„The Learning Experience Market Explodes“, titelte vor Kurzem der us-amerikanische E-Learning-Analyst Josh Bersin auf seiner Internet-Seite. Anlass für seinen Artikel war eine Übernahme. Degreed, nach eigenen Angaben einer der Erfinder der Learning-Experience-Plattformen, kurz LXP, hat mit Pathgather einen weiteren Pionier dieser technologischen Grundlage von E-Learning übernommen. Ermöglicht hatte die Übernahme unter anderem eine wenige Monate zurückliegende Finanzierungsrunde, bei der Degreed 42 Millionen Dollar eingesammelt hatte.
"The Learning Experience Market Explodes" (Josh Bershin anlässlich der Übernahme von Pathgater durch Degreed)
LXPs hätten sich als neues Betriebssystem für das Training und die Entwicklung von Mitarbeitern etabliert, so der CEO von Degreed, Chris McCarthy, in einem Blogpost. Beide Unternehmen hätten den Markt neu definiert, zusammen habe man jetzt die Produkte, das Know-how, die Beziehungen und die Kriegskasse, um Innovationen und das Wachstum dramatisch zu beschleunigen. Eine Ansage, die die Konkurrenz, laut Josh Bersin, unter Druck setzen werde.
Learning-Management-Systeme sind rein administrative Tools
Was steckt dahinter? Learning-Management-Systeme, die klassischen LMS, gedacht und genutzt in erster Linie um Lernen und Lerninhalte zu verwalten, wurden bereits mehrfach abgeschrieben. Es gibt sie zwar immer noch und der Abgesang war nicht wirklich berechtigt, aber es fehlte die Phantasie.
Die Technologie wurde weiterentwickelt, an vielen Stellen aufgebohrt und um Funktionen erweitert, aber in erster Linie blieben LMS ein administratives Tool, IT eben, für die sich weder Personalentwickler noch Lerner je wirklich begeistern konnten. In der Folge haben ERP-Anbieter von Oracle bis SAP und Workday eine starke Marktposition in diesem Bereich eingenommen.
Learning-Experience-Plattformen - die neue Lernwelt
LXPs sollen den gesteigerten Ansprüchen an betriebliche Weiterbildung ebenso gerecht werden wie dem durch digitale Technologien veränderten Konsumverhalten der Lerner. Das ist geprägt durch Amazon, Netflix und Google, die ihre Nutzer besser kennen als die sich selbst und in Bild, Schrift und Ton per Sprachassistent immer neue Vorschläge machen, was als nächstes zu kaufen, zu hören oder anzusehen ist. Auch Chatprogramme, die den schnellen Austausch untereinander ermöglichen, gehören zur Lernwelt im beruflichen wie privaten Alltag dazu.
Ein LXP wäre nicht vollständig ohne die eigenen Kompetenzen ebenso anzuzeigen wie zu ergänzende Fähigkeiten, dafür passende Lerninhalte, aufbereitet in verschiedenen Medien, von Artikel bis Podcast und das alles auch noch vollautomatisch an den jeweiligen Lernfortschritt angepasst. Womöglich auch noch mit einer künstlichen Intelligenz als Berater, kurzum ein Traum. Oder Alptraum, zum Beispiel für die Personalentwicklung, die einen guten Teil ihres Aufgabenbereichs dahinschmelzen sieht.
Haben Learning-Management-Systeme eine Zukunft?
Was wird aus den kleineren LMS-Anbietern, die eine stabile Technologie anbieten und sich ihre Kunden hart erarbeitet haben? Können sie weiter mithalten und sich ihren Anteil am weiter wachsenden E-Learning-Markt sichern?
Es wird sicher noch die ein oder andere Übernahme geben. Aber ihre Zukunft ist auch davon abhängig, wie gut sie die Chance nutzen, sich mit ihren Kunden in einem wachsenden Markt weiterzuentwickeln. Dazu braucht es sicher auch Investitionen, vor allem aber Mut, eine gutes Quäntchen Start-up-Mentalität mit Ideen und Phantasie. Dann wird aus dem alten LMS ganz sicher ein modernes Lernportal.
Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "Wirtschaft + Weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt. Ihre Schwerpunktthemen sind das Lernen mit digitalen und sozialen Medien.