Rolle der Personalentwicklung wird unterschätzt

Unzureichende Entwicklungsperspektiven, wenig Investitionen in Weiterbildung, ein Mangel an Feedbackgesprächen: Die Ergebnisse des HR-Monitors 2024 offenbaren Nachholbedarf in puncto strategische Personalentwicklung. Eine solche wiederum sollte drei Kernelemente miteinander verbinden.

Strategische Personalentwicklung ist zum Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg in Deutschland geworden. Der Grund: Ein zunehmender Fachkräftemangel trifft auf eine hohe Wechselbereitschaft junger Beschäftigter. Während Arbeitnehmende der Babyboomer-Generation im Laufe ihres Berufslebens auf durchschnittlich gerade einmal 1,3 Arbeitgeber gekommen sind, könnten Millennials und die Generation Z nach aktuellen Prognosen bis zu 20 Mal ihren Arbeitgeber wechseln.

Mangel an Feedbackgesprächen und Entwicklungsperspektiven

Die Unternehmen sind jedoch nur unzureichend auf die neue Arbeitswelt eingestellt. Das ergab eine Umfrage im Rahmen des HR-Monitors 2024 von McKinsey unter mehr als 500 HR-Professionals und über 1.000 Beschäftigten aus Unternehmen mit durchschnittlich rund 10.000 Mitarbeitenden. Die Resultate zeichnen ein besorgniserregendes Bild über den Stand der Personalentwicklung und Mitarbeiterbindung – eines, das langfristige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Unternehmen haben könnte. Denn die Beschäftigten durchlaufen ihr Berufsleben zu einem erheblichen Teil ohne den Kompass regelmäßiger Feedbackgespräche und sinnvoller Entwicklungsperspektiven.

Die Zahlen sprechen für sich: Ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland gibt an, das ganze Jahr über kein Feedback von ihren Vorgesetzten zu erhalten. Ein weiteres Drittel führt nur jährliche Leistungsgespräche, 20 Prozent immerhin halbjährlich. Nur 14 Prozent profitieren von häufigeren Dialogen. Dieser Mangel an regelmäßigem, konstruktivem Feedback ist nicht nur eine verpasste Gelegenheit – den Personalverantwortlichen fehlt damit zugleich ein wertvolles Instrument, um Mitarbeitende zu motivieren und auf ihrem Entwicklungspfad zu unterstützen.

Verschenktes Potenzial durch zu wenig Weiterbildungen

Hinzu kommt, dass fast ein Viertel (23 Prozent) der Befragten angeben, im vergangenen Jahr keinen einzigen Tag in ihre Weiterentwicklung investiert zu haben. Durchschnittlich erhalten Beschäftigte lediglich acht Fortbildungstage im Jahr. Die Anzahl der Trainingstage der Unternehmen korreliert mit den Trainingsausgaben: Im Durchschnitt werden knapp 1.750 Euro pro Mitarbeiter / Mitarbeiterin und Jahr für Weiterbildungsmaßnahmen bereitgestellt. Jedes fünfte Unternehmen gibt sogar weniger als 250 Euro pro Kopf für die jährliche Weiterentwicklung aus.


Schaubild HR-Monitor McKinsey

Die geringe Investitionsbereitschaft überrascht umso mehr, als acht von zehn Unternehmen (79 Prozent) gleichzeitig Qualifikationslücken bei ihren Mitarbeitenden beklagen. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass kontinuierliche Weiterbildung im Zuge des rasanten technologischen Fortschritts zu den zentralen Faktoren für den nachhaltigen Unternehmenserfolg zählt.

Mit zielgerichteten Weiterbildungsangeboten Qualifikationslücken schließen

Das hat Folgen – nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Unternehmen. Denn ohne klares Feedback wissen Mitarbeitende zumeist nicht, welchen konkreten Anforderungen und Zielen sie gerecht werden sollen. Und ohne Unterstützung durch passende Entwicklungsangebote werden sie mit möglicherweise vorhandenen Lücken "allein gelassen". In beiden Fällen kann das Unternehmen das tatsächliche Potenzial seiner Mitarbeitenden nicht voll ausschöpfen und riskiert, dass sie auf einem unbefriedigenden Leistungsniveau verharren.

In solchen Situationen zeigt sich der Wert professioneller Personalentwicklung: Effektive und regelmäßige Feedback- und Entwicklungsgespräche sind die Grundlage dafür, Qualifikationslücken über zielgerichtete Weiterbildungsangebote zu schließen. Vorreiterunternehmen investieren nicht nur deutlich mehr als der Durchschnitt – die besten 10 Prozent investieren 5.500 Euro pro Beschäftigtem / Beschäftigter –, sie zeichnen sich auch durch eine enge Verzahnung von Leistungsdialogen, personalisierten Lernpfaden und strategischer Nachfolgeplanung aus. Gerade letztere ist ein häufig vernachlässigtes Element der strategischen Personalentwicklung: Die befragten Personalfachkräfte geben an, für 72 Prozent der aus Unternehmenssicht wichtigsten Positionen keine strategische Nachfolgeplanung zu betreiben. Bei den kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) sind es sogar 78 Prozent.

Strategische Personalentwicklung: die wichtigsten Elemente

Eine frühzeitige und konsequente Nachfolgeplanung hingegen erlaubt es, Mitarbeitenden langfristige Perspektiven aufzuzeigen und sie gezielt auf neue Aufgaben vorzubereiten. Ein maßgeschneiderter Entwicklungspfad für die nächste Rolle bringt dann nicht nur kompetentere Fach- und Führungskräfte hervor, sondern kann auch die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden stärken. Derzeit allerdings verfügen erst neun Prozent der befragten Unternehmen über eine strategische Personalentwicklung, die die folgenden drei Kernelemente verbindet:

Regelmäßige Leistungsgespräche: Ein strukturiertes Leistungsmanagementsystem sieht regelmäßige Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden vor. Diese Gespräche sollten sich auf Stärken, Entwicklungsbereiche und Karrierewünsche konzentrieren. Durch die Verknüpfung von Leistungsbeurteilung, Vergütung und Aufstiegsperspektiven können Unternehmen ihre Beschäftigten zu Höchstleistungen anregen.

Gezielte Entwicklungsmöglichkeiten: Die Erkenntnisse aus den Leistungsgesprächen fließen in einen individuellen Entwicklungsplan ein. Dabei sollte eine möglichst breite Palette an internen und externen Schulungsangeboten nicht nur auf Basis der aktuellen Rolle vorgeschlagen werden, sondern gezielt auf die individuellen Qualifikationslücken und Karriereziele eingegangen werden. Gleichzeitig gilt es sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Position Zugang zu einer Mindestanzahl von Schulungstagen pro Jahr haben.

Systematische Nachfolgeplanung: Die Daten aus dem Leistungs- und Entwicklungsmanagement wiederum werden systematisch erfasst und genutzt, um die besten und passendsten Talente innerhalb des Unternehmens zu identifizieren und als potenzielle Nachfolger für Schlüsselpositionen zu definieren. Dadurch wird ein reibungsloser Übergang gewährleistet und das Risiko von Talentlücken minimiert.

Im Idealfall erleben Beschäftigte einen Personalentwicklungszyklus, in dem alle Bausteine ineinandergreifen. Für die strategische Personalentwicklung gibt es also noch einiges zu tun, um das volle Potenzial aller Mitarbeitenden zu realisieren. Die angespannte Situation am Arbeitsmarkt aber dürfte zugleich ein Weckruf an die Unternehmen sein, diese Aufgabe jetzt gezielt anzugehen.  


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