Paukenschlag! BSG sperrt Versorgungswerk der RAe für Syndikusanwälte
Aus der Sicht der Syndikusanwälte bieten die berufsständischen Versorgungswerke für Rechtsanwälte die Gewähr für einen soliden Aufbau ihrer Altersversorgung. Die Mitgliedschaft beim Versorgungswerk sehen viele als deutlich attraktiver an als die in der gesetzlichen Rentenversicherung. Natürlich wollen Syndikusanwälte aber keine doppelten Mitgliedsbeiträge zahlen.
Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschmettert
Bisher wurde von angestellten Juristen häufig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten der Versorgungswerke befreien zu lassen. Diese Möglichkeit wird es nach den neuesten Entscheidungen des BSG in Zukunft in nennenswertem Umfange nicht mehr geben.
Das BSG hat in letzter Instanz die Klagen von drei Syndikusanwälten abgewiesen, die die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung durchsetzen wollten.
Rechtlicher Ausgangspunkt: Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI
Hauptstreitpunkt ist die Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Hiernach können Beschäftigte von der Pflicht zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden, wenn sie
- kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied in einer öffentlichrechtlichen Versorgungseinrichtung und der dazugehörigen berufsständischen Kammer sind und die gesetzliche Verpflichtung bereits vor dem 01.01.1995 bestanden hat.
- Als weitere Voraussetzungen nennt das Gesetz die Zahlung einkommensbezogener Beiträge in die Versorgungseinrichtung sowie daraus erwachsende Ansprüche auf Leistungen bei verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Alters.
Bisherige Praxis: berufstypischen Bild eines Anwalts im Blick
In der Vergangenheit wurden die Befreiungsanträge von Syndikusanwälten aufgrund § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI unterschiedlich gehandhabt. Überwiegend wurde geprüft, ob die Tätigkeit des Antragstellers dem berufstypischen Bild eines Anwalts entsprach oder nicht. Die Prüfung erfolgte auf der Grundlage der „Zwei-Berufs-Entscheidung“ des BVerfG (BVerfG, Beschluss v. 04.11.1992, 1 BvR 909, 91; 1 BvR 1258/90; 1 BvR 79/85). Hiernach ist die Tätigkeit des Syndikusanwalts aufzuspalten in eine arbeitgeberabhängige, weisungsgebundene Angestelltentätigkeit und in einen unabhängigen anwaltstypischen Teil entsprechend dem Berufsbild der § § 1-3 BRAO.
Vier-Kriterien-Theorie
Das berufstypische Bild des Rechtsanwalts wurde anhand von vier Kriterien geprüft, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind (Hessisches LSG, Urteil v. 02.11.2010, S 52 R 230/09). Diese berufstypische Kriterien, die kumulativ vorliegen mussten waren:
- die rechtsberatende Tätigkeit des Anwalts in Form von selbständiger Ausarbeitung juristischer Lösungswege in konkreten Fallgestaltungen,
- die nach außen tretende eigene Entscheidungskompetenz des Anwalts gegenüber Dritten,
- die eigenständige rechtsgestaltende Tätigkeit, beispielsweise in der Führung von Vertragsverhandlungen,
- die eigenständige Rechtsvermittlung in eigenverantwortlicher mündlicher und schriftlicher Darstellung abstrakter Regelungskomplexe.
Uneinheitliche Rechtsprechungspraxis
In der Praxis führte dies zu teils ausufernden kreativen Vertragsgestaltungen durch die Syndikusanwälte und die Anstellungsunternehmen. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte zum Fragenkomplex war uneinheitlich. In der Praxis war aber doch eine relativ hohe Zahl von Syndikusanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit und bei den berufsständischen Versorgungswerken versichert, was nicht ganz unwesentlich zur wirtschaftlich oft sehr guten wirtschaftlichen Stellung der Versorgungswerke beitrug.
Kein Wahlrecht + Anspruch auf Vermeidung von Doppelversicherungen
Das BSG stellte nun klar, dass ein Anspruch von in wirtschaftlichen Unternehmen beschäftigten Syndikusanwälten auf Vermeidung von Doppelversicherungen nicht existiert. Auch ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten sieht das Gesetz nach Auffassung des BSG nicht vor. Die Entscheidung betrifft allerdings nicht nur den finanziell gut situierten Wirtschaftsanwalt, sondern auch den aus wirtschaftlichen Gründen zu einer Doppeltätigkeit gezwungenen Juristen.
