Auch langandauernde Konfliktsituationen sind nicht zwingend Mobbing
Ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers wegen Mobbings kommt grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der betreffende Arbeitgeber die Grenzen zum rechtswidrigen bzw. sozialinadäquaten Verhalten überschreitet. Erst dann kommt die Annahme einer unerlaubten Handlung oder eines Verstoßes gegen die Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB in Betracht.
Übliche Konfliktsituationen im Arbeitsleben reichen nicht aus
Konfliktsituationen, die im Arbeitsleben üblich sind, erfüllen dagegen nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Hamm auch bei längerer Fortdauer nicht zwingend die Tatbestandsvoraussetzungen des Mobbings. Dabei komme es, so das LAG, im Rahmen der vorzunehmenden objektiven Betrachtungsweise auf das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers nicht an.
Sozial- und rechtsadäquates Verhalten ist maßgebend
Ausschlaggebend sei vielmehr, ob das Verhalten des Arbeitgebers sozial- und rechtsadäquat sei. Der Arbeitgeber überschreite die Grenze zum rechtswidrigen bzw. sozialinadäquaten Verhalten, wenn seine Verhaltensweisen bezweckten oder bewirkten, dass
- die Würde des Arbeitnehmers verletzt und
- ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen werde.
Vorwerfbares Verhalten auch durch Gesamtschau denkbar
Die Grenze könne, so das LAG, auch dann überschritten sein, wenn einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen, die dem Arbeitgeber zuzurechnen seien, für sich allein betrachtet zwar noch keine Rechtsverletzungen darstellten, eine Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen aber den Rückschluss auf eine Vertrags- oder Rechtsgutverletzung zulasse, weil die Zusammenfassung der jeweiligen Einzelhandlungen wegen der ihnen zu Grunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führe.
LAG verneint Entschädigungsanspruch wegen Mobbings
In dem zur Entscheidung des LAG stehenden Fall waren die vom dortigen Kläger behaupteten und dem beklagten Arbeitgeber zuzurechnenden Verhaltensweisen nicht geeignet, einen Mobbingvorwurf zu stützen und Entschädigungsansprüche auszulösen, und zwar weder für sich allein gesehen noch in ihrer Gesamtschau. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hielt das LAG in der dortigen Sachverhaltskonstellation insbesondere
- den Ausspruch einer ordentlichen personenbedingten Kündigung aus Krankheitsgründen,
- die fehlende Zuleitung des Widerspruchsschreibens des Betriebsrates nach § 102 Abs. 4 BetrVG mit der arbeitgeberseitigen Kündigung,
- die Zuweisung einer anderen Tätigkeit im Wege des § 106 GewO,
- die (zunächst) fehlende Anerkennung eines Arbeitsunfalls und
- die (zunächst) zurückgestellte Entgeltfortzahlung wegen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit und Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 lit.b) SGB V
für sozialadäquate Verhaltensweisen eines Arbeitgebers und verneinte den Vorwurf des Mobbings sowie einen entsprechenden Entschädigungsanspruch.
(LAG Hamm v. 12.02.2021, 1 Sa 1220/20)
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Hintergrund: Mobbing Schmerzensgeld
Mobbingbetroffene Arbeitnehmer können u. U. eine Geldentschädigung (Schmerzensgeld) als Ausgleich für die Beeinträchtigung ihrer Gesundheit und ihres Persönlichkeitsrechts verlangen. Auch Vertragsverletzungen des Arbeitgebers, z. B. eine Verletzung seiner Fürsorgepflicht, können einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schmerzensgeld begründen. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass der Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter verletzt hat:
- Macht der Mobbingbetroffene ausschließlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend, so steht ihm nur ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus Delikt zu (§ 823 BGB).
- Hat das Mobbing eine Gesundheitsbeeinträchtigung des Betroffenen zur Folge, so kann dieser einen Schmerzensgeldanspruch auch bei einer rechtswidrigen und schuldhaften Vertragsverletzung des Arbeitgebers geltend machen.
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