Arbeitgeber sollte Verdacht gegen Arbeitnehmer vor Strafanzeige überprüfen
Hat ein Arbeitgeber einen Verdacht gegenüber einem Arbeitnehmer, ist es nicht nur ein Gebot der Fairness, diesen zu hinterfragen und überprüfen, ehe er eine Anzeige erstattet. Es ist auch wirtschaftlich sinnvoll.
Verdacht gegen Mitarbeiter vor Anzeige erhärten
Diese Erfahrung machte etwa ein Werttransportunternehmer der einem Fahrer misstraute, der bei einem beschäftigt war. Zur Überprüfung der Echtheit eines Geldscheines hatte der Fahrer diesen einer zuständigen Polizeibehörde übergeben. Nachdem er den Geldschein zurückerhalten hatte, gab er diesen in einer Filiale des Wertransportunternehmens ab und vergaß, sich die Übergabe quittieren zu lassen. Seitens der Arbeitgeberin konnte der Vorgang später nicht nachvollzogen werden, so dass diese Strafanzeige gegen den Arbeitnehmer, der inzwischen ausgeschieden war, stellte.
StA stellte Ermittlungsverfahren ein
Der Arbeitgeber hatte dem Betroffenen vor Erstattung der Strafanzeige keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
- Nachdem der ausgeschiedene Mitarbeiter von der Strafanzeige Kenntnis erhalten hatte, beauftragte er einen Anwalt mit seiner Verteidigung.
- Dieser schaltete sich in das laufende Ermittlungsverfahren ein und half, den Sachverhalt aufzuklären.
Da sich herausstellte, dass der Mitarbeiter den Geldschein tatsächlich zurückgegeben hatte, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein.
Überflüssige Anzeigen vermeiden
Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens entstandenen Anwaltskosten verlangte der ehemalige Mitarbeiter von dem Transportunternehmen zurück. Er wies darauf hin, dass er bei entsprechender Nachfrage ohne weiteres zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können. Die Anzeige sei daher völlig unnötig gewesen. Daher seien ihm die Kosten für die Vertretung seiner Interessen im Ermittlungsverfahren durch einen Rechtsanwalt zu ersetzen.
Arbeitgeber lehnte Übernahme der Verteidigerkosten ab
Nachdem das Transportunternehmen nicht zur Erstattung der Kosten bereit war, zog der Betroffene vor das Arbeitsgericht. Das ArbG gab ihm Recht. Dies war nicht selbstverständlich, da nach einem Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1987 Schadensersatzansprüche - unter anderem wegen entstandener Verteidigerkosten - gegen einen Anzeigeerstatter grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Grundsätzlich darf jedermann, der sich einer rechtswidrigen Tat ausgesetzt sieht - ob zu Recht oder zu Unrecht - Anzeige erstatten, wenn er dies in gutem Glauben und nach bestem Gewissen tut.
Nach der Auffassung des BVerfG darf der Anzeigeerstatter für den Fall der Nichterweisbarkeit des Tatvorwurfs keinesfalls mit dem Risiko von Schadensersatzforderungen belastet werden. Dies folge unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG, Beschluss v. 25.2.1987, 1 BvR1086/85).
Fürsorgepflicht: Strafanzeige nicht ohne Anhörung des Mitarbeiters
Nach der Auffassung des ArbG Köln (Urteil v. 18.12.2014, 11 Ca 3817/14) gilt dieser vom BVerfG aufgestellte Rechtsgrundsatz nicht unbeschränkt. In einem Arbeitsverhältnis seien die besonderen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
- Unter dem Gesichtspunkt der arbeitgeberlichen Fürsorge dürfe der Arbeitgeber einem Mitarbeiter nicht grundlos Nachteile zufügen.
- Der Verdacht einer Straftat sei zwar grundsätzlich ein anerkennenswerter Grund, die Staatsanwaltschaft einzuschalten,
- jedoch müsse ein Arbeitgeber vor Einleitung eines solchen Schrittes dem Mitarbeiter oder ehemaligen Mitarbeiter zumindest Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
- Dies folge unmittelbar aus der den Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflicht.
Arbeitgeber sollte Anhörung nicht grundlos unterlassen
Eine solche Anhörung hatte der Arbeitgeber hier grundlos unterlassen. Dies wiege umso schwerer, als auch aus der Sicht des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung das Vorliegen einer Straftat keinesfalls als gesichert erschien. Eine Abklärung mit Hilfe des Arbeitnehmers wäre daher unabdingbar gewesen.
Die Verletzung dieser Fürsorgepflicht durch Erstattung einer Strafanzeige ohne Einholung einer Stellungnahme des Arbeitnehmers begründe vorliegend daher die Pflicht zum Ersatz des durch die aus Sicht des Klägers adäquate Einschaltung eines Strafverteidigers entstandenen finanziellen Nachteils.
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