Führungskräfterekrutierung bei Puma

Beim Dax-40-Neuling Puma setzt Personalchef Dietmar Knoess auf Nahbarkeit und einen Lean-HR-Ansatz. So bleibt ihm Zeit, dem Interviewteam das Headquarter zu zeigen. Im Interview spricht er über Nach­haltigkeit, Wachstumspläne und die Zusammen­arbeit mit russischen und ukrainischen Beschäftigten.

Personalmagazin: Die Recherche "Sneakerjagd" verfolgte im vergangenen Jahr Turnschuhe auf ihrem Entsorgungsweg. Wissen Sie, was mit den Millionen getragener Puma-Sportschuhe passiert?

Dietmar Knoess: Der größte Teil landet vermutlich im Restmüll. Aber wir arbeiten schon längere Zeit an nachhaltigeren Produkten und Recycling-Lösungen. Wir waren 2010 das erste Unternehmen, das einen kompostierbaren Schuh entwickelt hat. Damals mussten wir allerdings feststellen, dass die Konsumenten noch nicht so weit waren. Inzwischen hat sich das gewandelt. Gerade bei der jüngeren Generation ist Nachhaltigkeit stärker im Bewusstsein verankert.  

Personalmagazin: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen?

Knoess: Wir schauen uns den negativen Impact unserer Geschäftstätigkeit sehr genau an. Bereits seit 2010 haben wir Bonusziele, die  mit Nachhaltigkeit in Verbindung stehen: Reduktion von Wasser, Kohlenstoffdioxid und Abfall. Inzwischen haben wir die Ziele ausgeweitet und wollen bis 2025 rund 90 Prozent nachhaltige Produkte entwickeln. Letztes Jahr haben wir 55 Prozent erreicht. 

Zum Nachhaltigkeitsengagement zählt auch Green HR

Personalmagazin: Ein Schuh aus recyceltem Material: Das heißt, Sie sammeln Ihre alten Schuhe wieder ein, um sie wiederzuverwerten? 

Knoess: Ja. In unseren Shops und auch hier auf dem Campus haben wir Boxen, in denen wir die getragenen Schuhe einsammeln, um sie dem Recycling zuzuführen. Das machen wir auch mit Trikots und stellen aus den recycelten Fasern die sogenannten Re:Jerseys her, in denen beispielsweise Manchester City und Borussia Dortmund spielen.

Personalmagazin: Ist dieser Ansatz auch außerhalb von Sponsorings im Endkundenmarkt umsetzbar?

Knoess: Es ist nicht nur denkbar, sondern auch machbar, wenn der Konsument unser Angebot von nachhaltigen Produkten annimmt. Nachhaltige Produkte haben ihren Preis.

Personalmagazin: Sie haben den größten Teil ihrer Produktion an Subunternehmer ausgelagert. Welchen Einfluss haben Sie dort?

Knoess: Mit Ausnahme eines Werkes in Argentinien, wo wir noch selbst produzieren, arbeiten wir mit Vertragspartnern zusammen. Bei der Auswahl achten wir darauf, dass Nachhaltigkeitskriterien in der Herstellung berücksichtigt werden – sei es in Form erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe oder bei den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten dort. Besonders das Thema "Female Empowerment" ist uns ein Anliegen.  

Personalmagazin: Unter dem Schlagwort "Green HR" bemühen sich zunehmend auch Personalverantwortliche, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Unternehmens zu leisten. Sie auch?

Knoess: Definitiv. Wir schauen genau darauf, wo wir einen positiven Einfluss haben können. Beispielsweise beim Fuhrpark. Fünfzig Prozent unserer Fahrzeuge sind E- oder Wasserstoffautos. Verbrenner schaffen wir keine mehr an. Außerdem sind unsere deutschen Standorte durch eigene Solarpanels klimaneutral. Emissionspapiere kaufen wir nur dort, wo es gar nicht anders geht.

Personalmagazin: Gibt es weitere Aspekte, die Sie betrachten?

Knoess: Ich bin außerdem Coach in unserem Sustainability-Komitee. Dort fokussieren wir uns auf die Aufklärungsseite – etwa mit digitalen Lernprogrammen für unsere Mitarbeitenden. Der Wandel beginnt beim Mindset. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder etwas verändern und beitragen kann. 

Nachhaltiges Personalmanagement mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Weiterbildung und Wellbeing-Angeboten

Personalmagazin: Unter dem Sammelbegriff "Green HR" etabliert sich der Unterbegriff "People Sustainability". Was verstehen Sie darunter?

Knoess: Personalmanagement nachhaltig zu denken. Wobei das nach meiner Ansicht im grundsätzlichen Interesse jedes Unternehmens liegen sollte. Obwohl wir im Durchschnitt ein junges Unternehmen sind, wollen wir unseren Mitarbeitenden eine langfristige Perspektive bieten. 

Personalmagazin: Wenn ich mich im Headquarter umsehe, habe ich den Eindruck, es gibt nur sehr wenige ältere Mitarbeitende.

