Chefarzt eines katholischen Krankenhauses vs. Kirchenarbeitsrecht

Darf ein katholisches Krankenhaus einem Chefarzt kündigen, wenn er ein zweites Mal kirchlich heiratet? Diese Frage beschäftigt zur Zeit nicht nur viele bei der Kirche Beschäftigte, sondern auch fast alle in Betracht kommenden Gerichte. Es geht inzwischen nicht mehr nur um das arbeits- und familienrechtliche Schicksal Einzelner, sondern ziemlich grundsätzlich um das umstrittene Kirchenarbeitsrecht.

Immer noch geht es um die Kündigung eines Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus in Düsseldorf, der nach seiner Scheidung ein zweites Mal kirchlich geheiratet hatte. Beides liegt schon eine Weile zurück und wurde mittlerweile von einigen Richtern und Gerichten verhandelt.

Zug durch die Gerichte

Die Frage der Kündigungsrelevanz dieser zweiter Ehe wird vom BAG, nach einem Intermezzo beim Bundesverfassungsgericht nun überraschend an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet.

Der Fall

In 2009 hatte das katholische St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf dem Chefarzt gekündigt, weil zum zweiten Mal – nach einer Scheidung – geheiratet hatte.

  • Mit der neuerlichen kirchlichen Eheschließung hatte er nach der Ansicht seines kirchlichen Arbeitgebers gegen seine Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen.
  • Grund: Nach der Lehre der katholischen Kirche ist die Ehe unauflöslich.
  • Die Wiederheirat nach einer Scheidung gilt als Sünde und ist für Gläubige mit Sanktionen verbunden.

Chefarzt sah in der Kündigung eine Ungleichbehandlung

Der Arzt klagte daraufhin gegen die Kündigung.und begründete seine Klage auch mit einer Ungleichbehandlung: Schließlich bleibe bei evangelischen Chefärzten eine Wiederheirat ohne arbeitsrechtliche Folgen. Daher vermöge seine erneute Eheschließung die Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Arzt bekam zunächst vor den Arbeitsgerichten Recht

Die deutschen Arbeitsgericht bis hin zum BAG bestätigten seine Rechtsauffassung. Das BAG erklärte mittlerweile war es 2011 - die Kündigung nach einer Abwägung der Rechte der Kirche und denen des Arbeitnehmers für unwirksam.

Die Kündigung des Chefarztes sei sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG. Das BAG stuft zwar die Wiederverheiratung des Arztes als erheblichen Verstoß gegen die Loyalitätspflichten ein. Dieser Verstoß allein rechtfertigt jedoch nicht die ausgesprochene Kündigung, da das Interesse des Arztes an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses "unter dem Strich" hier überwiege.

Maßgebend sei der Umstand,

  • dass die Arbeitgeberin in ihrer Grundordnung (GO) und ihrer Praxis von ihren leitenden Mitarbeitern kein Lebenszeugnis verlangt, dass sich durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtet.
  • Dies komme dadurch zum Ausdruck, dass sie auch nichtkatholische, wiederverheiratete Ärzte beschäftigt
  • und die nichteheliche Lebensgemeinschaft des klagenden Arztes zwischen 2006 und 2008 nicht beanstandet hatte, obwohl dies mit der katholischen Glaubens- und Sittenlehre genauso wenig vereinbar sei.

BVerfG stützt Kirche und hebt BAG-Entscheidigung auf

Das BVerfG hat allerdings das BAG-Urteil für unwirksam erklärte. Es verletze die Kirche in ihren verfassungsrechtlich garantierten Sonderrechten, entschied das BVerfG. Das BAG müsse den Fall komplett neu prüfen, denn es habe – den Verfassungsrichtern zufolge – "Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts" nicht genügend beachtet.

Auf die Aufhebung des Urteils reagierte nun das BAG überraschend. Es verhandelt nun nicht unter stärkerer Beachtung der Sonderrechte der Kirch wie vom BVerfG den Fall neu, sondern ruft den Europäischen Gerichtshof auf den Plan.

EuGH soll Gleichbehandlung prüfen

Der Fall werde dem EuGH vorgelegt, erklärte der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts. Es geht dabei um den Gleichbehandlungsgrundsatz und damit den Schutz vor Benachteiligung unter anderem wegen Religion oder Alter. Letztlich möchte das BAG, dass der EuGH – auf Grundlage der EU-Richtlinie 2000/78/EG – einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festlegt.

Für den Senat ist erheblich, ob die Kirchen nach dem Unionsrecht bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten unterscheiden dürfen zwischen Arbeitnehmern, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören.(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.7.2016, 2 AZR 746/14)


Das BAG setzte das Verfahren bis zu einer Entscheidung der europäischen Richter aus.

Loyalitätspflicht nach Konfession verfassungsgemäß?

Pikant ist dabei, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil – auf Grundlage des Grundgesetzes – die jetzige Frage des BAG eigentlich beantwortet hat. Danach sei die Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession des kirchlichen Arbeitnehmers in der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" nach Katholiken, Nichtkatholiken und Nichtchristen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

"für die Kirchen kann ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, dass gerade ihre Mitglieder, die in ein Arbeitsverhältnis zu ihnen treten, die kirchliche Ordnung – auch in ihrer Lebensführung – respektieren",

entschied Bundesverfassungsgericht. Nun muss also der EuGH entscheiden, ob dieser weite Spielraum der Kirchen auch mit Blick auf das EU-Recht besteht.


Heutige Rechtslage

Allerdings dürfte der Fall des Chefarztes heute anders zu beurteilen sein, nachdem die katholische Kirche 2015 die arbeitsrechtlichen Vorschriften in ihrer Grundordnung gerade bei Wiederheirat gelockert hat. Danach ist eine erneute Ehe oder eine Lebenspartnerschaft bei katholischen Mitarbeitern nur dann ein Kündigungsgrund, wenn sie ein "erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft" darstellt und die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigt.

Damit ist heute eine Scheidung und die erneute standesamtliche Heirat in katholischen Krankenhäusern, Kindergärten oder Schulen nur noch in Ausnahmefällen ein Kündigungsgrund.




Schlagworte zum Thema:  Kirchliches Arbeitsrecht, Kündigung