BSG rügt fehlerhafte Auslegung des Gesetzes
Nach Auffassung des BSG haben sowohl die Versorgungsträger als auch viele Sozialgerichte in der Vergangenheit die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI rechtsfehlerhaft ausgelegt. Nach dieser Vorschrift bestehe eine Befreiungsmöglichkeit nur in den Fällen, in denen der Betroffene durch ein und dieselbe Tätigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zur Mitgliedschaft in zwei verschiedenen Versorgungseinrichtungen gezwungen sei. Nur in diesem Fall sei bei Vorliegen der weiteren im Gesetz genannten Voraussetzungen eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung möglich.
Syndikusanwalt übt zwei im Wesen grundverschiedene Tätigkeiten aus
Unter Hinweis auf die Zwei-Berufs-heorie des BVerfG legte das BSG dar, dass der Syndikusanwalt im Wesen zwei völlig voneinander getrennte Tätigkeiten ausübe. Die Tätigkeit als angestellter Mitarbeiter eines Unternehmens sei a priori wesensverschieden von der Tätigkeit des Rechtsanwalts.
Nach dem durch die §§ 1-3 BRAO gezeichneten Berufsbild des Anwalts sei dessen Tätigkeit frei und weisungsunabhängig und unterscheide sich damit grundlegend von der abhängigen Tätigkeit im Rahmen der Beschäftigung in einem Unternehmen. Aufgrund ihrer Wesensverschiedenheit seien diese beiden Tätigkeiten nicht in Einklang zu bringen. Die Zulassung zur Anwaltschaft bedeute die Schaffung eines personen- als auch tätigkeitsbezogenen völlig eigenständigen Berufsbildes.
Keine Verletzung von Grundrechten
Unter Hinweis auf diese zwei voneinander völlig getrennten Tätigkeitsfelder des Syndikusanwalts sieht das Gericht in seiner Entscheidung auch keine unzulässige Einschränkung der nach Art. 12 GG gewährten Berufsfreiheit. Der Syndikusanwalt übe zwei verschiedene Berufe aus, die jeweils eigenen rechtlichen Vorschriften und eigenen Versicherungspflichten unterlägen. Die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen seien für den Betroffenen planbar und beinhalten nach Auffassung der Richter keine wesentliche Einschränkung der beruflichen Möglichkeiten. Mit ähnlichen Erwägungen verneinte das Gericht auch die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.
Vertrauensschutz für befreite Anwälte
Eine wesentliche Einschränkung in der grundsätzlichen Ablehnung der Befreiungsmöglichkeit machte das BSG dann doch noch. Das Gericht stellte klar, dass die Syndikusanwälte, die bereits wirksam von der Pflicht zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien, grundsätzlich Vertrauensschutz genössen. Rückwirkend dürfe eine erteilte Befreiung nicht mehr entzogen werden.
Wichtig: Vertrauensschutz endet mit der konkreten Art der Beschäftigung
Für Syndikusanwälte, die diesen Vertrauensschutz genießen heißt es daher in Zukunft aufzupassen. Bei einer Änderung des Beschäftigungsverhältnisses innerhalb einer Unternehmensgruppe und einer damit einhergehenden Beendigung des bisherigen Beschäftigungsvertrages, kann der Vertrauensschutz enden. Änderungen bestehender Anstellungsverträge sind diesen Fällen daher vorher sehr genau zu bedenken.
BVerfG hat das letzte Wort
Das letzte Wort in dieser Sache hat möglicherweise noch das BVerfG. Die unterlegenen Kläger haben bereits die Einlegung von Verfassungsbeschwerden angekündigt.
(BSG, Urteile v.03.04.2014, B 5 RE 13/14 R; B 5 RE 9/14 R; B 5 RE 3/14 R ).
Fazit: Dies Entscheidungen haben natürlich auch Nachteile für die Versorgungswerke und deren Mitglieder, denen künftige Mittel und solvente Mitglieder abhanden kommen.
Mit Blick auf die Altersversorgung ist es für junge Juristen künftig sinnvoller, Richter zu werden, als sich in die Wirtschaft zu bewerben.
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