Knoess: Das stimmt so nicht. Natürlich merkt man, dass wir sehr viele junge Mitarbeitende beschäftigen. Wir sind eine junge Marke und wachsen seit 2014 mit durchschnittlich 15 Prozent pro Jahr. Aktuell haben wir 700 offene Stellen zu besetzen. Recruiting ist ein Dauerthema für uns. Aber wir haben durchaus Kolleginnen und Kollegen, die schon seit 25 und mehr Jahren bei uns arbeiten. Unser Anspruch ist eine lebensphasenorientierte Personalarbeit. Dafür wollen wir die passenden Angebote schaffen. 

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Personalmagazin: Welche sind das genau?

Knoess: Sehr flexible Arbeitszeitmodelle, umfangreiche Wellbeing-Angebote, Sportmöglichkeiten, Angebote für Familien, Eltern-Kind- Büros, eine umfangreiche und hochwertige Betriebsgastronomie, Weiterbildungsprogramme und einiges mehr. 

Personalmagazin: Ihr Unternehmen verzeichnete im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatzrekord. Für 2022 hat Ihr CEO die anfängliche Wachstumsprognose nach unten korrigiert. Woran hakt es?

Knoess: Wir verfolgen auch weiterhin eine klare Wachstumsstrategie. Gleichzeitig bringt die weltpolitische Lage gerade einige nicht vorhersehbare Faktoren in unsere Planung. Da ist die Inflation zum einen, zum anderen auch Währungskurse, da wir sehr viele Waren in US-Dollar sourcen. Das erzeugt Druck auf die Marge und führt zur Frage: Inwieweit können wir die Kostensteigerungen bei gleichzeitiger Lohnsteigerung als Preissteigerung an unsere Kunden weitergeben? Kurzum: Wir wachsen, haben den Fuß aber auf dem Bremspedal, um das Tempo dosieren zu können.

Personalmagazin: In den vergangen zwei Jahren mussten Sie fast 2.000 neue Mitarbeitende onboarden. Wie wirkt sich das auf die Unternehmenskultur aus?

Knoess: Die Kultur ist ein integraler Bestandteil von Puma. Deshalb ist es für uns entscheidend, neue Kolleginnen und Kollegen gut onzuboarden. In der Hochphase der Pandemie ist uns das auch virtuell gelungen, aber mit dem Erlebnis, hier auf dem Campus zu sein, ist das keinesfalls vergleichbar. Die spontane Begegnung, der kreative Austausch, das kurze Gespräch, davon leben wir. 

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Personalmagazin: Sie sitzen im Großraumbüro mit Ihren Mitarbeitenden.

Knoess: Ja, ich möchte für mein Team ansprechbar sein. Außerdem bin ich oft den halben Tag auf dem Campus unterwegs, mache ein Meeting hier, eines da, spreche mit unseren Beschäftigten. HR muss nahbar sein und nicht hinter einer Glastüre sitzen. 

Interne Talentmobilität und Digitalisierung leben

Personalmagazin: Ist das Ihr genereller Anspruch an Führungskräfte im Unternehmen, nahbar zu sein?

Knoess: Ja. Sie werden festgestellt haben, dass wir hier einen sehr lockeren Umgang miteinander pflegen. Das funktioniert auch deshalb, weil wir bei der Besetzung von Führungsstellen primär auf interne Talentmobilität setzen. Drei Viertel unserer Führungskräfte sourcen wir intern. Selbst auf dem Senior Management Level haben wir seit 2014 niemanden mehr extern eingestellt. Vom Praktikanten zum Vorstand, das ist bei uns möglich.

Personalmagazin: Wie stellen Sie die interne Talentmobilität sicher?

Knoess: Wir setzen auf Skill Management, schauen also, welche Fähigkeiten unsere Beschäftigten haben, und vergleichen diese dann mit den Anforderungen aus Stellenprofilen. Seit 2017 arbeiten wir unternehmensweit mit der Cloud-Lösung von Workday. Wir ermutigen Mitarbeitende, ihre Skills zu hinterlegen und zu pflegen. 

Personalmagazin: Klappt das denn? Oder anders gefragt: Reicht die Datenqualität für sinnvolle Empfehlungen aus?

Knoess: Die Datenqualität sicherzustellen bleibt eine Herausforderung. Aber da sind wir schon sehr gut unterwegs. Wenn die Mitarbeitenden feststellen, dass es ihnen nützt, Informationen zu teilen, sind sie auch eher bereit, das zu tun. 

Personalmagazin: Wie ist der Digitalisierungsgrad Ihrer HR-Organisation?

