Die überschätzte Generationendebatte
Der Spiegel heizt die Debatte an. Unter dem Titel "Back to Biedermeier" werden die Ergebnisse einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey unter mehr als 4.000 16- bis 29-jährigen analysiert. Zusammengefasst: Privatleben ist der Gen Z wichtiger als Karriere, Sparen wichtiger als Konsum und der Sinn eines der drei wichtigsten Auswahlkriterien bei der Berufswahl. So entsteht der Eindruck, die Wirtschaft müsse bald ohne (Nachwuchs-)Führungskräfte und Leistungsträger sowie Leistungsträgerinnen auskommen – und ihre Produkte und Dienstleistungen an diejenigen verkaufen, die noch immer ihr Glück im Konsum suchen. Grund zur Panik?
An dieser Stelle sollten Personaler und Personalerinnen – im Stile eines Yogis – dreimal tief in den Bauch atmen und loslassen. Denn die mediale Aufregung angesichts der vermeintlichen Generationenunterschiede ist übertrieben. Wissenschaftlich betrachtet, so zeigt der Marburger Soziologe Martin Schröder in einer Studie (2018), gibt es in Deutschland keine Generationenunterschiede mit Blick auf die Einstellung zum Arbeitsplatz. Zu dieser Einschätzung kommen auch weitere wissenschaftliche Publikationen ("Generationendebatte: Immer noch viel Lärm um nichts?" oder "Generation Y: Viel Lärm um fast Nichts").
Befragungen mit methodischen Schwächen
Doch woran liegt das? Häufig an methodischen Schwächen der Befragungen. Die beginnen schon beim Generationenbegriff, der nicht trennscharf ist. So lassen sich je nach Autor für die Generation X Anfangsjahre von 1961 bis 1965 finden und eine Zeitspanne bis 1975 oder 1981. Gleiches gilt für die folgenden Generationen. Nicht besser wird die Sache, wenn Referenzwerte fehlen. Wie sind die Aussagen der Gen Z einzuordnen, wenn nicht die vorherigen Generationen im gleichen Alter zu den gleichen Themen befragt wurden? Im Zweifel hilft eine babylonische Schrifttafel bei der Interpretation. Auf der stand: "Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Generation vorher und es wird ihr niemals gelingen, unsere Werte zu erhalten."
Natürlich ginge es auch anders, wissenschaftlich sauber – beispielsweise mit einer sequentiellen Längsschnittstudie. Dabei werden einem Panel derselben Personen zu unterschiedlichen Messzeitpunkten identische Fragen gestellt. Doch dieses Vorgehen ist langwierig und aufwendig. Für Trendforscher also eher nichts. Denn die sind gedanklich schon längst bei den Alphas oder Betas. Obwohl, letztere müssten erst geboren werden. Macht nichts! Denn gut möglich, dass die gar nicht mehr arbeiten wollen. Zumindest bis zum Schulabschluss.
Also alles nur heiße Luft? Was ist etwa mit der Generation Greta (Thunberg)? Fridays for Future (FFF) zog zehntausende Schülerinnen und Schüler auf die Straße, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Aber eine Generation? Nein! Denn mindestens ebenso viele blieben zu Hause. Hinzu kommt, um beim Beispiel zu bleiben, dass der Klimaschutz Menschen über Altersgrenzen bewegt. Wäre er ein Generationenthema, müssten wir uns in spätestens zehn, bis zwanzig Jahren keine Sorgen mehr um die Klimarettung machen. Dann säße die Gen Z am Steuer der Politik und alles wäre besser.
Besser: Lebensphasenorientierte Personalarbeit
Was heißt das nun für die Wirtschaft, Unternehmen und HR? Wer seine Personalarbeit an einer Generation ausrichtet, verschwendet wertvolle Ressourcen. Sinnvoller ist eine Personalarbeit, die sich an Lebensphasen orientiert – und Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, sich immer wieder neu für das Modell zu entscheiden, das zu den aktuellen Bedürfnissen passt. Beschäftigte, die eine Familie gründen, haben häufig das Bedürfnis, flexibel arbeiten zu können. Für Beschäftigte, die Angehörige pflegen, gilt das ebenso. Berufseinsteiger interessieren sich häufig für Karrieremodelle, die Unternehmen anbieten. HR sollte deshalb "Produkte" anbieten, die Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen helfen, Arbeit und Leben zu organisieren.
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