durchzuführen, Berichte zum Fortschritt und zu den Abweichungen zu erstellen sowie die Strategie entsprechend iterativ anzupassen.

Das alles mag nun überfordernd klingen. Natürlich kann sich eine Personalabteilung auch darauf beschränken, ein paar Klima-Awareness-Schulungen anzubieten, das Einweg-Plastik in der Kantine zu reduzieren und die Employer-Branding-Materialien auf Altpapier zu drucken. Das Risiko: der Fortbestand der Menschheit. Und falls die Menschheit überlebt, dann wird dies ein solches Unternehmen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht.


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