Knoess: Hoch. Wir verfolgen den Ansatz einer "Lean HR", also eines schlanken Personalbereichs. Aktuell haben wir circa 24 FTE, verteilt auf 40 Kolleginnen und Kollegen bei rund 18.000 Beschäftigen im Unternehmen. Diese haben globale, regionale und lokale Funktionen. Wenn wir leistungsfähig bleiben wollen, geht das nur mit einem hohen Digitalisierungsgrad und effizienten Prozessen. (Knoess packt sein Smartphone aus und sucht nach einer App.) Sehen Sie, Zeiterfassung, Abwesenheitsanträge, Lohndokumente, Skill-Datenbank, Learning-Programme, Feedback, alles hier dabei. Ich nutze unser HCM-System fast ausschließlich mobil. 

Personalmagazin: Mehr Zeit für Beratungsaufgaben dank digitalisierter Prozesse, das Credo vieler Softwareanbieter. Glauben Sie daran?

Knoess: Wir lassen die Administrationsrolle zunehmend hinter uns. Ein Großteil unserer Aufwände entsteht durch die Internationalität unserer Belegschaft. 40 Prozent unserer Mitarbeitenden sind nicht aus Deutschland. Also verbringen wir viel Zeit damit, Arbeitserlaubnisse zu bekommen, Umzüge zu organisieren und internationale Mitarbeitende beim Onboarding zu unterstützen. 

Talentmanagement, Recruiting und Diversität im Fokus

Personalmagazin: Sie begannen Ihre berufliche Laufbahn im Vertrieb. Wie beeinflusst das Ihren Blick auf HR?

Knoess: Stimmt, ich habe in den Neunzigern als Store-Manager angefangen. HR sehe ich bis heute als Vertriebsorganisation.

Personalmagazin: Warum sind Sie seither Personaler geblieben?

Knoess: Weil ich überzeugt bin, einen der besten Jobs bei Puma zu haben. Wir sind nah am Business und nah an den Menschen.

Personalmagazin: Was sind die Eckpfeiler Ihrer HR-Strategie?

Knoess: Talentmanagement, Recruiting und Diversity und Inklusion. 

Personalmagazin: Wie hoch ist der Frauenanteil in Führungspositionen?

Knoess: Der liegt bei 44 Prozent über alle Hierarchieebenen. Im höheren Management etwas geringer. Diversität auf Vorstandsebene ist wichtig. Noch wichtiger ist, Mitarbeiterinnen, die führen möchten, auf allen Ebenen zu unterstützen. Das ist bei uns der Fall.

Diversität auf Vorstandsebene ist wichtig. Noch wichtiger ist, Mitarbeiterinnen, die führen möchten, auf allen Ebenen zu unterstützen." - Dietmar Knoess @PUMAGroup


Personalmagazin: Eine Vorständin kann eine Vorbildfunktion haben.

Knoess: Jeder Vorstand, ungeachtet des Geschlechts, hat eine Vorbildfunktion. Für entscheidender halte ich jedoch, dass Unternehmen Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen gleiche Chancen und Unterstützung geben. 

Personalmagazin: Stichwort: Arbeitsbedingungen. Wie wirkt sich das Lieferkettentransparenzgesetz auf Puma aus?

Knoess: Wir haben uns bereits in der Vergangenheit verschiedenen Brancheninitiativen für höhere Arbeitsstandards und bessere Arbeitsbedingungen angeschlossen. Außerdem haben wir ein Safe-Team, das regelmäßig die Arbeitsbedingungen bei unseren Vertragspartnern überprüft. Was neu hinzukommt, ist die umfangreiche Dokumentation. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Kontrolle nur ein Teil der Lösung sein kann. Gleichzeitig muss es auch darum gehen, ein Bewusstsein für Missstände und gemeinsame Standards zu schaffen und auf Vertrauen zu setzen.

Personalmagazin: Sie betreiben einige hundert Läden in Russland. Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf die Beschäftigen dort aus?

Knoess: Aktuell sind unsere Mitarbeitenden in Russland bei voller Bezahlung freigestellt. Unsere Stores bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Wie es mittelfristig weitergeht, müssen wir sehen. Gleichzeitig fühlen wir uns unseren 1.300 Kolleginnen und Kollegen dort verpflichtet. 

Personalmagazin: Wie kommt diese Entscheidung bei Ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen an?

Knoess: Viele haben Verständnis, denn wir sind ja Kolleginnen und Kollegen. Aber natürlich ist die Situation sehr persönlich und emotional. Allen Mitarbeitenden in der Ukraine haben wir angeboten, nach Deutschland oder Polen zu kommen, und viele haben wir sogar persönlich an der Grenze abgeholt. Für diejenigen, die das Land nicht verlassen wollten, haben wir ein Sanatorium im Westen des Landes als Zufluchtsort gemietet. 

Personalmagazin: Beschäftigen Sie darüber hinaus Geflüchtete aus der Ukraine?

Knoess: Ja, momentan sind es 30 Menschen. Wir haben sie und ihre Familien, insgesamt 120 Erwachsene und Kinder, in Erlangen untergebracht. Die Kinder kommen auch teilweise mit auf den Campus.


Dieses Interview erschien zuvor in Personalmagazin Ausgabe 8/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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