Am letzten Tag der Cebit 2013 in Hannover, schon auf dem Weg ins Wochenende, bin ich über einen Vortrag gestolpert, in dem ein großes deutsches Unternehmen seine Vision von Bildung 2.0 schilderte. Getauft ist sie auf den Namen Humboldt 2.0. Der Name ist angelehnt an Wilhelm von Humboldt. Der deutsche Bildungsreformer starb bereits 1835, das dreigliedrige Schulsystem das er einst schuf, ist uns bis heute erhalten geblieben. Humboldts Absicht war, Menschen lebenslang individuell zu fördern, in ihrer ganzen „Mannigfaltigkeit“, und sie so zu befähigen, ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen.
Bildung als Wirtschaftssystem
Um die Vision einer Bildungsplattform in der Cloud zu illustrieren und sich besser vorstellen zu können, hat man das Bild eines Marktplatzes gewählt, umschlossen von festen, etwas altmodischen Gebäuden und einer Straße mit einem Bus.
Da gibt es zum Beispiel das Innungshaus, darin sitzt die Content-Werkstatt mit allen Tools die man braucht, um Lerninhalte zu entwickeln und zu Kursen zusammenzubauen. Im Rathaus wird die Qualität gesichert, denn nur gesicherte Qualität wird genehmigt und auf dem Marktplatz an den Lerner gebracht. Es gibt eine Art Bank mit Bezahlfunktion für Inhalte und eine Bibliothek, in der die digitalen Lerneinheiten verwaltet werden. Weitere Komponenten des Systems rund um den Marktplatz sind die Verwaltung, ein Infostand, der über Lerneinheiten informiert, Kooperationstools und Schnittstellen, die alles zusammenführen, sowie das digitale Dokumentenmanagement. Dann gibt es noch eine Management-Struktur und natürlich Analysetools, mit deren Hilfe man jederzeit ohne großen Aufwand genau feststellen kann, welche Lerneinheiten nachgefragt werden und wie der Lernfortschritt der Lerner aussieht.
Es ist an alle Menschen gedacht. An Schüler und Lehrer, an Mütter und Menschen, die sich nach einer beruflichen Pause an den Wiedereinstieg in den Beruf vorbereiten wollen, an Leute, die ihre Steuererklärung selbst machen wollen und an Rentner, die Lerneinheiten bekommen, um sich selbst den Blutdruck messen und die Dosierung ihres Blutverdünners einstellen zu können. Oder an den Knasti, der seinen Schulabschluss nachholt, indem er ebenfalls diese überdimensionale digitale Volkshochschule in der Cloud nutzt.
Verwaltung vor digitalen Lerninhalten
Runtergebrochen auf die Schule dient diese Lernplattform der Stundenvorbereitung, enthält den Vertretungsplan und Lerneinheiten. Es werden der aktuelle Notenschnitt der Schüler darin erfasst, ihre Lernerfolge und Beurteilungen, sowie Einträge im Klassenbuch und der Stundenplan. Der Lehrer ist immer informiert über ihre Stärken und Schwächen, kann Äquivalenzen für sie festsetzen und sich um die individuelle Förderung bemühen. Denn, und das muss betont werden, es geht nicht darum, den Unterricht total durchzudigitalisieren. Das wollen Lehrer nicht. Es geht darum, sie zu entlasten, damit sie sich wieder mehr um die Lehre als Kernaufgabe kümmern können. Und damit sich die Schule nicht selbst um die Technik kümmern muss, findet all das in der Cloud statt.
Wer jetzt denkt, von diesen Visionen sind wir noch weit entfernt, der mag Recht haben. Das gilt allerdings nicht für andere Länder, denn wie zu hören war, denken China und die Türkei schon sehr konkret daran, ihre Schulen mit einer „internen Steckdose“ für eine solche Lernplattform in der Cloud auszurüsten.
Solange es ums Lernen geht und Chancengleichheit beim Zugang zu Lerninhalten bin ich dabei. Hier wird aber ein bisschen zu viel verwaltet, als das es noch um die Interessen des Individuums gehen könnte. Die Technik übrigens gibt es bereits. Und sie wird eingesetzt. In der Personalverwaltung samt integriertem Learning Management System. Sie kommt aus Walldorf, von SAP.
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