Buchbesprechung: Modelle der Vier-Tage-Woche
Seit einigen Jahren läuft eine Kampagne zur Vier-Tage-Woche, die jetzt auch in Deutschland angekommen ist. Auf der einen Seite suchen die Initiatoren aus dem New-Work-Umfeld nach Betrieben, die sich an dem "Experiment" Vier-Tage-Woche beteiligen sollen, auf der anderen Seite hat die IG Metall das Thema in die laufenden Tarifverhandlungen der Stahlindustrie als Forderung aufgenommen. Durch letzteres hat das Thema eine politische Brisanz gewonnen - in den Chefetagen der Betriebe wird es als Schreckgespenst betrachtet. Die Vier-Tage-Woche gilt als Symbol für die Betrachtung der Arbeitswelt als "Schlaraffenland", als "Wohlfühloase" oder gar als "Verfall des Wirtschaftsstandorts".
Der Arbeitszeitexperte Guido Zander hat ein Buch mit dem Titel "Wundermittel Vier-Tage-Woche?" verfasst, das sich durch Sachlichkeit und Fachkenntnis von vielen Veröffentlichungen abhebt. Er ordnet und prüft die wichtigsten Argumente von Befürwortern und Kritikern und zeigt die Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung auf, die aus seiner Sicht zu wenig genutzt werden. Doch der Reihe nach.
Drei Typen der Vier-Tage-Woche
Derzeit werden ganz unterschiedliche Typen der Vier-Tage-Woche diskutiert, die in der Debatte verschwimmen. Zander unterscheidet drei Typen:
- Vier-Tage-Woche mit Arbeitsverdichtung: Die Initiatoren der Kampagne setzen vor allem auf dieses Modell. Sie sprechen von Produktivitätsfortschritten, mit der sich die Arbeitszeitreduzierung finanzieren lasse. Faktisch handelt es sich dabei um eine Arbeitszeitverdichtung für die einzelnen Mitarbeitenden. Belegt wird die These der Produktivitätssteigerung mit Studien, deren Glaubwürdigkeit Zander allerdings infrage stellt. Dazu später mehr.
- Arbeitszeitreduktion mit vollem Lohnausgleich: Das Modell wird derzeit vor allem in der Tarifpolitik verfolgt. "Lohnerhöhungen" werden durch Arbeitszeitverkürzung umgesetzt. Die Protagonisten dieses Modells stützen sich auf Umfragen, dass sich die Beschäftigten eine Reduzierung der Arbeitszeit wünschen. Für Zander handelt es sich um Wünsch-Dir-Was-Umfragen, die keine Aussagekraft besitzen.
- Arbeitszeitreduktion ohne Lohnausgleich: Nach Zander ist das ein Modell, das seit langem praktiziert werde. Sein Name: Teilzeit.
Die Studienlage zur Vier-Tage-Woche
Ein absolutes Highlight des Buches ist die Beschäftigung von Zander mit den Studien, die Befürworter der Vier-Tage-Woche anführen. Die Erkenntnisse daraus sind erschütternd: Weder das Beispiel von Microsoft Japan noch die Island- oder die UK-Studie können als Beleg dafür dienen, dass die Vier-Tage-Woche funktioniert. Bei der Island-Studie, die der Autor unter großen Mühen gefunden hat, geht es schlicht um Arbeitszeitreduzierung in der isländischen Verwaltung - die Arbeitszeit lag bei viereinhalb Tagen. Das Erschütternde an der Sache: Die Island-Studie wird auch von Journalisten aus der Qualitätspresse (z. B. "Die Zeit") zitiert – offenbar ohne diese jemals gelesen zu haben.
Zander seziert die Argumente und Studien nicht wie ein Arbeitsgeberfunktionär oder Interessenvertreter, der sich in einer Tarifauseinandersetzung befindet. Er weist auch auf positive Befunde hin, etwa den Zusammenhang von Arbeitszeitreduzierung und Arbeitszufriedenheit, sinkende Krankenquoten, den Beitrag zur Arbeitgeberattraktivität oder die Möglichkeiten der Prozessoptimierung. Auffällig bei allen gelungenen Experimenten ist allerdings: Es handelt sich vorwiegend um Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden, meist außerhalb des Produktionssektors, die auch nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Für größere Betriebe oder gar für eine Umsetzung in einer ganzen Branche, die im Wettbewerb steht, liegen keine empirischen Erkenntnisse vor.
Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung
Zander ist ein großer Befürworter der Arbeitszeitflexibilisierung, die sowohl Betrieben wie auch den Mitarbeitenden Vorteile bringt. Für ihn ist das Ausdruck einer guten Unternehmenskultur, die für Mitarbeitende ein Umfeld schafft, um gute Leistungen zu bringen. Im letzten Teil des Buches stellt er ausführlich Modelle zur Arbeitszeitflexibilisierung vor, die sich sowohl für die Wissensarbeit als auch für die Produktion eignen. Dabei kommt sein Erfahrungsschatz zur Geltung, über den er insbesondere im Bereich der Schichtarbeit verfügt. Die Überlegungen sind lesenswert, mit vielen Praxistipps angereichert.
Bei der Diskussion über die Vier-Tage-Woche ist Zanders größte Befürchtung, dass die Debatte die vielen Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung verdeckt und das Thema verengt oder gar in negatives Licht rückt. Flexible Arbeitszeiten sind für Zander ein Zukunftsmodell. "Jedes Unternehmen benötigt den Freiraum, für sich individuelle Lösungen zu finden", so sein Fazit.
Buchtipp: Guido Zanders Buch "Wundermittel 4-Tage-Woche? Chancen, Risiken, Grenzen und flexible Alternativen" ist im Haufe-Verlag erschienen. |
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