Düstere Zukunft für Azubis?
Ein sicherer Arbeitsplatz ist in der aktuellen Situation für 69 Prozent der Auszubildenden der größte Wunsch für die Zukunft. Für fast die Hälfte der Azubis ist seit dem Ausbruch der Pandemie das Bedürfnis nach Sicherheit im Job gewachsen. Das ermittelte der Azubi-Report 2021, für den das Portal Ausbildung.de 2.800 Auszubildende befragte.
Azubi-Report: Bindung zum Ausbildungsbetrieb nimmt ab
Besonders verunsichert sind laut der Umfrage diejenigen Azubis, die kurz vor dem Abschluss stehen. So schätzen 20 Prozent der Befragten im dritten Ausbildungsjahr und 29 Prozent der Befragten im vierten Ausbildungsjahr ihre Übernahmechancen schlechter ein als vor der Pandemie. Besorgniserregend ist die fehlende Bindung der Azubis zu ihrem Arbeitgeber. Aufgrund von ausfallendem Berufsschulunterricht befürchtet jeder Dritte, die Prüfungen nicht bewältigen zu können.
Verbessert hat sich laut der Umfrage offenbar die Ausbildungsplatzsuche: Die Anzahl an Bewerbungen, die notwendig sind, um eine Lehrstelle zu finden, nimmt ab. Für die Hälfte der Suchenden waren weniger als fünf Bewerbungen notwendig. Auch die Dauer des Bewerbungsprozesses verringert sich: Heute haben 45 Prozent der Bewerber in weniger als vier Wochen die Zusage in der Tasche. Das heißt aber auch, dass diejenigen Unternehmen, die lange mit einer Rückmeldung warten, zunehmend das Nachsehen haben. Fast jeder dritte Befragte gibt an, dem schnellsten Arbeitgeber den Zuspruch zu geben.
Einblicke in die Berufe fehlen im Zuge der Coronapandemie
Auch wenn die Bewerbung einfacher geworden ist, die Berufsorientierung ist stark eingeschränkt. Der kommenden Azubi-Generation fehlen aktuell die Möglichkeiten, sich über Berufe zu informieren. Wer nicht in die Unternehmen hineinschnuppern kann, muss sich mit dem begnügen, was Eltern, Lehrer und andere Personen berichten.
Die Eltern sind nach wie vor die wichtigsten "Job-Influencer". Das fand der aktuelle HR-Monitor des Trendence-Instituts heraus: Für zwei Drittel der jungen Leute ist der Rat von Mama und Papa am wichtigsten für die berufliche Entscheidungsfindung. Mit deutlichem Abstand (25 Prozent) folgt der Freundeskreis auf Rang zwei. Doch die Eltern haben selten aktuelle Informationen zur Entwicklung der Berufswelt. So kommt es, dass in einer Pisa-Studie rund die Hälfte der Jugendlichen Berufswünsche nannte, die es in den kommenden zehn bis 15 Jahren wohl nicht mehr geben wird.
Drei Beispiele für virtuelle Berufsorientierung
Abhilfe schaffen und Lust auf Technik, MINT-Fächer und innovative Jobs wecken will deshalb die "Nacht der Berufe", die auf dem Prinzip der "Nacht der Museen" aufbaut und als digitale Plattform initiiert wurde. Unternehmen können sich dort individuell einbringen, zum Beispiel mit einem Video vorstellen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten präsentieren und Praktika sowie Ausbildungsstellen auflisten. Auf einer Bühne sollen neue Technologien vorgestellt und in Workshops weiterführende Inhalte vermittelt werden. Aktuell ist die Plattform im Aufbau, ein Termin für die "Nacht der Berufe 2021" ist noch nicht bekannt.
Berufsorientierung im Distanzunterricht will die Lernplattform Azubiyo Tutor ermöglichen. Diese richtet sich an Schüler und Lehrer, die sich registrieren und die Inhalte eigenständig oder gemeinsam innerhalb virtueller Schulklassen bearbeiten. Innerhalb der drei Lektionen "Berufswahl & Bewerbung", "Duales Studium" und "Schülerpraktikum" lernen die Schüler verschiedene Berufe kennen, schreiben einen Lebenslauf oder machen einen Selbsttest zu ihren persönlichen Stärken. Ausbildungsbetriebe können Unternehmensinfos, Stellenanzeigen, Berufspräsentationen oder Erfahrungsberichte einbinden.
Virtuelle Berufsorientierung ermöglicht auch die Ausbildungsoffensive-Bayern, eine Initiative der bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände Bayme VBM. In einer interaktiven "Webshow" setzen sich Schülerinnen und Schüler mit Berufen auseinander und erhalten Tipps für die Berufswahl und Bewerbung. Auch eine Ausbildungsplatzbörse mit Unternehmen, die auch Schülerpraktika anbieten, ist auf der Seite der Ausbildungsoffensive-Bayern vorhanden.
Schlechte Zahlen vom Ausbildungsmarkt
Doch im Zuge eines Schülerpraktikums in einen Beruf hineinzuschnuppern, gestaltet sich schwierig. Nur wenige Unternehmen stellen derzeit Schülerpraktika zur Verfügung. Oftmals werden die Praktikumsplätze erst wieder ab September 2021 angeboten – zu spät für diejenigen, die sich schon jetzt für einen Beruf entscheiden müssen.
Auch die aktuellen Zahlen vom Ausbildungsmarkt sind wenig hoffnungsvoll, wie die Randstad-Ifo-Personalleiterbefragung zeigt: Zehn Prozent der ausbildenden Betriebe haben weniger Azubis übernommen als geplant. 14 Prozent der Ausbildungsbetriebe senken die Zahl der besetzten Ausbildungsplätze und 20 Prozent bieten keine Ausbildungsplätze an.
In 35 Prozent der Ausbildungsbetriebe führte die Pandemie zu betrieblichen Einschränkungen für Azubis. Und in 72 Prozent dieser Betriebe entstanden Lücken in der Wissensvermittlung. Zudem fühlen sich 29 Prozent der Arbeitnehmer zwischen 18 und 24 Jahren in der Coronakrise nicht emotional und mental von ihren Arbeitgebern unterstützt.
Unternehmen setzen klare Signale für die duale Ausbildung
Aber es gibt auch Unternehmen, die ein klares Signal für die Ausbildung setzen. Dazu gehört zum Beispiel die Deichmann-Gruppe, die in Deutschland über 16.000 Mitarbeiter und davon rund 3.000 Auszubildende zählt. Aktuell werden rund 1.000 neue Azubis gesucht, trotz der massiven Auswirkungen der Coronamaßnahmen auf den Einzelhandel. Sowohl der Recruitingprozess als auch die Ausbildungsbegleitung wurden an die aktuelle Lage angepasst: Bewerbungsgespräche finden telefonisch oder virtuell statt, die zusätzlich zum Berufsschulunterricht vom Unternehmen angebotenen Schulungen wurden digitalisiert.
Über die Ausbildungsberufe informiert das Einzelhandelsunternehmen auf digitalen Ausbildungsmessen, in virtuellen Schulbesuchen durch Recruiter oder einem Azubi-Livetalk bei Instagram. Individuelle Fragen können auch im Live-Chat auf der Karrierewebseite geklärt werden.
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